BAG Urteil v. - 3 AZR 44/23

Betriebliche Altersversorgung - leitender Angestellter - Spätehenklausel - Mindestehedauer

Leitsatz

Wird in einem Arbeitsvertrag eines leitenden Angestellten für die betriebliche Altersversorgung pauschal auf die beim Arbeitgeber geltende Regelung verwiesen, ist dies ohne besondere Anhaltpunkte nicht dahin zu verstehen, dass damit auch eine nach Vertragsschluss in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung zustande gekommene Versorgungsordnung in Bezug genommen ist.

Gesetze: § 305 Abs 1 S 1 BGB, § 310 Abs 3 Nr 2 BGB, § 310 Abs 4 BGB, § 139 BGB, § 306 Abs 1 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 2 BGB, § 307 Abs 3 S 1 BGB, § 310 Abs 3 Nr 2 BGB, § 310 Abs 4 BGB, § 1 AGG, § 3 Abs 1 AGG, § 3 Abs 2 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 7 Abs 2 AGG, § 10 S 1 AGG, § 10 S 2 AGG, § 10 S 3 Nr 4 AGG, § 46 Abs 2a SGB 6, § 5 Abs 3 BetrVG, § 77 Abs 4 S 1 BetrVG, § 1 Abs 1 S 1 BetrAVG

Instanzenzug: Az: 18 Ca 304/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 2 Sa 564/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung.

2Der 1954 geborene Ehemann der Klägerin, mit dem diese seit dem verheiratet war, verstarb am infolge eines Autounfalls. Er war seit dem bis zu seinem Tod durchgehend bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Exportleiter im Rang eines Abteilungsleiters beschäftigt und in dieser Funktion leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG. In seinem Arbeitsvertrag vom heißt es auszugsweise:

3Die im Zeitpunkt des Zustandekommens des Arbeitsvertrags geltende Versorgungregelung war die Versorgungsordnung der H-Betriebe München/Pfaffenhofen zur betrieblichen Altersversorgung 1983“ vom (im Folgenden VO 83), durch die den Arbeitnehmern der Unternehmen H-Werk und H KG München-Pfaffenhoffen im Wege einer arbeitgeberseitigen Gesamtzusage Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt waren. Die VO 83 lautet auszugsweise:

4Das Arbeitsverhältnis des Ehemanns der Klägerin ging im weiteren Verlauf unverändert auf die Beklagte, ebenfalls ein Unternehmen der H-Gruppe, über. Diese unterhielt mit weiteren Unternehmen der H-Gruppe einen Gemeinschaftsbetrieb, für den jedenfalls seit 1998 ein Betriebsrat gebildet war. Mit Wirkung zum schlossen der Betriebsrat und die Trägerunternehmen des Gemeinschaftsbetriebs einschließlich der Beklagten eine „Rahmenbetriebsvereinbarung zur Grundversorgung“ (im Folgenden RBV 2002), die für Mitarbeiter, die im Zeitraum vom bis zum ein Arbeitsverhältnis zum Unternehmen begründet hatten, festlegte, dass weiterhin die für sie geltenden Bestimmungen der VO 83 Anwendung finden, die fortan als „VO II“ und Bestandteil der Betriebsvereinbarung bezeichnet und dieser in der Anlage 2 beigefügt war (im Folgenden VO II). Die VO II enthielt hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen für Hinterbliebenenrenten eine identische Regelung wie die VO 83. Zuletzt maßgeblich war für Mitarbeiter, die im Zeitraum vom bis zum ein Arbeitsverhältnis begründet hatten, die inhaltsgleiche VO II, auf die in gleicher Weise in der Rahmenbetriebsvereinbarung vom (im Folgenden RBV 2015) verwiesen ist.

5Mit ihrer Klage hat die Klägerin - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zuletzt noch die Zahlung einer Hinterbliebenenrente für den Zeitraum Oktober 2018 bis Januar 2020 iHv. 4.827,61 Euro monatlich, ab Februar 2020 bis Februar 2021 die Zahlung einer Hinterbliebenenrente iHv. 3.003,49 Euro monatlich und für die Zeit danach die Feststellung einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung geltend gemacht. Die Reduzierung des verlangten Rentenbetrags erfolgte im Hinblick auf einen der geschiedenen ersten Ehefrau des Verstorbenen vom Amtsgericht Pfaffenhofen a. d. Ilm im Rahmen des Versorgungsausgleichs mit Beschluss vom zugesprochenen Anteil der Hinterbliebenenversorgung. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin der Höhe nach zuletzt nicht mehr bestritten.

6Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die in der VO 83 vorgesehenen zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen für eine Hinterbliebenenrente seien unwirksam. Dies gelte sowohl für die Spätehenklausel in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 1 VO 83, die eine Eheschließung vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Mitarbeiters fordere, als auch für die Regelung zur Mindestehedauer in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83. Die Spätehenklausel sei nach der Senatsrechtsprechung aufgrund einer nicht gerechtfertigten unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters unwirksam. Dies habe die Unwirksamkeit der gesamten Regelung in Abschn. VII Ziff. 1 Satz 2 VO 83 und damit auch der Mindestehedauerklausel zur Folge. Im Übrigen seien die Regelungen der VO 83 am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zu messen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Regelungen der VO 83 später als VO II in die RBV 2002/2015 inkorporiert worden seien und damit ggf. die Wirkung einer Betriebsvereinbarung erlangt hätten. Die RBV 2002/2015 und damit die VO II hätten im Arbeitsverhältnis ihres verstorbenen Ehemanns aufgrund dessen Stellung als leitender Angestellter keine nach § 310 Abs. 4 BGB einer AGB-Kontrolle entgegenstehende normative Wirkung entfaltet. Die Regelung zur Mindestehedauer sei aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

7Die Klägerin hat zuletzt - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - beantragt,

8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und den Standpunkt eingenommen, aufgrund der Bezugnahme auf die jeweils bei der Beklagten geltende Versorgungsordnung in § 5 des Arbeitsvertrags bestimmten sich die Versorgungsansprüche nach den Regelungen der VO II. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente nach Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a VO II seien nicht erfüllt, da die Ehe der Klägerin nicht die nach Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO II vorausgesetzte Mindestdauer aufweise. Die Regelung zur Mindestehedauer sei wirksam. Die VO II sei als Betriebsvereinbarung einer AGB-Kontrolle entzogen. Die Mindestehedauerklausel halte einer solchen Überprüfung jedenfalls stand. Der Arbeitgeber habe ein berechtigtes Interesse an einer Begrenzung von Leistungen der Hinterbliebenenversorgung, das weitergehe als die Grenzen der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Risiko einer Hinterbliebenenversorgung sei nicht abschätzbar und könne erhebliche Kosten verursachen.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage mit den zuletzt gestellten Anträgen stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

10Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht abgeändert und der Klage im zuletzt noch anhängigen Umfang stattgegeben.

11A. Die Revision der Beklagten hat nicht deshalb Erfolg, weil die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts mangels hinreichender Auseinandersetzung mit der Entscheidungsbegründung unzulässig ist. Die Berufungsbegründung wird den Begründungsanforderungen iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (vgl. dazu etwa  - Rn. 21 mwN) gerecht. Die Klägerin hat sich hinreichend mit der Annahme des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt, eine Inhaltskontrolle der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Versorgungsordnung nach §§ 305 ff. BGB komme nicht in Betracht, da für diese als Betriebsvereinbarung die Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 BGB greife. Sie hat insoweit vorgebracht, die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel verweise nur statisch auf die im Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses geltende VO 83 und damit nicht auf eine Betriebsvereinbarung. Zudem wendet sie hilfsweise ein, die Voraussetzungen der Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 BGB lägen jedenfalls deshalb nicht vor, weil die Versorgungsordnung auch als Betriebsvereinbarung auf das Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten wie im Fall des verstorbenen Versorgungsberechtigten nicht normativ wirke. Sie macht geltend, der Zweck der Hinterbliebenenversorgung werde durch die vorliegend vorausgesetzte Mindestehedauer von mehr als einem Jahr gefährdet, weshalb die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht standhalte. Träfe diese Auffassung zu, wäre die Rüge geeignet, die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen.

12B. Die in ihrem Antrag zu 2. zulässig auf künftige Leistungen gemäß § 258 ZPO gerichtete (vgl.  - Rn. 32, BAGE 174, 138) Klage ist mit beiden Anträgen begründet. Die Klägerin hat Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente in der von ihr geltend gemachten Höhe.

13I. Grundlage für die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung einer Hinterbliebenenversorgung sind kraft der Bezugnahmeklausel in § 5 des Arbeitsvertrags des verstorbenen Ehemanns der Klägerin vom nach wie vor die Regelungen der VO 83. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat sich daran nichts dadurch geändert, dass die Regelungen der VO 83 später nach der RBV 2002 bzw. 2015 für Mitarbeiter, die - wie der Ehemann der Klägerin - im Zeitraum vom bis zum ein Arbeitsverhältnis zum Unternehmen begründeten, inhaltsgleich als VO II in die RBV 2002 bzw. die RBV 2015 inkorporiert wurden. Die Auslegung der im Arbeitsvertrag des Ehemanns der Klägerin enthaltenen Bezugnahmeklausel ergibt, dass von ihr keine nachfolgenden Versorgungsordnungen in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung erfasst sein sollten.

141. § 5 des Arbeitsvertrags vom unterliegt der Auslegung nach den Grundsätzen für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die für diese Annahme notwendigen Feststellungen nicht ausdrücklich getroffen. Jedoch begründet bereits das äußere Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (vgl.  - Rn. 28). Auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen - später nicht mehr ausdrücklich wiederholten - Einwands der Beklagten, § 5 des Arbeitsvertrags sei nicht mehrfach eingesetzt worden, liegt jedenfalls eine Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vor.

152. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl.  - Rn. 25 mwN; zu Einmalbedingungen - 7 AZR 300/22 - Rn. 20).

163. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamisch. Sie verweisen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Das Verständnis einer solchen Bezugnahme als dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden Versorgungsregelungen ist sachgerecht und wird in der Regel den Interessen der Parteien eher gerecht als eine statische Verweisung auf einen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Rechtszustand. Nur so wird eine einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung auf alle von ihr erfassten Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger des Arbeitgebers sichergestellt. Der Arbeitgeber will im Zweifel die betriebliche Altersversorgung nach einheitlichen Regeln, dh. als System, erbringen. Ein solches System darf nicht erstarren. Dies ist bei der Auslegung dahingehender Vereinbarungen zu berücksichtigen. Deshalb ist für den Regelfall eine dynamische Verweisung anzunehmen. Will der Arbeitgeber eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen (zuletzt  - Rn. 23 mwN).

174. Danach nimmt § 5 des Arbeitsvertrags vom vorliegend nach wie vor die VO 83 in Bezug und erstreckt die Bezugnahme nicht auf die RBV 2002/2015 bzw. die - wenn auch inhaltsgleiche - VO II.

18a) Nach § 5 des Arbeitsvertrags wurde dem Ehemann der Klägerin ein Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung nach der „in der Versorgungsordnung der H-Betriebe gültigen Regelung“ zugesagt. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war damit unstreitig die VO 83 in Bezug genommen, mit der den Arbeitnehmern der Unternehmen H-Werk und H KG München-Pfaffenhoffen im Wege einer arbeitgeberseitigen Gesamtzusage Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt waren.

19b) Die vertragliche Bezugnahmeklausel erfasst hingegen nicht die RBV 2002/2015 und die inkorporierte VO II.

20aa) Zwar bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien die am Tag des Vertragsschlusses geltende VO 83 statisch in Bezug nehmen wollten. Dafür fehlt es - unabhängig davon, ob dies für sich genommen ausreichend wäre - schon an einer konkreten Bezeichnung dieser Versorgungsregelung. Anderes folgt auch nicht daraus, dass § 5 des Arbeitsvertrags im Singular auf die „in der Versorgungsordnung der H-Betriebe gültige Regelung“ verweist. Das stellt lediglich deklaratorisch klar, dass sich die Versorgung im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach der damals geltenden VO 83 richtete. Damit waren grundsätzlich auch spätere ablösende Versorgungsordnungen „der H-Betriebe“ erfasst.

21bb) Das gilt jedoch aufgrund der Stellung des Ehemanns der Klägerin als leitender Angestellter nicht für die späteren in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung zustande gekommenen RBV 2002/2015 und die VO II. Eine - wie hier - allgemein gehaltene Verweisung auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen ist, sofern sie in einem Arbeitsvertrag mit einem leitenden Angestellten enthalten ist, von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern regelmäßig ohne besondere Anhaltpunkte nicht dahin zu verstehen, dass davon auch erst zu einem späteren Zeitpunkt geschlossene Betriebsvereinbarungen erfasst sind, in deren persönlichen Anwendungsbereich der leitende Angestellte nicht fällt.

22(1) Der Ehemann der Klägerin war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien - wie diese in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben - leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG. Diesen Umstand haben der Ehemann der Klägerin und die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin in § 2 Nr. 3 des Arbeitsvertrags - wenngleich mit einem fehlerhaften Normenverweis - festgehalten und damit ihren vertraglichen Abreden zugrunde gelegt.

23(2) Eine Geltungserstreckung von Betriebsvereinbarungen auf die außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Personen des § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG durch arbeitsvertragliche Vereinbarung ist zwar grundsätzlich möglich (vgl. Rieble/Schul RdA 2006, 339, 341). Die Anwendung einer durch Betriebsvereinbarung normierten Versorgungsordnung auf das Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten stellt aber eine Besonderheit dar, die dieser typischerweise nicht erwarten muss. Betriebsvereinbarungen gelten grundsätzlich nicht kraft privatautonomer Legitimation, sondern kraft gesetzlichen Geltungsbefehls. Ihre normative Wirkung erstreckt sich nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gerade nicht auf leitende Angestellte. Die Interessen der leitenden Angestellten werden deshalb vom Betriebsrat typischerweise nicht vertreten. Schließlich kann der Einbezug der leitenden Angestellten in den Anwendungsbereich von durch Betriebsvereinbarung geregelten Versorgungsordnungen in Konflikt mit entsprechenden Regelungen zwischen Sprecherausschuss und Arbeitgeberin geraten (vgl. Rieble/Schul RdA 2006, 339, 341). Soll daher eine Bezugnahmeklausel ausnahmsweise einer Betriebsvereinbarung auch im Arbeitsverhältnis einer außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Person Geltung verschaffen, bedarf es einer ausreichenden Klarstellung.

24(3) An einer solchen hinreichend deutlichen Bezugnahme auf auch durch Betriebsvereinbarung geschaffene Versorgungsordnungen fehlt es vorliegend. Die Bezugnahmeklausel in § 5 des Arbeitsvertrags des verstorbenen Ehemanns der Klägerin verweist für seine Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung auf die „in der Versorgungsordnung der H-Betriebe (gültige) Regelung“. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war dies die VO 1983, bei der es sich nicht um eine Betriebsvereinbarung handelte, sondern auf deren Grundlage die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern - offenbar unabhängig von deren hierarchischer Stellung - im Wege einer Gesamtzusage eine betriebliche Altersversorgung zusagte. Es kann daher dahinstehen, ob anderenfalls bereits ein ausreichender Anhaltspunkt dafür vorgelegen hätte, dass die Klausel auch in Betriebsvereinbarungen geregelte Versorgungsordnungen in Bezug nehmen sollte.

