Instanzenzug: Az: 4 Ni 3/21 (EP) Urteil
Tatbestand
1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäische Patents 2 447 941 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom angemeldet worden ist und eine Spracherkennungsvorrichtung betrifft.
2Patentanspruch 1, auf den ein weiterer Anspruch zurückbezogen ist, lautet in der Verfahrenssprache:
A speech recognition apparatus, comprising
recognition unit (114) for carrying out a speech recognition process of recognizing the speech of the user,
instruction means for receiving speech recognition start instructions from a user, and instructing the recognition unit (114) to start the speech recognition process,
display means (110) for displaying at least one of recognizable speeches of the recognition unit (114), and
a sound processing unit (107),
wherein the speech recognition apparatus further comprises control means (112),
wherein a set-up period of time is necessary from a time when the recognition unit (114) receives instructions of start of the speech recognition process from the instruction means to a time when the recognition unit (114) is ready to carry out the speech recognition process, wherein the speech recognition process is started after the set-up operation has been completed, and
wherein the control means (112), is adapted to control the display means (110) to start the display of a prohibition mark (3) indicative of prohibition of speech and the display of the at least one of recognizable speeches and the display of a guidance message (4), and to control the sound processing unit (107) to output the same content as the guidance message (4) as sound during the set-up period of time, wherein the prohibition mark (3) is erased from the display means (110) after the speech recognition process has started.
3Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise im Umfang von Patentanspruch 2 verteidigt.
4Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie weiterhin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents begehrt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
5Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
6I. Das Streitpatent betrifft eine Spracherkennungsvorrichtung.
71. Nach der Beschreibung des Streitpatents kann eine Spracherkennungsvorrichtung, wie sie etwa in Navigationssystemen verwendet wird, einen Sprachtext analysieren, erkennen und auf dieser Grundlage eine Vielzahl von Prozessen durchführen (Abs. 2). Einige dieser Vorrichtungen wiesen ein Display auf, auf dem eine Liste möglicher Spracheingaben angezeigt werde (Abs. 4). Solche Spracherkennungsvorrichtungen reagierten teilweise nicht zu jeder Zeit auf eine Spracheingabe, sondern müssten zunächst aktiviert werden (Abs. 5).
8Zum Teil verstreiche zwischen der Aktivierung der Spracherkennungsvorrichtung, die etwa durch Drücken eines Schalters erfolge, und der Bereitschaft der Vorrichtung, eine Spracheingabe zu erkennen, eine gewisse Zeit. Herkömmlich sei der Nutzer darauf hingewiesen worden, dass die Spracheingabe erst ab einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen könne. Diese Information werde dem Nutzer im Stand der Technik etwa durch eine Ansage vermittelt (Abs. 7). Aus der japanischen Offenlegungsschrift Hei-2003-177789 sei ferner bekannt, ein sich bewegendes Bild anzuzeigen, das den Nutzer "intuitiv" darüber informiere, wann eine Spracheingabe möglich sei (Abs. 8 und 9).
9Nachteilig hieran sei, dass insbesondere Nutzer, die mit der Vorrichtung nicht vertraut seien, sich auf die angezeigte Liste möglicher Spracheingaben konzentrierten und dadurch nicht auf ein etwa angezeigtes bewegtes Bild achteten, das sie auf den Zeitpunkt hinweise, ab dem sie einen Sprachbefehl eingeben könnten (Abs. 10).
102. Vor diesem Hintergrund kann das technische Problem dahin beschrieben werden, eine Spracherkennungsvorrichtung bereitzustellen, bei der eine Fehleingabe des Nutzers möglichst unterbleibt und zugleich unnötige Verzögerungen vermieden werden.
113. Das Streitpatent schlägt hierzu in Patentanspruch 1 eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (abweichende Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):
134. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:
14a) Ausgangspunkt für die Einleitung des Spracherkennungsprozesses ist nach Merkmal 1.2 eine Start-Anweisung des Nutzers. Hierzu verfügt die Vorrichtung über ein Anweisungsmittel zum Empfangen einer solchen Anweisung, etwa vermittelt durch einen vom Nutzer zu betätigenden Sprachknopf.
