BAG Urteil v. - 2 AZR 196/22 (A)

Kündigung wegen Kirchenaustritts - Benachteiligung wegen der Religion

Leitsatz

Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:

1. Ist es mit Unionsrecht, insbesondere der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) (juris: EGRL 2000/78) im Licht von Art. 10 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) (juris: EUGrundrCharta), vereinbar, wenn eine nationale Regelung vorsieht, dass eine private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht, von den für sie arbeitenden Personen verlangen kann, während des Arbeitsverhältnisses nicht aus einer bestimmten Kirche auszutreten oder den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen darf, dass eine für sie arbeitende Person, die während des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Kirche ausgetreten ist, dieser wieder beitritt, wenn sie von den für sie arbeitenden Personen im Übrigen nicht verlangt, dieser Kirche anzugehören und die für sie arbeitende Person sich nicht öffentlich wahrnehmbar kirchenfeindlich betätigt?

2. Sofern die erste Frage bejaht wird: Welche gegebenenfalls weiteren Anforderungen gelten gemäß der RL 2000/78/EG im Licht von Art. 10 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 der Charta an die Rechtfertigung einer solchen Ungleichbehandlung wegen der Religion?

Gesetze: Art 267 AEUV, Art 3 Abs 1 Buchst c EGRL 78/2000, Art 2 Abs 2 Buchst b EGRL 78/2000, Art 4 Abs 1 EGRL 78/2000, Art 4 Abs 2 Unterabs 1 EGRL 78/2000, Art 4 Abs 2 Unterabs 2 EGRL 78/2000, Art 4 Abs 1 GG, Art 4 Abs 2 GG, Art 140 GG, Art 137 Abs 3 S 1 WRV, § 134 BGB, Art 1 EGRL 78/2000, Art 2 Abs 2 EGRL 78/2000, Art 17 AEUV, Art 23 Abs 1 S 2 GG, § 1 AGG, § 3 Abs 1 S 1 AGG, § 2 Abs 1 Nr 2 AGG, § 8 AGG, § 9 AGG, Art 10 Abs 1 EUGrdRCh, Art 21 Abs 1 EUGrdRCh, Art 9 MRK

Instanzenzug: ArbG Wiesbaden Az: 2 Ca 288/19 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 8 Sa 1092/20 Urteil

Gründe

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen wegen eines Kirchenaustritts sowie damit verbundene Zahlungsansprüche.

2Der beklagte Verein ist ein Frauen- und Fachverband in der katholischen Kirche in Deutschland, der sich der Hilfe für Kinder, Jugendliche, Frauen und ihrer Familien in besonderen Lebenslagen widmet. Zu seinen Aufgaben gehört die Beratung von schwangeren Frauen. Für die Schwangerschaftsberatung gelten bei dem Beklagten Richtlinien, auf deren Einhaltung sich die Klägerin verpflichtet hat. Diese lauten auszugsweise:

3In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nur nach einer Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage durch eine anerkannte Beratungsstelle unter den Voraussetzungen der §§ 218, 219 StGB straflos. Aufgrund eines im Jahr 2002 an den Bischof von Limburg gerichteten päpstlichen Schreibens stellt der Beklagte - anders als andere Beratungsstellen in Deutschland - keine Beratungsscheine aus, die Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch sind.

4Die Klägerin ist Mutter von fünf Kindern und bei dem Beklagten seit dem Jahr 2006 beschäftigt, zunächst als projektbezogene Beraterin in der Schwangerschaftsberatung. Vom bis zum befand sie sich in Elternzeit. Zuvor war sie bei dem Beklagten in der Schwangerschaftsberatung eingesetzt. Die Klägerin erklärte im Oktober 2013 vor einer kommunalen Behörde als der für sie zuständigen staatlichen Stelle den Austritt aus der katholischen Kirche.

5Der Kirchenaustritt ist nach deutschem Recht eine zulässige Beendigung der staatlich registrierten Kirchenmitgliedschaft. Mit Wirksamwerden des Austritts entfallen für den staatlichen Teil des „Kirchenrechts“ sämtliche Pflichten, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zur verfassten Kirche beruhen. Eine zuvor bestehende Kirchensteuerpflicht der ausgetretenen Person endet mit Ablauf des Monats, in dem die Austrittserklärung wirksam geworden ist. Die kommunale Behörde benachrichtigt sowohl die Finanzverwaltung als auch die betroffene Kirche bzw. Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft über die Austrittserklärung. Von dieser erhält der Arbeitgeber der ausgetretenen Person nur deshalb Kenntnis, weil ihm die geänderten Besteuerungsmerkmale (Wegfall der Kirchensteuerpflicht) seines Arbeitnehmers von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt werden.

6Aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme ist die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ Bestandteil des Arbeitsverhältnisses. Diese lautet in der hier maßgeblichen Fassung des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom (nachfolgend Grundordnung) auszugsweise:

7Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Elternzeit der Klägerin mit Schreiben vom außerordentlich ohne Einhaltung einer Frist, hilfsweise ordentlich zum . Zuvor hatte der Beklagte erfolglos versucht, die Klägerin zum Wiedereintritt in die katholische Kirche zu bewegen. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte der Beklagte in der Schwangerschaftsberatung vier Arbeitnehmerinnen, die der katholischen Kirche und zwei Arbeitnehmerinnen, die der evangelischen Kirche angehörten.

8Beide Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Daneben hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Beklagten gegen seine erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung in Höhe von 2.314,22 Euro sowie Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom bis zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter.

I. Verfassungsrecht und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

9Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung:

10Art. 140 GG:

11Art. 137 Abs. 3 Satz 1 der deutschen Verfassung vom (WRV):

12Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützen Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG auch die korporative Religionsfreiheit. Deren elementarer Bestandteil sei die Bestimmung der Eigenart des kirchlichen Dienstes (kirchliches Proprium). Seine Formulierung obliege allein den Kirchen ( - Rn. 101, BVerfGE 137, 273). Es umfasse alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienten. Bedienten sich die Kirchen oder ihre Einrichtungen der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, finde auf diese Arbeitsverhältnisse als Folge der Rechtswahl zwar das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Die Einbeziehung der Arbeitsverhältnisse unter anderem bei den kirchlichen Einrichtungen in das staatliche Arbeitsrecht hebe die Zugehörigkeit dieser Arbeitsverhältnisse zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche aber nicht auf ( - Rn. 110, BVerfGE 137, 273). Die Kirchen könnten deshalb der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer Mitarbeiter zugrunde legen (, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Bei Streitigkeiten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen hätten die staatlichen Gerichte die Vorgaben der jeweiligen verfassten Kirche, insbesondere deren glaubensdefiniertes Selbstverständnis und die Eigenart des kirchlichen Dienstes als Maßstab zu beachten und diese ihren Wertungen und Entscheidungen zugrunde zu legen, solange sie nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen stünden ( - Rn. 118, BVerfGE 137, 273). Besondere Rechtsvorschriften, die Rechtsbeziehungen in kirchlichen Arbeitsverhältnissen ausgestalten, bestehen im nationalen Recht - soweit hier von Interesse - nicht.

II. Gesetzliche Vorschriften

131. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Art. 14, 15 des Gesetzes vom (BGBl. I Nr. 414):

142. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 42, berichtigt S. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738):

15Nach Auffassung des Senats sind im Unionsrecht einschlägig:

I. Zur ersten Vorlagefrage

161. Nach Auffassung des Senats wird die Klägerin durch die Kündigungen des Beklagten vom aus Gründen der Religion unmittelbar im Sinne von §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AGG benachteiligt. Dies entspricht einer unmittelbaren Diskriminierung wegen der Religion im Sinne von Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG.

17a) Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unter anderem in Bezug auf Entlassungsbedingungen unzulässig. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist eine solche Entlassungsbedingung. Der Geltungsbereich der RL 2000/78/EG ist nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c eröffnet.

18b) Die Klägerin, die weder pastoral, katechetisch, aufgrund einer Missio canonica noch einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung tätig ist, wird wegen ihrer ursprünglichen Zugehörigkeit zur katholischen Kirche durch die Kündigungen des Beklagten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG) und damit unmittelbar aus Gründen der Religion (§ 1 AGG) gegenüber anderen Beschäftigten benachteiligt.

