Online-Nachricht - Donnerstag, 21.03.2024

Verfahrensrecht | Vereinbarkeit von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO mit Unionsrecht (BFH)

Bei summarischer Prüfung bestehen für Verzinsungszeiträume bis zum keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit von §§ 233a, 238 Abs. 1 AO mit dem Unionsrecht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei einer zeitlichen Verlagerung des Vorsteuerabzugs und der sich hieraus ergebenden zweifachen Anwendung von § 233a AO in Bezug auf mehrere Besteuerungszeiträume, die einerseits zum Entstehen von Erstattungs- und anderseits zum Entstehen von Nachzahlungszinsen führt, die Erstattungs- die Nachzahlungszinsen erheblich übersteigen ( (AdV); veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Antragstellerin bezog in den Jahren 2008 bis 2011 und ebenso im Streitjahr 2014 im Inland steuerpflichtige Eingangsleistungen, die sie für im Inland steuerpflichtige Lieferungen wie auch für steuerfreie Ausfuhrlieferungen oder innergemeinschaftliche Lieferungen verwendete. Für die Jahre 2008 bis 2011 ergaben sich aufgrund von Vorsteuerüberhängen Vergütungsansprüche zu ihren Gunsten, für die aufgrund einer jeweils vom Finanzamt gemäß § 168 Satz 2 AO erteilten Zustimmung Steuerfestsetzungen unter Nachprüfungsvorbehalt vorlagen.

Im Anschluss an eine Außenprüfung versagte das FA durch die Änderungsbescheide vom für die Jahre 2008 bis 2010 und vom für das Jahr 2011 einen von der Antragstellerin für die Jahre 2008 bis 2011 in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug von insgesamt 53.569.270,94 €, da die diesem zugrunde liegenden Rechnungen mangels hinreichender Angaben nicht ordnungsgemäß seien und den von den Lieferanten hierzu im September 2014 vorgenommenen Rechnungsberichtigungen keine Rückwirkung zukäme. Aufgrund der Rechnungsberichtigungen stimmte das FA am der Umsatzsteuerjahreserklärung 2014 zu, in welcher der sich ohnehin für dieses Jahr ergebende Vergütungsanspruch um 53.569.270,94 € erhöht wurde. Die sich für die Jahre 2008 bis 2011 ergebenden und zudem nach § 233a AO zu verzinsenden Nachforderungsansprüche wurden mit dem betragsgleichen, aber nicht nach § 233a AO zu verzinsenden Erstattungsanspruch für das Jahr 2014 verrechnet.

Auf Klage der Antragstellerin gegen die Abzugsversagung für das Jahr 2008 entschied das FG, dass die Antragstellerin entgegen der Rechtsauffassung des FA bereits im Jahr 2008 zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei. Im Anschluss hieran änderte das FA die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2011 erneut und machte die von ihm zuvor angenommene Verlagerung des Vorsteuerabzugs aus den Jahren 2008 bis 2011 in das Jahr 2014 rückgängig. Daher wurde in den Änderungsbescheiden vom der Vorsteuerabzug, wie von der Antragstellerin ursprünglich angenommen, gewährt. Die für diese Jahre aufgrund der ursprünglichen Änderungsbescheide vom und angenommene Verzinsung zu Lasten der Antragstellerin entfiel. Stattdessen kam es nunmehr für die Jahre 2008 bis 2011 zu einer Festsetzung von Erstattungszinsen nach § 233a AO in Höhe von 8.571.075 €. Zudem änderte das FA mit Bescheid vom die Umsatzsteuerfestsetzung für 2014 und machte insoweit den nunmehr wieder zeitlich vorverlagerten Vorsteuerabzug rückgängig. Gleichzeitig wurden in diesem Bescheid Nachzahlungszinsen nach § 233a AO in Höhe von 6.964.002 € festgesetzt. Es kam wiederum zu einer Verrechnung der sich nunmehr für die Jahre 2008 bis 2011 ergebenden Erstattungsansprüche mit der Nachforderung für 2014.

Gegen die Zinsfestsetzung für 2014 legte die Antragstellerin ohne Erfolg Einspruch ein und beantragte ‑ ebenso ohne Erfolg ‑ Aussetzung der Vollziehung (AdV). Auch die Klage und der beim FG gestellte Aussetzungsantrag blieben erfolglos ( sowie (U) (s. hierzu Ulbrich, ).

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer das Hauptsacheverfahren betreffenden Revision (beim BFH anhängig unter dem Aktenzeichen V R 14/23) und der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres AdV-Antrags. Ihrer Auffassung nach verstoße die Zinsfestsetzung gegen das Unionsrecht. § 233a AO berücksichtige nicht die Umstände des Einzelfalls, insbesondere ob ein Mitverschulden des Steuerpflichtigen vorliege oder ob dem Fiskus ein Steuerschaden entstanden sei, was vorliegend zu verneinen sei.

Die Richter des BFH wiesen die Beschwerde gegen die Ablehnung ihres AdV-Antrags ( (U)) als unbegründet zurück:

  • Bei summarischer Prüfung bestehen für Verzinsungszeiträume bis zum keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit von §§ 233a, 238 Abs. 1 AO mit dem auch in § 1 Abs. 1 Satz 2 AO erwähnten Unionsrecht.

  • Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - bei einer zeitlichen Verlagerung des Vorsteuerabzugs und der sich hieraus ergebenden zweifachen Anwendung von § 233a AO in Bezug auf mehrere Besteuerungszeiträume, die einerseits zum Entstehen von Erstattungs- und anderseits zum Entstehen von Nachzahlungszinsen führt, die Erstattungs- die Nachzahlungszinsen erheblich übersteigen.

Quelle: (AdV); NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
BAAAJ-63275