25II. Die Anspruchsvoraussetzungen der VO 83 für die geltend gemachte Hinterbliebenenrente sind erfüllt. Die Klägerin hat als hinterlassene Ehefrau ihres verstorbenen Ehemanns unstreitig Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a VO 83. Der verstorbene Ehemann der Klägerin war Arbeitnehmer der Beklagten, unterfiel dem persönlichen Anwendungsbereich der VO 83 und war damit Versorgungsanwärter. Auch war am 1. Dezember vor dem Tod des Ehemanns der Klägerin die Wartezeit nach Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 iVm. Abschn. III VO 83 erfüllt.

26III. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Ansprüche der Klägerin nicht nach Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 1 VO 83 ausgeschlossen sind. Danach ist zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für die geltend gemachte Hinterbliebenenrente, dass der Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat. Zwar war die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann erst geschlossen worden, nachdem dieser sein 60. Lebensjahr vollendet hatte. Die Spätehenklausel in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 1 VO 83 ist jedoch wegen Verstoßes gegen das in § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 AGG normierte Verbot der Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend unter Anwendung der dazu in der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätze erkannt (vgl. dazu iE  - Rn. 22 ff., BAGE 165, 357; - 3 AZR 198/18 - Rn. 14 ff.).

27Der in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 1 VO 83 enthaltene Ausschluss bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Diese Ungleichbehandlung ist nicht nach § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 4 AGG sachlich gerechtfertigt. Zwar beruht die durch Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 1 VO 83 bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters auf einem legitimen Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG. Die in der vorliegenden Klausel bestimmte Altersgrenze ist aber nicht angemessen iSv. § 10 Satz 2 AGG. Sie führt zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Versorgungsberechtigten, die - weil sie bei Eheschließung das 60. Lebensjahr vollendet haben - von der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung vollständig ausgeschlossen werden und die Regelung an kein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip anknüpft, das typischerweise mit einer Zäsur im Arbeitsverhältnis verbunden ist (vgl. ausführlich  - Rn. 42 ff., BAGE 165, 357). Die Vollendung des 60. Lebensjahres ist nach der Struktur der Versorgungsordnung gerade kein Zeitpunkt, zu dem typischerweise mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechnet werden kann bzw. zu dem das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet oder der Versorgungsfall eingetreten ist. Gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet sich die Beklagte im Revisionsverfahren auch nicht.

28IV. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass der Anspruch der Klägerin auch nicht aufgrund der Regelung zur Mindestehedauer in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 ausgeschlossen ist.

291. Danach ist zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für die geltend gemachte Hinterbliebenenrente, dass am 1. Dezember vor dem Tod des Arbeitnehmers die Ehe mindestens ein Jahr bestand. Diese gesonderte Voraussetzung einer Mindestehedauer ist vorliegend nicht bereits deshalb unbeachtlich, weil schon die vorgeschaltete Spätehenklausel unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Spätehenklausel erstreckt sich nicht auf die in der Mindestehedauerklausel geregelte weitere Voraussetzung.

30a) Als Gesamtzusage enthielt die VO 83 Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB (vgl. etwa  - Rn. 15; - 3 AZR 437/18 - Rn. 26). Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz - wozu auch § 7 Abs. 1 AGG zählt - führt bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Anwendung der Rechtsfolgen des § 306 BGB. Die Rechtsfolgen von § 306 BGB kommen grundsätzlich nicht nur zur Anwendung, wenn sich die Unwirksamkeit einer Klausel aus den §§ 305 ff. BGB selbst ergibt, sondern auch dann, wenn sie gegen sonstige gesetzliche Verbote verstößt ( - Rn. 51 mwN, BAGE 170, 353). § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. Eine Klausel bleibt teilweise aufrechterhalten, wenn sie mehrere Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abgrenzbar ist. Verbleibt nach der Streichung der unwirksamen Teilregelung und des unwirksamen Klauselteils eine verständliche Regelung, bleibt diese bestehen (sog. blue-pencil-Test, vgl.  - Rn. 52 mwN, aaO).

31b) Da der verbleibende Teil der Regelung in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a VO 83 auch ohne den in der Spätehenklausel normierten Ausschluss eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt, erstreckt sich deren Unwirksamkeit nach § 306 Abs. 1 BGB nicht auf den übrigen Regelungsinhalt.

322. Zwar ist die in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 aufgestellte Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt. Die am geschlossene Ehe der Klägerin mit ihrem am verstorbenen Ehemann bestand am noch nicht. Auch die Regelung zur Mindestehedauer ist jedoch unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt.

33a) Allerdings durfte das Landesarbeitsgericht mit der gegebenen Begründung nicht annehmen, die Mindestehedauerklausel in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 enthalte eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 2 AGG und sei daher gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Dieser Würdigung liegen keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zugrunde.

