Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags
Leitsatz
1. NV: Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB— a.F.; jetzt § 357b BGB) begründet keinen steuerbaren Kapitalertrag, da er nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt wird.
2. NV: Das infolge des Widerrufs entstandene Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln.
3. NV: Der bezogene Nutzungsersatz ist auch nicht gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes steuerbar.
Gesetze: AO § 38; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7; EStG § 22 Nr. 3; BGB § 346; BGB § 348; BGB § 357b
Instanzenzug: ,
Tatbestand
I.
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der von einer Bank aufgrund eines widerrufenen Darlehensvertrags geleisteten Nutzungsentschädigung für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen um steuerbare Einkünfte handelt.
2 Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloss im Jahr 2010 mit der X-Bank einen Darlehensvertrag über 230.000 € zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab. Die Darlehenszinsen waren bis zum festgeschrieben. Die X-Bank zahlte das Darlehen in voller Höhe aus.
3 Mit Schreiben vom widerrief der Kläger unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung und erklärte bezüglich der Zug um Zug zu erfüllenden Leistungen die Aufrechnung. Die Vertragsparteien verständigten sich daraufhin auf „eine Rückabwicklung nach den gesetzlichen Regelungen über die Rückabwicklung nach erfolgtem Widerruf“ und rechneten das Schuldverhältnis zum ab, wobei im Rahmen der Abrechnung ein Nutzungsersatzanspruch des Klägers für erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 18.979,54 € berücksichtigt wurde. Die X-Bank behielt von diesem Betrag Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ein und erteilte dem Kläger eine Steuerbescheinigung für das Jahr 2016 (Streitjahr).
4 Der Kläger erklärte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einen Verlust in Höhe von 16.612,11 €, der sich aus der Differenz zwischen dem erzielten Nutzungsersatz von 18.979,54 € und dem ebenfalls in der Darlehensabrechnung enthaltenen Wertersatzanspruch der X-Bank in Höhe von 35.591,65 € ergab. Darüber hinaus gab er in der Erklärung nicht streitige Gewinne aus Aktienveräußerungen in Höhe von 619 € und Kapitalerträge ohne Gewinne aus Aktienveräußerungen in Höhe von 10.989 € (Kapitalerträge in Höhe von 10.941 € und ausländische Kapitalerträge in Höhe von 48 €) an. Der Kläger beantragte die Überprüfung des Steuereinbehalts gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG).
5 Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom Gewinne aus Aktienveräußerungen in Höhe von 619 € und Kapitalerträge ohne Gewinne aus Aktienveräußerungen in Höhe von insgesamt 29.964 €. Darin enthalten war der aus dem Widerruf erzielte Nutzungsersatz in Höhe von 18.979,54 € neben Kapitalerträgen (ohne Gewinne aus Aktienveräußerungen) in Höhe von 10.989 €, wobei sich eine Differenz von 4 € zugunsten des Klägers ergab. Den vom Kläger erklärten Verlust erkannte das FA nicht an und setzte nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 801 € Kapitalerträge im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 29.782 € an. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.
6 Der Kläger erhob Klage und begehrte zunächst (weiterhin) die Berücksichtigung des erklärten Verlusts aus dem Widerruf des Darlehensvertrags. Im Erörterungstermin vor dem Finanzgericht (FG) reduzierte er sein Klagebegehren und machte nunmehr geltend, der erzielte Nutzungsersatz in Höhe von 18.979,54 € sei nicht bei den Kapitalerträgen anzusetzen.
7 Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 656 mitgeteilten Gründen ganz überwiegend Erfolg. Das FG entschied, das FA habe den in der Darlehensabrechnung berücksichtigten Anspruch des Klägers auf Nutzungsersatz in Höhe von 18.979,54 € zu Unrecht als Kapitalertrag gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dem gesonderten Tarif unterworfen. Der in der Darlehensabrechnung berücksichtigte Anspruch des Klägers auf Nutzungsersatz stelle keinen steuerbaren Kapitalertrag dar, da nach Abrechnung aller wechselseitigen Ansprüche aus dem rückabgewickelten Darlehensverhältnis im Ergebnis eine über die Rückzahlung der Darlehensvaluta hinausgehende (Zins-)Belastung des Klägers verbleibe. Aus den Kapitalerträgen ohne die Gewinne aus Aktienveräußerungen in Höhe von 10.989 € und die Gewinne aus Aktienveräußerungen in Höhe von 619 € abzüglich des Sparer-Pauschbetrags ermittelte das FG nach § 32d Abs. 1 EStG zu besteuernde Kapitalerträge in Höhe von 10.807 €. Dem Antrag des Klägers, Kapitalerträge ohne Gewinne aus Aktienveräußerungen in Höhe von nur 10.984,46 € (statt wie richtigerweise in Höhe von 10.989 €) zu berücksichtigen, sei wegen des im angefochtenen Bescheid enthaltenen Rechenfehlers in Höhe von 4 € zugunsten des Klägers nicht zu entsprechen.
8 Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Bundesrechts.
9 Das FA beantragt,
das aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10 Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
11 Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
12 1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der X-Bank an den Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe 18.979,54 € nicht zu einem Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt. Der Nutzungsersatz ist nicht steuerbar. Er beruht nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit des Klägers und ist mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre angefallen.
13 a) Im Streitfall haben der Kläger und die X-Bank nach den Feststellungen des FG den zur Finanzierung der selbstgenutzten Wohnimmobilie geschlossenen Darlehensvertrag einvernehmlich rückabgewickelt und in ihre Einigung ausschließlich die wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis einbezogen.
14 b) Der von dem Kläger vereinnahmte Nutzungsersatz in Höhe von 18.979,54 € ist nicht steuerbar. Im Streitfall ist die Rückabwicklung des Darlehensvertrags nach den in den Urteilen des Senats vom - VIII R 7/21 und VIII R 16/22 (jeweils zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen) dargelegten Maßstäben keine steuerbare erwerbsgerichtete Tätigkeit. Das Rückgewährschuldverhältnis ist bei wirtschaftlicher Betrachtung ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln. Dies gilt unabhängig davon, ob die Rückabwicklung —wie im Streitfall— einvernehmlich, durch Vergleich, durch zivilgerichtliches Urteil oder auf andere Weise vollzogen wird. Der Kläger und die X-Bank haben im Rahmen ihrer Einigung über die Rückabwicklung des Darlehensvertrags hinaus auch keine weiteren Vereinbarungen getroffen, die zu steuerbaren Kapitalerträgen führen könnten.
15 2. Der von der X-Bank geleistete Nutzungsersatz ist auch nicht nach der allein in Betracht kommenden Regelung zu den Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG steuerbar, da es sich bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrags nicht um einen Leistungsaustausch in der Erwerbssphäre handelt. Wegen der weiteren Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit auf seine Urteile vom - VIII R 7/21 und VIII R 16/22 (jeweils zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen) Bezug.
16 3. Soweit das FG im angefochtenen Urteil den im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom enthaltenen Rechenfehler in Höhe von 4 € zugunsten des Klägers im Rahmen des Klageantrags berichtigt hat, liegt eine mit § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO vereinbare Saldierung vor (vgl. , BFHE 267, 346, BStBl II 2021, 77, Rz 26, m.w.N.).
17 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:U.071123.VIIIR5.21.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2024 S. 500 Nr. 5
BAAAJ-63771