15b) Der Empfang der Start-Anweisung in der Erkennungseinheit markiert den Beginn des notwendigen Einstellungszeitraums gemäß Merkmal 2. Es beginnt eine zeitliche Phase, in der eine Spracherkennung technisch bedingt noch nicht möglich ist, obwohl der entsprechende Nutzerwunsch schon durch den Empfang der Start-Anweisungen in der Erkennungseinheit vorliegt. Hier besteht die Gefahr, dass der Nutzer entsprechend seinem Wunsch bereits Spracheingaben tätigt, die aber noch nicht erkannt werden können (Abs. 6). Der Einstellzeitraum endet demgemäß, wenn die notwendige Einstellzeit abgelaufen ist und die Erkennungseinheit infolge dessen technisch bereit zur Ausführung des Spracherkennungsprozesses ist. Inwieweit und nach Maßgabe welcher weiteren Ablaufvorgaben der Spracherkennungsprozess anschließend tatsächlich umgesetzt wird, ist nicht mehr Gegenstand von Merkmal 2.
16c) Patentanspruch 1 enthält keine ausdrückliche Angabe zur Dauer des Einstellungszeitraums. Wie das Oberlandesgericht Karlsruhe in der als Anlage B3 vorgelegten Entscheidung im Verletzungsrechtsstreit (Urteil vom , S. 24) zutreffend angenommen hat, legt das Streitpatent zugrunde, dass der Einstellungszeitraum jedenfalls so lange währt, dass die Anzeigen und die Tonausgabe nach Merkmalsgruppe 4 vom Nutzer wahrgenommen werden können.
17d) Nach Merkmalsgruppe 4.1 ist das Steuerungsmittel so eingerichtet, dass es den Start der Anzeige dreier Elemente auf dem Anzeigemittel veranlassen kann: Die Anzeige eines Verbotszeichens (Merkmal 4.1.1), mindestens eines erkennbaren Sprachtextes (Merkmal 4.1.2) und einer Anleitungsnachricht (Merkmal 4.1.3).
18aa) Bei einem Verbotszeichen handelt es sich nicht um einen Text, sondern um ein Zeichen oder ein Symbol, das dem Nutzer vermittelt, dass derzeit eine Spracheingabe noch nicht erfolgen soll.
19bb) Bei dem erkennbaren Sprachtext handelt es sich um einen Text, der den Nutzer darüber informiert, welche Spracheingabe in dem dem Einstellungszeitraum nachfolgenden Spracherkennungsprozess erkannt werden kann.
20cc) Eine Anleitungsnachricht gibt dem Nutzer eine Anleitung zur Nutzung der Vorrichtung (Abs. 23). Aus dem Zusammenhang mit Merkmal 4.2 ergibt sich, dass es sich bei der Anleitungsnachricht um eine schriftlich dargestellte Nachricht handelt.
21dd) Das Ausführungsbeispiel nach der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1A verdeutlicht, dass der Inhalt der Anleitungsnachricht ("Please make a speech when you hear a beep") mit dem Bedeutungsgehalt des Verbotszeichens (Darstellung geöffneter Lippen, die von einem schräg verlaufenden Balken durchgestrichen sind) korrespondieren kann.
22Neben dem Verbotszeichen (3), der Anleitungsnachricht (4) und sechs erkennbaren Sprachtexten (1) zeigt das Ausführungsbeispiel eine Verbotsnachricht (prohibition message 2), die inhaltlich dem Verbotszeichen entspricht.
23ee) Aus dem Umstand, dass der Anspruch zwischen dem erkennbaren Sprachtext und der Anleitungsnachricht unterscheidet, ergibt sich, dass diese beiden Anzeigen einen unterschiedlichen Inhalt haben müssen. Dies wird durch Merkmal 4.2 bestätigt; denn eine Ausgabe durch die Tonverarbeitungseinheit ist zwar in Bezug auf eine Anleitungsnachricht zweckmäßig, nicht aber in Bezug auf die erkennbaren Sprachtexte.
