Körperschaftsteuer | Anforderungen an das Vorliegen einer Organschaft (FG)
Eine Personengesellschaft ist - auch wenn sie eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und die Beteiligung an der potentiellen Organgesellschaft im Gesamthandsvermögen hält - keine taugliche Organträgerin, wenn einer ihrer Gesellschafter eine von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft ist (, EFG 2023, 1487; Revision anhängig, BFH-Az. I R 46/23).
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GmbH. Einzige Gesellschafterin der Klägerin ist die A KG, welche das Stammkapital der Klägerin seit ihrer Gründung hält.
An der A KG wiederum waren im Streitjahr die C GmbH (als Komplementärin) sowie die E als Kommanditistin beteiligt. Die E ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG persönlich von der Körperschaftsteuer befreit. In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2020 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... EUR. Aufgrund der bis dahin unstreitigen Annahme eines Organschaftsverhältnisses erklärte sie zugleich eine Einkommenskorrektur in derselben Höhe und damit einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 0,- EUR.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass die Organschaft nicht anzuerkennen sei, weil an der A KG mit der E eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG von der Körperschaftsteuer befreite Gesellschaft beteiligt sei. Aus diesem Grund verfüge die A KG nicht über die Fähigkeit, Organträgerin im körperschaftsteuerrechtlichen Sinne zu sein.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg:
Eine Personengesellschaft, an welcher ein persönlich von der Körperschaftsteuer befreiter Gesellschafter beteiligt ist, kann nicht Organträger im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG sein.
Zu dem Ergebnis dieser - in der Literatur umstrittenen und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch nicht geklärten - Frage gelangt der Senat aufgrund einer Auslegung des einschlägigen Normenbereichs, insbesondere unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und Änderungshistorie des § 14 KStG.
Ausgangspunkt für diesen Streit ist der mit dem StVergAbG bewirkte Wegfall des Passus, wonach die an einer Organträger-Personengesellschaft beteiligten Subjekte mit dem auf sie entfallenden Teil des zuzurechnenden Einkommens der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer unterliegen müssen. Ein Teil der Literatur geht im Lichte der damals erfolgten Gesetzesänderung davon aus, dass als Gesellschafter einer Organträger-Personengesellschaft nunmehr auch persönlich steuerbefreite Körperschaften in Betracht kommen (vgl. Gosch/Neumann, KStG, 4. Aufl., § 14, Rn. 84; Drüen, Ubg. 2016, 109 ff.; Frotscher, in: Frotscher/Drüen, § 14 KStG, Rn. 142b, Dötsch, in: Dötsch/Pung/Mühlenbrock, KStG, § 14 Rn. 161; Kolbe, in: H/H/R, KStG, § 14, Rn. 180).
Nach anderer Ansicht dagegen (vgl. bspw. Krumm in: Brandis/Heuermann/Krumm, KStG, § 14, Rn. 63; Streck/Olbing, 10. Aufl. 2022, KStG, § 14, Rn. 55 - 86; Finanzministerium Schleswig-Holstein, , DStR 13, 1607; OFD Niedersachsen, Beschluss vom - S 2270-117-ST 241, BeckVerw 273824) ist durch das StVergAbG keine materielle Änderung im Hinblick auf die Frage der Organträger-Fähigkeit einer Personengesellschaft mit einem persönlich von der Körperschaftsteuer befreiten Gesellschafter geregelt worden.
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Zwar trifft der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG seit der Änderung durch das StVergAbG keine ausdrückliche Regelung mehr dahingehend, dass die Beteiligung einer steuerbefreiten Körperschaft die Organträger-Fähigkeit einer Personengesellschaft ausschließt.
Die historische Auslegung des einschlägigen Normenbereichs spricht allerdings dafür: Den allgemeinen Ausführungen der Gesetzesbegründung ist das Ziel des StVergAbG zu entnehmen, Subventionen abzubauen und die Einnahmenbasis zu verbreitern. Gegenläufige Maßnahmen - wie die faktische Steuerfreistellung von in der Organtochter generiertem Steuersubstrat bei der Beteiligung einer steuerbefreiten Körperschaft an einem Personengesellschafts-Organträger - waren gerade nicht gewollt. Wenn zudem im besonderen Teil der Gesetzesbegründung ausgeführt wird: "Bislang war bei Personengesellschaften, die selbst ein gewerbliches Unternehmen unterhalten und deren Gesellschafter [...] körperschaftssteuerpflichtig sind, für die finanzielle Eingliederung ausreichend, wenn sich die Anteile an der Organgesellschaft im Sonderbetriebsvermögen […] befinden. Durch die Übertragung der Beteiligung ins Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft wird die Ernsthaftigkeit des gemeinsamen Engagements in der Organschaft verdeutlicht" , so kommt darin zum Ausdruck, dass die Neufassung von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG allein eine Verschärfung der Anforderungen an die Organschaft regeln sollte. Eine partielle Ausdehnung des Instituts nunmehr auch auf Fälle von Organträger-Personengesellschaften mit steuerbefreiten Gesellschaftern würde damit der gesetzgeberischen Intention - wie sie sowohl im allgemeinen als auch im besonderen Teil der der Gesetzesbegründung Anklang findet - widersprechen.
Die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage auch nach Inkrafttreten des StVergAbG wird durch eine systematische Auslegung des Normenbereichs bestätigt: Aus ertragsteuerlicher Sicht besteht der wesentliche Unterschied zwischen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG lediglich darin, dass letztere Norm den Übergang des Steuersubstrates nicht (nur) auf eine (nicht steuerbefreite) natürliche Person oder eine (nicht steuerbefreite) Körperschaft ermöglicht, sondern - anteilig - auf mehrere natürliche Personen, auf mehrere Körperschaften oder auf mehrere natürliche Personen und Körperschaften. Angesichts des Umstands, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG damit im Kern eine Mehrheit der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG zugelassenen Zurechnungssubjekte zulässt, sprechen überzeugende Gründe dafür, dass die Vorschrift in Bezug auf die Maßgeblichkeit der subjektiven Eigenschaften der jeweiligen Subjekte auch keine von Nr. 1 abweichenden Regelung trifft. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Vorschriften der Sätze 1 und 2 an die persönlichen Eigenschaften eines Zurechnungssubjekts andere Anforderungen stellen als an die persönlichen Eigenschaften von zwei (oder mehr) Zurechnungssubjekten.
Die gegen den Gerichtsbescheid eingelegte Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 46/23 anhängig.
Quelle: (il)
Fundstelle(n):
DAAAJ-64349