19aa) § 1 AGG nimmt mit dem Begriff „Religion“ den entsprechenden Begriff der RL 2000/78/EG auf. Zwar wird dieser in der Richtlinie selbst nicht definiert. Der Unionsgesetzgeber hat aber in Satz 2 des ersten Erwägungsgrundes der Richtlinie unter anderem auf die Grundrechte Bezug genommen, wie sie in der am in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (nachfolgend EMRK) gewährleistet sind. Hiervon ist auch Art. 9 EMRK erfasst. Danach hat jede Person das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wobei dieses Recht nicht nur die Freiheit umfasst, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat zu bekennen, sondern auch die negative Religionsfreiheit (EGMR - 52484/18 - Rn. 43 f.; - 10138/11, 16687/11, 25359/11, 28919/11 - Rn. 77 ff.). So garantiert Art. 9 EMRK ebenso die Freiheit, einer Religion nicht anzugehören (EGMR - 30814/06 - Rn. 60). Eine gleichlautende Formulierung enthält Art. 10 Abs. 1 der Charta. Wie sich aus den Erläuterungen zur Charta (ABl. EU C 303 vom S. 17) ergibt, entspricht das in Art. 10 Abs. 1 der Charta gewährleistete Recht dem durch Art. 9 EMRK garantierten; es hat nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und die gleiche Tragweite wie dieses (vgl. und C-341/19 - [WABE und MH Müller Handel] Rn. 48; - C-157/15 - [G4S Secure Solutions] Rn. 25 ff.). Hiervon dürfte daher das Recht umfasst sein, ein Mitgliedschaftsverhältnis zu einer Kirche oder Religionsgemeinschaft zu beenden.

20bb) Der Beklagte beruft sich darauf, dass er - entsprechend den Vorgaben der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Grundordnung - Mitarbeitern, die - nach staatlichem Recht - aus der katholischen Kirche ausgetreten sind und dieser nicht erneut wieder beitreten, allein wegen des Kirchenaustritts kündigen dürfe. Die mit der durch diese Kündigung bewirkte Benachteiligung der Klägerin knüpft unmittelbar an die Ausübung ihrer negativen Religionsfreiheit an. Die Kündigung eines Beschäftigten, der nie zuvor Mitglied der katholischen Kirche war, kann nicht auf Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 4 der Grundordnung gestützt werden. Die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung mit Personen, die ihre Mitgliedschaft zu anderen Religionsgemeinschaften beenden, und solchen, die ihnen nie angehört haben, erfolgt damit unmittelbar aus Gründen der Religion im Sinne der §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

21cc) Es liegt somit keine nur mittelbare Ungleichbehandlung der Klägerin wegen der Religion bzw. nur mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG vor. Der Beklagte differenziert nicht anhand von dem „Anschein nach neutrale[n] Vorschriften, Kriterien oder Verfahren“, sondern unmittelbar und ausschließlich danach, ob ein Mitarbeiter nach staatlichem Recht sein Mitgliedschaftsverhältnis zur katholischen Kirche aufgegeben hat. Dabei ist für ihn auch nicht von Bedeutung, ob der Mitarbeiter nach seinem Austritt entsprechend der in Art. 4 Abs. 2 der Grundordnung formulierten Erwartung an nichtkatholische christliche Mitarbeiter die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achtet und dazu beiträgt, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen, bzw. ob er nach seinem Austritt entsprechend der in Art. 4 Abs. 3 der Grundordnung formulierten Erwartung an nichtchristliche Mitarbeiter bereit ist, die ihm übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.

2. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

22Es bedarf einer Beantwortung der ersten Vorlagefrage durch den Gerichtshof der Europäischen Union (nachfolgend Gerichtshof), damit der Senat beurteilen kann, ob die Ungleichbehandlung der Klägerin entweder nach § 9 oder nach § 8 AGG gerechtfertigt ist. Erst dann kann der Senat über die vorrangig zu entscheidende Frage der Unwirksamkeit der Kündigungen befinden.

23a) Der Senat geht davon aus, dass keine weiteren gegen die Wirksamkeit der Kündigungen vom geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Insbesondere vermag die nach Art. 5 Abs. 3 Satz 5 und 6 der Grundordnung für den kündigenden Arbeitgeber gebotene Einzelfallbetrachtung die Unwirksamkeit der Kündigungen nicht zu begründen. Diese Regelungen berechtigen nur den Arbeitgeber, von einer Kündigung im Einzelfall abzusehen. Dessen Entscheidung obliegt aber keiner darauf bezogenen gerichtlichen Kontrolle.