24e) An welcher Stelle oder in welchem Bereich der Anzeige die genannten drei Elemente angezeigt werden, gibt Patentanspruch 1 nicht vor.
25Nach Auffassung des Landgerichts Mannheim versteht der Fachmann unter einem Verbotszeichen ausschließlich ein Zeichen, Symbol oder Bild, das die anzuzeigende Liste erkennbarer Sprachtexte überlagert (Urteil vom , 7 O 11/19, S. 17-23, NK11).
26Demgegenüber haben das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem bereits erwähnten Urteil (B3, S. 26-37) und das Patentgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen, dass der Anspruch eine teilweise Überlagerung des erkennbaren Sprachtexts nicht zwingend vorgibt.
27Zwar zeigt die oben bereits wiedergegebene Figur 1A ein den Sprachtext überlagerndes Verbotszeichen. In der Beschreibung wird zu diesem Ausführungsbeispiel ausgeführt, der Nutzer nehme das Verbotszeichen notwendigerweise wahr, wenn es in dieser Weise angeordnet werde (Abs. 22). Im Anspruch hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden.
28Ein weiteres Ausführungsbeispiel nach Figuren 4A und 4B lässt erkennen, dass das Verbotszeichen zumindest für eine gewisse Dauer des Einstellzeitraums den Sprachtext überlagert, bevor es an eine andere Position verschoben wird, an der es den Sprachtext nicht überlagert.
29Hierzu führt die Beschreibung aus, dass die erste Position des Verbotszeichens dazu führe, dass der Nutzer es wahrnehme. Zur zweiten Position wird erläutert, der Sprachtext könne leicht gelesen werden, während weiterhin erkennbar sei, dass eine Spracheingabe noch nicht erfolgen solle (Abs. 71).
30f) Auf die Frage, ob Merkmal 4.1.1 technische Wirkung hat, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.
31Zum zeitlichen Ablauf gibt Patentanspruch 1 vor, dass die Anzeige der drei Elemente nach Merkmalsgruppe 4.1 und die Tonausgabe nach Merkmal 4.2 während des Einstellungszeitraums gestartet wird.
32Die Wörter "during the set-up period of time" beziehen sich nicht nur auf die Tonausgabe nach Merkmal 4.2, sondern auch auf die Veranlassung der Anzeige von Verbotszeichen, erkennbaren Sprachtexten und Anleitungsnachrichten nach Merkmalsgruppe 4.1.
33Aus der Funktion des Verbotszeichens und aus dem Zusammenhang mit Merkmal 5 ergibt sich ferner, dass das Verbotszeichen vor dem Ablauf des Einstellungszeitraums angezeigt werden muss. Aus dieser Funktion und Merkmal 5 ergibt sich zudem eine zeitliche Begrenzung dahin, dass die Anzeige des Verbotszeichens jedenfalls dann endet, wenn der Einstellungszeitraum beendet ist.
34Patentanspruch 1 kann dagegen nicht entnommen werden, dass die Anzeigen und die Tonausgabe bereits unmittelbar nach dem Empfang der Spracherkennungs-Start-Anweisung gestartet werden. Für die Ausführungsbeispiele ist dies zwar in der Beschreibung so vorgesehen (Abs. 17, 18, 70), doch ist dem Anspruch keine entsprechende Vorgabe zu entnehmen.
35Ob die Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (B3, S. 43) zutrifft, der Anspruch lege fest, dass das Verbotszeichen spätestens gleichzeitig mit den erkennbaren Sprachtexten angezeigt wird, kann hier offen bleiben.
36Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass es zumindest eine Phase während des Einstellungszeitraums geben muss, während der die drei Elemente nach Merkmalsgruppe 4.1 parallel angezeigt werden.