34aa) Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

35bb) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, mit zunehmendem Alter des Versorgungsberechtigten steige „unzweifelhaft die statistische Wahrscheinlichkeit, die Voraussetzungen einer Regelung zur Erfüllung einer Mindestehedauer nicht mehr zu erreichen“. Es hat jedoch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die eine entsprechende statistische Wahrscheinlichkeit begründen könnten. Zwar können sich aus Statistiken grundsätzlich Indizien für eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals ergeben (vgl.  - Rn. 29). Solche hinreichend aussagekräftigen statistischen Daten sind aber nicht festgestellt. Die insoweit darlegungsbelastete Klägerin hatte sich in den Vorinstanzen auch nicht auf die Unwirksamkeit der Mindestehedauerklausel nach § 7 Abs. 2 AGG berufen und insofern keinen konkreten Vortrag gehalten. In der Entscheidung vom (- 3 AZR 254/21 - Rn. 45, BAGE 176, 319) hat der Senat zuletzt offengelassen, ob die in dieser Sache in Rede stehende Mindestehedauerklausel ältere Arbeitnehmer stärker betrifft als jüngere. Die von der Beklagten im Revisionsverfahren vorgelegten statistischen Auswertungen sprechen eher gegen eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Zwar besteht für ältere Arbeitnehmer ein steigendes Risiko zu versterben, allerdings dürfte in diesem Alter auch die Anzahl eingegangener Ehen erheblich sinken. Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines kurzen Zeitraums nach Eheschließung zu versterben, könnte zudem für alle Altersgruppen gering sein und insbesondere nicht kontinuierlich mit dem Lebensalter steigen. Es kann daher nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ältere Arbeitnehmer zahlenmäßig stärker von der Nichterfüllung der Voraussetzungen einer Klausel zu einer Mindestehedauer betroffen sind.

36b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Anspruch der Klägerin stehe die in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 geregelte Voraussetzung der Mindestehedauer nicht entgegen, stellt sich jedoch im Ergebnis als zutreffend dar (§ 561 ZPO). Die Anforderung ist wegen einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB unwirksam.

37aa) Das in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 formulierte Erfordernis unterliegt der Inhaltskontrolle. Diese ist nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Die Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf Hinterbliebene, die mit dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer am 1. Dezember vor dessen Tod mindestens ein Jahr verheiratet waren, weicht von der die Hinterbliebenenversorgung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG kennzeichnenden Vertragstypik ab, welche darin besteht, dass sie eine bestimmte Kategorie von Personen eines abgrenzbaren Näheverhältnisses zum Versorgungsberechtigten absichert. Schränkt der Arbeitgeber den danach betroffenen Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in einer Versorgungszusage ein, unterliegt diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl.  - Rn. 14, BAGE 176, 319; - 3 AZR 150/18 - Rn. 22, BAGE 165, 345).

38bb) Die Mindestehedauerklausel ist nicht schon nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

39(1) Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Abweichung den Kernbereich der gesetzlichen Regelung betrifft. Es muss eine Beeinträchtigung des Gerechtigkeitskerns einer Regelung vorliegen (vgl.  - Rn. 16, BAGE 176, 319; - 3 AZR 298/20 - Rn. 50 mwN, BAGE 176, 1).

40(2) Eine solches Gewicht kommt der Mindestehedauerklausel als Voraussetzung für einen Anspruch auf eine betriebliche Hinterbliebenenversorgung nicht zu. Der Arbeitgeber kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen, eine Rechtspflicht trifft ihn hierzu jedoch nicht. Entscheidet er sich für eine solche Zusage, ist er nach Betriebsrentenrecht auch nicht gehalten, sich den Regeln der gesetzlichen Sozialversicherung anzuschließen und für die betriebliche Versorgung gleiche oder entsprechende Regeln aufzustellen. Infolgedessen können die Anspruchsvoraussetzungen einer Hinterbliebenenrente enger als im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht beschrieben werden (vgl.  - Rn. 17 f., BAGE 176, 319; - 3 AZR 298/20 - Rn. 51 mwN, BAGE 176, 1). Die Klausel ist daher auch nicht deswegen unwirksam, weil sie von den Voraussetzungen der gesetzlichen Hinterbliebenenversorgung in § 46 Abs. 2a SGB VI abweicht (vgl.  - Rn. 19, aaO).

41cc) Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich vorliegend ebenso wenig aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Danach liegt eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel vor, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Vertragszweck der Hinterbliebenenversorgung ist eine Versorgung der nahen Angehörigen des Arbeitnehmers. Dieser wird durch die streitgegenständliche Einschränkung nicht gefährdet, sondern lediglich reduziert ( - Rn. 20, BAGE 176, 319).

42dd) Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich jedoch unter Berücksichtigung der im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB durchzuführenden umfassenden Abwägung der betroffenen Interessen der Versorgungsberechtigten und der Versorgungsschuldner (vgl.  - Rn. 21, BAGE 176, 319; - 3 AZR 298/20 - Rn. 55 mwN, BAGE 176, 1).

43(1) Unangemessen ist jede Benachteiligung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt ( - Rn. 22, BAGE 176, 319; - 7 AZR 582/17 - Rn. 42; - 3 AZR 150/18 - Rn. 27 mwN, BAGE 165, 345).