24b) Damit ist für den Senat entscheidungserheblich, ob die durch die Kündigungen bewirkte unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Austritts aus der katholischen Kirche unter Berücksichtigung der Vorgaben des Unionsrechts gerechtfertigt sein kann.

25aa) Nach nationalem Recht wären § 9 oder § 8 AGG unter Berücksichtigung der zuletzt ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszulegen. Nach dieser ist der Kirchenaustritt aus Sicht der katholischen Kirche weder mit deren Glaubwürdigkeit noch mit der von ihr geforderten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien vereinbar (vgl. , 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 - zu B II 4 c der Gründe, BVerfGE 70, 138).

26bb) Allerdings setzt § 9 AGG Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 und 2 RL 2000/78/EG und § 8 AGG unter anderem deren Art. 4 Abs. 1 um (BT-Drs. 16/1780 S. 35). Beide Bestimmungen des nationalen Rechts sind daher, soweit möglich, unionsrechtskonform auszulegen ( - [IR] Rn. 63 ff.; - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 71 ff.).

27(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts billigt das Grundgesetz mit der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, auch die im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen enthaltene Einräumung eines Anwendungsvorrangs zugunsten des Unionsrechts. Dieser gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht und führt bei einer Kollision in aller Regel zur Unanwendbarkeit des nationalen Rechts im konkreten Fall ( und andere - [OMT-Programm] Rn. 118).

28(2) Die RL 2000/78/EG konkretisiert in dem von ihr erfassten Bereich das zwischenzeitlich in Art. 21 der Charta niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot ( - [Komisia za zashtita ot diskriminatsia] Rn. 32; - C-16/19 - [Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie] Rn. 33). Der Senat ist - entgegen vereinzelter Stimmen aus dem den Kirchen nahestehenden nationalen Schrifttum - der Auffassung, dass das Unionsrecht in der Auslegung des Gerichtshofs nicht seinerseits in Deutschland unanwendbar ist. Es beruht weder auf einem Akt ultra vires noch berührt es die Verfassungsidentität der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. dazu die ausführliche Begründung  - Rn. 48 ff.).

29cc) Ob ein Verständnis von § 9 AGG dahingehend in Betracht kommt, dass die Obliegenheit, während eines Beschäftigungsverhältnisses nicht aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft auszutreten bzw. dieser nach erfolgtem Austritt wieder beizutreten, eine gerechtfertigte Loyalitätsanforderung sein kann, wenn gleichzeitig Personen beschäftigt werden, bei denen die Beendigung ihrer Mitgliedschaft zu einer anderen Religionsgemeinschaft oder ihr völliges Fernbleiben von einer solchen sanktionslos bleibt, hängt deshalb davon ab, ob Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 und 2 der RL 2000/78/EG im Licht von Art. 21 der Charta ein solches Verständnis erlaubt. Dies ist nach dem Richtlinienwortlaut zumindest zweifelhaft. Einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt hierzu - soweit ersichtlich - bislang nicht vor. Sollte § 9 AGG unter Berücksichtigung des Unionsrechts die Ungleichbehandlung der Klägerin wegen ihres Austritts aus der katholischen Kirche nicht rechtfertigen können, käme es darauf an, ob Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG ein entsprechendes Verständnis von § 8 AGG zulässt.

30dd) Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Beklagten um eine private Organisation handelt, deren Ethos im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 und 2 RL 2000/78/EG auf religiösen Grundsätzen beruht. Dies folgt schon aus dem durch die Satzung des Beklagten abgesicherten Einfluss des Bischofs der Diözese Limburg.

31ee) Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG unterscheidet zwischen der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung durch eine gerechtfertigte berufliche Anforderung einerseits (Unterabs. 1) und Loyalitätsanforderungen andererseits (Unterabs. 2).

32(1) Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG nennt unter anderem die Religion als mögliche gerechtfertigte berufliche Anforderung. Dies umfasst zumindest dem Wortlaut nach die Anforderung, nicht aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft auszutreten bzw. dieser erneut beizutreten. Zudem kann nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG die Religion oder Weltanschauung einer Person nur nach der Art der fraglichen Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ darstellen (vgl. dazu auch  - [Egenberger]).