37II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit im Berufungverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
38Entscheidend sei, dass die Mensch-Maschine-Schnittstelle durch die Merkmalsgruppe 4 so gestaltet werde, dass Eingabefehler sowie unnötige Eingabeverzögerungen minimiert würden. Ohne die Anzeige von Verbotszeichen, erkennbaren Sprachtexten und Anleitungsnachricht verlängere sich der Spracheingabe- und -erkennungsprozess regelmäßig. Durch die Kombination dieser Anzeigen werde die technische Wirkung erzielt, dass der Nutzer mit der Spracheingabe unmittelbar dann beginnen könne, wenn die Vorrichtung zur Spracheingabe bereit sei.
39Der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung liege nicht vor. Die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 gingen in zulässiger Weise auf die Anmeldeunterlagen der Teilanmeldung (NK1b) und der Stammanmeldung (NK9a) zurück. Den ursprünglichen Anmeldeunterlagen sei bereits zu entnehmen, dass die Anzeige des erkennbaren Sprachtextes und des Verbotszeichens nach einem ersten Zeitpunkt, nämlich dem Empfang der Spracherkennungs-Start-Anweisung und vor einem zweiten Zeitpunkt, zu dem das Erkennungsmittel zur Spracherkennung bereit sei, erfolge. Wie der Vergleich mit den Anmeldeunterlagen der Stammanmeldung zeige, seien zwar nicht alle Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 oder der Ausführungsbeispiele in den erteilten Anspruch aufgenommen worden. Dies gelte etwa für die Anweisung, das Verbotsbild in einer Position anzuzeigen, die mit mindestens einem Teil des erkennbaren Sprachtextes auf dem Anzeigemittel überlagert sei. Die darin liegende Verallgemeinerung sei jedoch aufgrund der allgemeinen Lehre in der Beschreibung zulässig.
40Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei auch patentfähig. Er sei gegenüber dem US-amerikanischen Patent 6 505 159 (NK5), und den US-amerikanischen Patentanmeldungen 5 864 815 (NK6) und 2003/00952 (NK7) neu. Ausgehend von NK5 sei dieser Gegenstand auch nicht nahegelegt. Eine Veranlassung, während des Einstellungszeitraums zusätzlich zur Anzeige des Verbotszeichens mit der Anzeige des erkennbaren Sprachtextes zu beginnen, sei nicht ersichtlich. Die entsprechenden Merkmale seien technischer Natur und daher bei der Prüfung der Patentfähigkeit zu berücksichtigen.
41III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Patentgericht ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass Merkmal 4.1.1 in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist.
421. Da das Streitpatent auf einer Teilanmeldung beruht, kommt es insoweit darauf an, ob sein Gegenstand über den Inhalt der Stammanmeldung in der bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG).
43Da eine deutsche Übersetzung der Anmeldeunterlagen der früheren PCT-Anmeldung PCT/JP2006/324064 nicht vorliegt, wird insoweit auf die beim Eintritt in die europäische Phase der Anmeldung unter der Nummer 06823543.1 eingereichte englischsprachige Übersetzung (NK9a) zurückgegriffen. Das Patentgericht hat festgestellt, dass Abweichungen, Übersetzungsfehler oder -ungenauigkeiten insoweit nicht geltend gemacht werden. Im Berufungsrechtszug hat sich hieran nichts geändert.
442. Der Inhalt der Anmeldung ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln. Entscheidend ist, was der vom Patentgericht zutreffend bestimmte Fachmann diesen Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend entnehmen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts Verallgemeinerungen nicht schlechthin ausgeschlossen. So ist die Verallgemeinerung ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zulässig, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind. Unzulässig ist eine Verallgemeinerung hingegen, wenn den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen ist, dass einzelne Merkmale in einem untrennbaren Zusammenhang miteinander stehen, der Patentanspruch aber diese Merkmale nicht in ihrer Gesamtheit vorsieht (, GRUR 2024, 42 Rn. 41 f. - Farb- und Helligkeitseinstellung).