44(2) Die durch Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 vorgenommene Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung durch die am 1. Dezember vor dem Tod des Versorgungsberechtigten erforderliche Mindestehedauer ohne die Möglichkeit, das Vorliegen einer Versorgungsehe auszuschließen, enthält eine unangemessene Benachteiligung in diesem Sinne.

45(a) Auf Seiten des Versorgungsberechtigten ist zunächst dessen rechtlich geschütztes Interesse zu berücksichtigen, das sich aus dem Näheverhältnis zu seinem Ehepartner ergebende typisierte Versorgungsinteresse entsprechend der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ohne das Erfordernis einer einjährigen Mindestehedauer abzusichern (vgl.  - Rn. 25, BAGE 176, 319; - 3 AZR 150/18 - Rn. 29, BAGE 165, 345). Der Arbeitnehmer kann unter Berücksichtigung der Wertungen des Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 6 Abs. 1 GG bis zu einem gewissen Grad darauf vertrauen, dass eine für den überlebenden Ehepartner zugesagte Versorgung nicht an überzogene weitere Anforderungen geknüpft wird ( - Rn. 26, aaO). Dieses Interesse wird durch die Verknüpfung des Eintritts des Versorgungsfalls „Hinterbliebene“ mit der Mindestehedauer insofern berührt, als ein gewisser Druck auf den Arbeitnehmer ausgeübt wird, möglichst früh zu heiraten ( - Rn. 27, aaO). Wie lange der Arbeitnehmer mit einer Person verheiratet war, hängt zudem von seiner ganz privaten Lebensführung ab. Ein innerer Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis als Grundlage für die betriebliche Altersversorgung besteht insoweit nicht. Die Dauer der Ehe beeinflusst auch nicht das Risiko des Arbeitgebers, wie lange eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen ist, da sie keinen Anhaltspunkt dafür bietet, wie groß der Altersunterschied der Ehepartner ist ( - Rn. 28, aaO; - 3 AZR 150/18 - Rn. 31, aaO).

46(b) Auf Seiten des Arbeitgebers ist den grundrechtlichen Wertungen in Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dadurch Rechnung zu tragen, dass dessen berechtigtes Interesse an der Begrenzung seines mit der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung einhergehenden finanziellen Risikos angemessen berücksichtigt wird. Bei einer Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung durch das Erfordernis einer bestimmten Mindestehedauer geht es darum, solche Risiken vom Schutz der Versorgungsordnung auszunehmen, die sich bereits konkretisiert haben, wenn der von der Versorgungsordnung vorgesehene Schutz eintritt. Das ist im Charakter der betrieblichen Altersversorgung als Risikoabdeckung angelegt (vgl. dazu  - Rn. 41, BAGE 176, 1). Bei der Hinterbliebenenversorgung wird das typisierte Interesse des unmittelbar Versorgungsberechtigten an der Versorgung eines Hinterbliebenen gegen das Risiko, dies durch den eigenen Tod nicht mehr leisten zu können, abgesichert; das erspart ihm entsprechende Eigenaufwendungen (vgl.  - Rn. 18, BAGE 161, 56).

47Hinterbliebenenversorgung knüpft also an das Todesfallrisiko an. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, dieses nur so lange abzusichern, wie es sich nicht bereits konkretisiert hat, und damit objektive Versorgungsehen auszuschließen. Das berechtigt ihn, angemessene Fristen zwischen dem Zeitpunkt, der zum Eintritt der Risikoabsicherung führt, und dem Zeitpunkt, zu dem das Risiko eintritt, vorzusehen. Durch eine solche Frist wird einerseits der gebotenen Risikoabgrenzung Rechnung getragen, andererseits eine unangemessene Rechtsunsicherheit des Versorgungsberechtigten verhindert, der sonst im Einzelfall mit ungewissem Ergebnis über die Frage der Risikokonkretisierung streiten müsste. Allerdings muss der Arbeitgeber zusätzlich die Möglichkeit für den Hinterbliebenen vorsehen nachzuweisen, dass sich trotz des Todes innerhalb der so festgelegten Frist das Risiko zu dem Zeitpunkt, als der Schutz der Versorgungsordnung eintrat, noch nicht konkretisiert hatte. Das ist dem Arbeitgeber zumutbar, da er die Darlegungs- und Beweislast innerhalb der angemessenen Frist dem Hinterbliebenen auferlegen kann. Denn der Hinterbliebene wird dem Versorgungsberechtigten typischerweise nahe genug stehen, um zu den Umständen des Todes vorzutragen und Beweis antreten zu können ( - Rn. 32, BAGE 176, 319).

48(c) Die streitbefangene Klausel erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

49(aa) Zwar bestehen überwiegende Interessen des Arbeitgebers, an den formellen Akt der Eheschließung nach §§ 1310 ff. BGB anzuknüpfen. Dies ist der nach außen getragene, mit Rechtsverbindlichkeit versehene sowie staatlich geprüfte Akt der Eheleute, eine Ehe eingehen zu wollen ( - Rn. 35, BAGE 176, 319).