33(a) Im vorliegenden Fall macht der Beklagte die bei ihm auszuübenden Tätigkeiten nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten verfassten Kirche oder Religionsgemeinschaft abhängig. Er verlangt nicht, dass die Beschäftigten der katholischen Kirche angehören müssen. Die Mitarbeiter dürfen - entsprechend den Vorgaben der Grundordnung - nur nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten sein. Sofern ein solcher Austritt nicht erfolgt ist, können sie im Übrigen keiner oder einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören und aus dieser austreten.

34(b) Allerdings hält es der Senat nicht für ausgeschlossen, dass nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG mit Blick auf die von Art. 17 AEUV und Art. 10 Abs. 1 der Charta geschützte Autonomie der Kirchen und der anderen Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht (vgl. dazu  - [Egenberger] Rn. 50), über seinen Wortlaut hinaus nicht nur das Innehaben einer bestimmten Religion, sondern auch der Umstand, nicht aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten zu sein bzw. das Verlangen, dieser erneut beizutreten, eine gerechtfertigte berufliche Anforderung sein kann. Nach Art. 3 Abs. 4 der Grundordnung ist für keinen Dienst in der Kirche geeignet, wer aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Der Kirchenaustritt gehört nach kanonischem Recht zu den schwersten Vergehen gegen den Glauben und die Einheit der Kirche (vgl. , 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 - zu B II 4 c der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die erste Vorlagefrage betrifft daher die Frage, ob der nach staatlichem Recht erklärte Austritt eines Arbeitnehmers aus der katholischen Kirche ohne Hinzutreten von weiteren Umständen zur Ungeeignetheit der betreffenden Person für den Dienst bei einem der Kirche zugeordneten Arbeitgeber führt.

35(c) Die Klägerin hat im Verlauf des Rechtsstreits behauptet, sie sei aus der katholischen Kirche ausgetreten, weil die Diözese Limburg - zusätzlich zur staatlichen Kirchensteuer - ein besonderes Kirchgeld von Personen erhebe, die - wie die Klägerin - mit einem gut verdienenden Ehepartner in einer „glaubensverschiedenen Ehe“ leben. Der Beklagte hat vorgetragen, er habe aufgrund des Austritts aus der katholischen Kirche kein Vertrauen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit den ethischen Vorgaben des Beklagten Rechnung trägt und sich an die Lehre der katholischen Kirche noch gebunden fühlt. Durch den Austritt habe sie nach außen zu erkennen gegeben, sie wolle mit der katholischen Kirche nichts mehr zu tun haben.

36(d) Nach Ansicht des Senats kann allein die nach staatlichem Recht vollzogene Beendigung der Mitgliedschaft zur katholischen Kirche die in der Kündigung eines ehemals katholischen Beschäftigten liegende Ungleichbehandlung wegen der Religion nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG nicht rechtfertigen. Zwar kann die Nichteinhaltung der ethisch-religiösen Vorgaben eines der Kirche zugeordneten Arbeitgebers einen Eignungsmangel des Arbeitnehmers begründen. Für eine solche Annahme ist aber der Austritt für sich genommen keine ausreichende Beurteilungsgrundlage. Die Motive für die Beendigung der Mitgliedschaft müssen - wie bei dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin - nicht auf ethisch-religiösen Gründen beruhen, sondern können auch aus dem privaten Bereich herrühren, der einer Beurteilung durch den Arbeitgeber entzogen ist. Deshalb fehlt es an jeglicher tatsächlichen Grundlage für die Annahme, dass der Arbeitnehmer allein aufgrund seiner Austrittserklärung nicht wie bisher den für ihn geltenden beruflichen Anforderungen genügen wird. Dies gilt gleichermaßen für die Behauptung des Arbeitgebers, er habe aufgrund der bloßen Beendigung der Mitgliedschaft das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung seines Arbeitnehmers verloren. Vielmehr muss der Arbeitgeber Vortrag halten, wonach aufgrund nachprüfbarer Tatsachen Zweifel daran bestehen, dass der Arbeitnehmer aufgrund eines geänderten Glaubens oder ethischen Vorstellungen nicht mehr bereit oder in der Lage ist, den entsprechenden beruflichen Anforderungen seines Arbeitgebers zu genügen. Folgte man hingegen der Sichtweise des Beklagten (Rn. 35), wäre die Nachprüfung der behaupteten entfallenden Eignung des Arbeitnehmers einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle entzogen. Dies gilt umso mehr, als sich die Beschäftigten in der Beratungsstelle nach § 13 der Richtlinien des Beklagten (Rn. 2) arbeitsvertraglich zu deren Einhaltung verpflichten mussten.