453. Gemessen hieran ist Patentanspruch 1 mit der Aufnahme von Merkmal 4.1.1 unzulässig erweitert. Wie die Berufung zu Recht geltend macht, ist der Stammanmeldung nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen, dass das Verbotszeichen an einer beliebigen Position angezeigt wird.
46a) Ebenso wie das Streitpatent geht NK9a davon aus, dass es für einen auf die Liste mit möglichen Spracheingaben konzentrierten Nutzer schwierig sein kann, ein gleichzeitig angezeigtes bewegtes Bild wahrzunehmen, das ihn auf den Zeitpunkt hinweisen soll, ab dem eine Spracheingabe möglich ist (Abs. 9).
47b) Vor diesem Hintergrund ist in den Ansprüchen und in der Beschreibung der NK9a durchweg vorgesehen, dass das Verbotszeichen zunächst jeweils in einer Position angezeigt wird, in der es zumindest teilweise den erkennbaren Sprachtext überlagert.
48Anspruch 1 sieht hierzu vor, dass die Anzeigemittel die Anzeige entweder einer Verbotsnachricht auf der gleichen Höhe wie der erkennbare Sprachtext oder eines Verbotszeichens in einer Position, die mindestens einen Teil des erkennbaren Sprachtextes überlagert, veranlassen.
49Entsprechende Formulierungen finden sich in den nebengeordneten Ansprüchen 6 und 7 zu einer Anzeigemethode und einem Anzeigesteuerungsprogramm. Dem entsprechen die Ausführungen in Absatz 11 bis 13 der Beschreibung.
50Auch die Beschreibung des Ausführungsbeispiels, das in Figur 1A der NK9a dargestellt wird (die mit der oben wiedergegebenen Figur 1A des Streitpatents identisch ist), sieht vor, dass das Verbotszeichen den erkennbaren Sprachtext vollständig oder zumindest teilweise überlagert. Dies wird dahin erläutert, eine solche Anordnung stelle sicher, dass der Nutzer, der die Liste der erkennbaren Sprachtexte sieht oder liest, auch das Verbotszeichen wahrnimmt (Abs. 23, ferner Abs. 58).
51c) Dass auch eine Vorrichtung zur Erfindung gehören soll, bei der die Anzeigemittel eine Anzeige des Verbotszeichens während des Einstellungszeitraums veranlassen, das sogleich neben dem erkennbaren Sprachtext angeordnet ist, ohne diesen zumindest teilweise zu überlagern, ist NK9a nicht zu entnehmen.
52aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts lässt sich Absatz 16 der NK9a kein weitergehender Offenbarungsgehalt entnehmen.
53Im vorletzten Satz dieses Absatzes heißt es zwar, dass während eines Zeitraums, der von der Spracherkennungs-Start-Anweisung bis zum Start der Spracherkennung reiche, ein Verbotszeichen auf dem Bildschirm angezeigt werde. Dieser Satz darf jedoch nicht aus seinem Zusammenhang gelöst werden. Wie sich aus den vorangehenden Sätzen und dem unmittelbar nachfolgenden Satz ergibt, ist er Bestandteil eines Absatzes, in dem das Ausführungsbeispiel nach Figur 1 erläutert wird. Er hat lediglich die zeitliche Vorgabe zum Gegenstand, zu welchem Zeitpunkt und während welchen Zeitraums ("At this time, during a period of time …") eine Nachricht und ein Verbotszeichen angezeigt werden. Diesem Satz ist daher keine allgemeine Lehre des Inhalts zu entnehmen, dass die Position des Verbotszeichens auf der Anzeige beliebig ist. Aus der Bezugnahme auf die Figur 1A ergibt sich vielmehr, dass auch an dieser Stelle nur eine Vorrichtung offenbart wird, bei der die Verbotsanzeige den erkennbaren Sprachtext zumindest teilweise überlagert. Die Anzeige des Verbotszeichens und seine Positionierung stellen demgemäß auch in diesem Zusammenhang aufeinander bezogene Merkmalsbestandteile dar, die gemeinsam die Wahrnehmung des Verbotszeichens beim Lesen des (teilweise) überlagerten Sprachtextes sicherstellen sollen, und damit in einem nicht trennbaren Zusammenhang stehen.