50(bb) Allerdings benachteiligt bereits die in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 festgelegte Mindestehedauer den Ehemann der Klägerin als versorgungsberechtigten Arbeitnehmer unangemessen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Interesse des Arbeitgebers, den Kreis der Versorgungsberechtigten zu begrenzen und insbesondere Versorgungsehen von einer Hinterbliebenenversorgung auszunehmen, mit einer Frist von einem Jahr zwischen der Eheschließung und dem Tod des unmittelbar Versorgungsberechtigten unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertungen im Bereich der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung (§ 46 Abs. 2a SGB VI, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG) (noch) angemessen ( - Rn. 34, BAGE 176, 319) berücksichtigt; der Senat hat diese Frist für „allenfalls rechtlich zulässig“ gehalten ( - Rn. 44, BAGE 165, 345).

51Bereits diesen Mindestanforderungen genügt die vorliegend formulierte Klausel nicht. Sie schließt eine Hinterbliebenenversorgung aus, wenn die Ehe am 1. Dezember vor dem Tod des Arbeitnehmers nicht mindestens ein Jahr bestanden hat. Damit wird eine vom Todeszeitpunkt abhängige Mindestehedauer von - im kürzesten Fall - einem Jahr und einem Tag (Todeszeitpunkt am 2. Dezember eines Jahres) bis zu einem Jahr und 364 Tagen (Todeszeitpunkt am 1. Dezember eines Jahres) festgelegt, was beides die noch zulässige Mindestehedauer von einem Jahr überschreitet. Zudem ist das Abstellen auf den Zeitpunkt des 1. Dezember vor dem Tod des Arbeitnehmers für die Fristberechnung nicht durch berechtigte Interessen gerechtfertigt. Letztlich verlängert der Berechnungsstichtag die angegebene Mindestehedauer nur zufällig um einen variablen Zeitraum, dessen Festlegung allein vom Todeszeitpunkt abhängt. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte vorgebracht hat, die Stichtagsregelung diene einer sachgerechten Verwaltungsvereinfachung, ist eine solche nicht erkennbar. Die Regelung vereinfacht nicht, vielmehr erschwert sie - im Vergleich zu einer eine konkrete Mindestehedauer festlegenden Regelung - die Feststellung der im Einzelfall erforderlichen Mindestehedauer. Sie erspart der Beklagten dabei insbesondere auch nicht die Feststellung des Todeszeitpunkts des Versorgungsberechtigten und des Zeitpunkts der Eheschließung.

52(cc) Die in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 enthaltene Mindestehedauerklausel benachteiligt den Versorgungsberechtigten zudem deshalb unangemessen, weil sie keine Möglichkeit für die Hinterbliebenen vorsieht, nachzuweisen, dass sich trotz des Todes innerhalb der festgelegten Frist das Risiko zu dem Zeitpunkt, als der Schutz der Versorgungsordnung eintrat (Zeitpunkt der Eheschließung), noch nicht konkretisiert hatte. Eine solche Regelung kann nach der Rechtsprechung des Senats auf das Vorliegen von bestimmten Rückausnahmen - also der typischen objektiven Fälle, in denen eine Ehe zwar nicht lange genug gedauert hat, aber doch eine Hinterbliebenenversorgung geboten ist - begrenzt werden ( - Rn. 36 ff., BAGE 176, 319 zu nach der Eheschließung eingetretenem Unfalltod und Tod durch nach der Eheschließung aufgetretene Krankheit). Bietet die Klausel hingegen keine Möglichkeit, das Vorliegen des Todesfallrisikos im Zeitpunkt der Eheschließung zu widerlegen, sind die Interessen der Versorgungsberechtigten regelmäßig nicht hinreichend gewahrt (vgl.  - Rn. 32, aaO).

53Die Revision wendet insoweit ohne Erfolg ein, dadurch seien für den Arbeitgeber erhebliche Rechtsunsicherheiten verbunden, weil Hinterbliebene vermehrt Rückausnahmen behaupten würden und der Versorgungsschuldner dann ggf. unzumutbaren Nachforschungsaufwand zur Ermittlung eines bestimmten Krankheitsursprungs aufbringen müsse. Denn der Versorgungsschuldner kann dem Hinterbliebenen die Darlegungs- und Beweislast für entsprechende Umstände zuweisen (vgl.  - Rn. 32, BAGE 176, 319). Trägt die hinterbliebene Person Umstände zur Todesursache vor, die erkennen lassen, dass im Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht mit dem zeitnahen Ableben des Versorgungsberechtigten zu rechnen war (wie etwa im Fall des späteren Unfalltodes), hat sie diese im Bestreitensfall zu beweisen. Der Nachforschungsaufwand träfe also bei zulässiger Klauselgestaltung in erster Linie die hinterbliebene Person. Das gölte auch dann, wenn der Versorgungsschuldner trotz des Vorbringens hinreichender Umstände durch die hinterbliebene Person konkrete Anhaltspunkte dafür vorbrächte, dass gleichwohl bereits im Zeitpunkt der Eheschließung ein Todesfallrisiko bestand, das sich im späteren Ableben konkretisierte. Der für solche konkreten Einwände ggf. aufzubringende Aufwand ist dem Arbeitgeber jedoch zumutbar, da ihm durch die im Todesfall vor Ablauf der Mindestehedauer greifende Vermutung einer Versorgungsehe bereits eine erhebliche Beweiserleichterung zukommt.