37(2) Ebenso kann die Beendigung der staatlichen Mitgliedschaft in einer Kirche ohne Hinzutreten von besonderen Umständen eine durch eine Kündigung bewirkte Ungleichbehandlung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG nicht rechtfertigen.

38(a) Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG enthält gegenüber Unterabs. 1 dieser Vorschrift die ergänzende Angabe, dass zu den beruflichen Anforderungen, die eine Kirche oder eine andere öffentliche oder private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, von den für sie arbeitenden Personen verlangen kann, die Anforderung gehört, dass sich diese Personen loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Kirche oder Organisation verhalten. Wie sich insbesondere aus dem Satzteil „[s]ofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im Übrigen eingehalten werden“ ergibt, muss diese Befugnis jedoch unter Beachtung der übrigen Bestimmungen der RL 2000/78/EG und insbesondere der in ihrem Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Kriterien ausgeübt werden, die gegebenenfalls einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegen können müssen ( - [IR] Rn. 46). Insofern ist eine etwaige Rechtfertigung der unmittelbaren Diskriminierung anhand der vom Gerichtshof in den Urteilen vom (- C-414/16 - [Egenberger]) und (- C-68/17 - [IR]) aufgestellten Kriterien zu prüfen.

39(b) Nach Auffassung des Senats ist eine nach staatlichem Recht vollzogene Beendigung der Mitgliedschaft in einer verfassten Kirche für sich allein genommen kein illoyales Verhalten eines Arbeitnehmers. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zu einem der katholischen Kirche zugeordneten Arbeitgeber steht. Beschäftigt der Arbeitgeber Angehörige anderer christlicher Religionen oder Weltanschauungen oder Nichtchristen, besteht für einen der katholischen Kirche angehörenden Arbeitnehmer keine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis, die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche beizubehalten. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der sich aus dem kanonischen Recht ergebenden Pflicht, die Gemeinschaft der Kirche zu wahren (Canon [Can.] 209 § 1 Codex Iuris Canonici [CIC]). Durch die Grundordnung könnte eine solche arbeitsvertragliche Verpflichtung nur wirksam begründet werden, wenn sie durch die beruflichen Anforderungen im Einzelfall gerechtfertigt wäre. Ansonsten würde sie zu einer gegenüber den nichtchristlichen Arbeitnehmern zusätzlichen Pflichtenstellung führen, für die grundsätzlich keine berufsbezogenen Gründe bestehen. Ebenso führt die nach dem Recht der katholischen Kirche bestehende Pflicht zur Erbringung eines finanziellen Beitrags zur Aufgabenerfüllung der Kirchen (Can. 222 § 1 iVm. Can. 1263 CIC, Bl. 354 der Vorakten) nicht dazu, dass ein katholischer Arbeitnehmer seine kirchenrechtliche Mitgliedschaft als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis dauerhaft beibehalten müsste. Eine nur für katholische Arbeitnehmer bestehende finanzielle Beitragsleistung für die Aufgaben der katholischen Kirche kann auch ein dieser Kirche zugeordneter Arbeitgeber nicht verlangen.

40(c) Hinzu kommt, dass die Erklärung über die Beendigung der Mitgliedschaft in der katholischen Kirche vor einer staatlichen Stelle erfolgt. Von ihr erhalten nach nationalem Recht nur die betroffene Kirche und der Arbeitgeber Kenntnis. Letzterer nur, damit dieser die zutreffenden Besteuerungsmerkmale berücksichtigt und die Vergütung sowie die darauf entfallenden Abzüge zutreffend berechnet. Eine darüber hinausgehende Publizität ist mit der Beendigung der Mitgliedschaft nicht verbunden. Nur wenn der Austritt öffentlichkeitswirksam und in unangemessener Weise vom Arbeitnehmer verbreitet würde, könnte hierin ein kirchenfeindliches und damit ein illoyales Verhalten liegen, dass - wie bei anderen Arbeitnehmern - nach Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 der Grundordnung zu einer auf verhaltensbedingte Gründe gestützten Kündigung führen kann.