54Entsprechendes gilt für Absatz 75.
55bb) Eine andere Beurteilung ergibt sich, anders als die Beklagte meint, auch nicht aus dem letzten Satz des Absatzes 22 der Beschreibung.
56Dort wird lediglich erläutert, dass das Verbotszeichen den erkennbaren Sprachtext nicht vollständig überlagern müsse, sondern es genüge, dass es den Sprachtext nur teilweise überlagere, so dass Verbotszeichen und erkennbarer Sprachtext einheitlich wahrgenommen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der mit dem Wort "and" vorgenommenen kumulativen Verknüpfung der fehlenden Notwendigkeit eines vollständigen Überlagerns und der Möglichkeit eines teilweise Überlagerns nicht zu entnehmen, dass eine Überlagerung überhaupt nicht notwendig ist.
57cc) Der auf Anspruch 1 rückbezogene Anspruch 4 und die entsprechenden Passagen der Beschreibung stehen dieser Deutung nicht entgegen, sondern bestätigen sie.
58Anspruch 4 sieht eine Vorrichtung vor, bei der das Anzeigesteuerungsmittel, nachdem das Verbotszeichen zunächst in der in Anspruch 1 beschriebenen Art, also zumindest teilweise den erkennbaren Sprachtext überlagernd, angezeigt wurde, dieses Zeichen in einer Position anzeigt, in der es den Sprachtext nicht überlagert.
59Die Beschreibung führt hierzu aus, dass es Vorrichtungen gebe, bei denen die Spracherkennung erst gestartet werde, wenn nach der Eingabe einer Spracherkennungs-Start-Anweisung der Sprach-Button ein weiteres Mal betätigt werde (Abs. 63).
60Hierfür schlägt NK9a eine modifizierte Vorgehensweise vor, für die auf Figuren 4A und 4B Bezug genommen wird, die wiederum den oben wiedergegebenen Figuren 4A und 4B der Streitpatentschrift entsprechen.
61Wie die Beschreibung erläutert, erfolgt nach der Spracherkennungs-Start-Anweisung zunächst eine Anzeige, die derjenigen der Figur 1A entspricht (Abs. 65), bei der mithin das Verbotszeichen den erkennbaren Sprachtext überlagert. Zugleich wird der Nutzer durch eine Tonausgabe darauf hingewiesen, dass er den Sprach-Button erneut betätigen möge. Erst im Anschluss hieran ändert sich die Anzeige dahin, dass das Verbotszeichen in einer Position angezeigt wird, in der es den erkennbaren Sprachtext nicht - auch nicht teilweise - überlagert (siehe Figur 4B). Die Beschreibung erläutert hierzu, nachdem das Verbotszeichen zunächst in einer überlagernden Position angezeigt werde, erkenne es der Nutzer als Verbotszeichen (Abs. 67). Zugleich werde es dem Nutzer so erleichtert, den erkennbaren Sprachtext zu lesen. Das Verbotszeichen könne dann sogar ein anderes sein als das zunächst angezeigte (Abs. 68).
62Die zeitliche Abfolge, nach der das Verbotszeichen zunächst in einer den erkennbaren Sprachtext zumindest teilweise überlagernden Position angezeigt wird, ergibt sich auch aus der Beschreibung zu Figur 5 (Abs. 73 bis 81).
63Auch bei dieser abgewandelten Ausführungsform wird mithin das Verbotszeichen stets zunächst in einer Position angezeigt, in der es den erkennbaren Sprachtext mindestens teilweise überlagert.
64IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110124UXZR68.21.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-64293