54c) Die Unwirksamkeit der Bestimmung zur Mindestehedauer in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 führt nach § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Fortfall der Klausel und zu einem Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung.

55aa) Vorliegend kann die Regelung zur Mindestehedauer in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 (ebenso wie die Regelung in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 1 VO 83, sog. Spätehenklausel) gestrichen werden, ohne dass dies zu einer unverständlichen Regelung führt. Vielmehr bleibt die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung insgesamt verständlich.

56bb) Es kann im Streitfall dahinstehen, ob die Streichung von Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 für die Beklagte zu einer unzumutbaren Härte iSv. § 306 Abs. 3 BGB führte und insoweit eine ergänzende Vertragsauslegung möglich wäre (vgl. zu dieser Voraussetzung:  - Rn. 37, BAGE 165, 345; - 9 AZR 434/15 - Rn. 37 f.). Selbst wenn man die grundsätzliche Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung zugunsten der Beklagten unterstellt, führte dies nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs der Klägerin auf die geltend gemachte Hinterbliebenenversorgung.

57(1) Ist eine vertragliche Regelung planwidrig unvollständig, tritt an die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn diesen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bekannt gewesen wäre. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen sowie ihr Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach die Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht“ werden. Geht es - wie hier - um vielfach verwendete Vertragsbedingungen, hat die ergänzende Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am selben Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise und nicht nur an den konkret beteiligten Parteien ausgerichtet sein muss. Lassen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für einen typischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus. Die ergänzende Vertragsauslegung kann - ebenso wie die Auslegung der Versorgungszusage insgesamt - auch durch das Revisionsgericht vorgenommen werden ( - Rn. 74 mwN, BAGE 176, 1).

58(2) Danach scheidet eine ergänzende Auslegung der Regelung zur Mindest-ehedauer in Abschn. VII Ziff. 1 Buchst. a Satz 2 Alt. 2 VO 83 in einer Weise, die zum Wegfall des Anspruchs der Klägerin führen würde, aus.

59(a) Im Hinblick auf die unangemessene Regelung zur Festlegung der Mindestehedauer selbst könnte eine ergänzende Vertragsauslegung zwar dahin führen, dass eine Hinterbliebenenversorgung allenfalls dann ausgeschlossen sein solle, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Versterbens des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers weniger als ein Jahr gedauert hat. Eine solche Regelung würde den typischerweise vorhandenen Interessen der Beteiligten mit Blick auf das in der unwirksamen Ausschlussklausel angelegte Regelungsziel ausreichend Rechnung tragen ( - Rn. 41, BAGE 165, 345). Diese Mindestehedauer wäre vorliegend nicht eingehalten, nachdem der Zeitpunkt des Todes des Ehemanns der Klägerin am innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Eheschließung am lag.

60(b) In Bezug auf das Fehlen einer Regelung zur Möglichkeit für den Hinterbliebenen nachzuweisen, dass sich trotz des Todes innerhalb der festgelegten Frist das Risiko zu dem Zeitpunkt, als der Schutz der Versorgungsordnung eintrat, noch nicht konkretisiert hatte, scheidet eine ergänzende Auslegung der VO 83 jedoch schon deshalb aus, weil verschiedene gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kommen. Und selbst wenn man - zugunsten der Beklagten - die Regelung zur Mindestehedauer dahin ergänzend auslegte, dass die Unterschreitung der Mindestehedauer unschädlich ist, wenn der Versorgungsberechtigte an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder an einer Krankheit starb, die erst nach der Eheschließung eintrat (vgl. die der Senatsentscheidung vom - 3 AZR 254/21 - zugrundeliegende Versorgungszusage), stünde dies dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Denn gerade diese Einschränkung ist im Streitfall erfüllt. Der Ehemann der Klägerin ist am unstreitig bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Da dieser Unfall das kausale Ereignis für das Ableben des Ehemanns der Klägerin war, bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass im Zeitpunkt der Eheschließung zeitnah mit seinem Tod zu rechnen war.

61V. Die Höhe der der Klägerin zustehenden Hinterbliebenenrente war - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Amtsgerichts Pfaffenhofen a. d. Ilm vom zuletzt unstreitig. Insoweit hat die Revision keine Einwände gegen den durch das Landesarbeitsgericht auf Grundlage von Abschn. IX Ziff. 1 iVm. Abschn. X Ziff. 2 VO 83 zutreffend errechneten und der Klägerin zugesprochenen Betrag geltend gemacht.

62VI. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. Abschn. XVI Ziff. 1 Buchst. a VO 83.

63C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:211123.U.3AZR44.23.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 2425 Nr. 42
BB 2024 S. 2432 Nr. 42
BB 2024 S. 883 Nr. 16
DB 2024 S. 1419 Nr. 22
DB 2024 S. 1419 Nr. 22
NJW 2024 S. 10 Nr. 16
ZIP 2024 S. 1219 Nr. 21
ZIP 2024 S. 1655 Nr. 29
ZIP 2024 S. 1656 Nr. 29
MAAAJ-64012