41(d) Unabhängig davon könnte der Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG eine Differenzierung zwischen einem loyalen und aufrichtigen Verhalten im Sinne des Ethos der Kirche oder Organisation und einem loyalen und aufrichtigen Verhalten gegenüber der Organisation als Arbeitgeber zulassen. So kann sich ein Arbeitnehmer durch die Beendigung seiner Mitgliedschaft zwar illoyal gegenüber der Kirche verhalten haben, was aber nicht zwangsläufig ein illoyales Verhalten gegenüber seinem Arbeitgeber darstellen könnte, dessen Ethos er bei seiner Arbeit beachten muss.

42(e) Durch das Urteil des Gerichtshofs vom (- C-68/17 - [IR]) ist die vom Senat erbetene Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG nicht obsolet. Es betrifft nicht die vorliegende Konstellation, dass eine private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht, von den für sie arbeitenden Personen verlangt, während des Arbeitsverhältnisses nicht aus der Kirche auszutreten bzw. dieser nach erfolgtem Austritt wieder beizutreten. Entscheidungserheblich war vielmehr eine kirchenrechtlich unzulässige Eingehung einer zweiten Zivilehe. Hierfür könnten allerdings aufgrund der etwaig einschlägigen Unterscheidung zwischen loyalem Verhalten gegenüber der Kirche und loyalem Verhalten im Sinne des Ethos der Kirche andere Maßstäbe gelten.

43ff) Nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG kann eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Art. 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, gerechtfertigt sein, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Die Eignungsanforderung, nicht aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten zu sein, könnte ein solches mit der Religion „zusammenhängendes Merkmal“ sein (zur Abgrenzung vom Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, vgl.  - [Komisia za zashtita ot diskriminatsia] Rn. 44; - C-396/18 - [Cafaro] Rn. 59). Die Frage, ob eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung sowie ein rechtmäßiger Zweck und eine angemessene Anforderung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG vorliegen, wäre aber dem Wortlaut der Bestimmung nach, anders als nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG, nicht mit Blick auf das „Ethos der Organisation“ zu beantworten. Dagegen spräche auch, dass der Begriff „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG auf eine Anforderung verweist, die sich nicht auf subjektive Erwägungen des Arbeitgebers erstreckt, sondern die von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist ( - [Bougnaoui und ADDH] Rn. 40). Für eine Tätigkeit in der Schwangerschaftsberatung ist es indes nicht objektiv erforderlich, nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten zu sein. Es erscheint jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen, das Ethos einer auf religiösen Grundsätzen beruhenden Organisation als eine hinreichend von bloß subjektiven Erwägungen abgrenzbare objektive Anforderung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG anzusehen, wobei dann auch die obige Differenzierung zwischen Ethos und Selbstverständnis zu berücksichtigen wäre. In diesem Zusammenhang könnte die von Art. 17 AEUV und Art. 10 Abs. 1 der Charta geschützte Autonomie der Kirchen und der anderen Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zu berücksichtigen sein (zu Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG vgl.  - [Egenberger] Rn. 50). Allerdings ist Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG, soweit er es ermöglicht, vom Diskriminierungsverbot abzuweichen, im Licht ihres 23. Erwägungsgrundes, der auf „sehr [begrenzte] Bedingungen“ Bezug nimmt, unter denen eine solche Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein kann, eng auszulegen ( - [Komisia za zashtita ot diskriminatsia] Rn. 45; - C-795/19 - [Tartu Vangla] Rn. 33).

II. Zur zweiten Vorlagefrage

44Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage bejaht wird, stellt sich die Frage, welche gegebenenfalls weiteren Anforderungen an eine Rechtfertigung der hier in Rede stehenden Ungleichbehandlung wegen der Religion gelten. Da der Senat ohne die mit der ersten Vorlagefrage erbetene Auslegung durch den Gerichtshof nicht beurteilen kann, ob eine Rechtfertigung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 und 2 RL 2000/78/EG oder Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG im Licht von Art. 10 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 der Charta in Betracht kommt, ist unklar, ob und gegebenenfalls welche weiteren Voraussetzungen für eine Rechtfertigung vorliegen müssen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:010224.B.2AZR196.22A.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-63718