BGH Beschluss v. - IV ZR 253/22

Streitwertbemessung bei erbrechtlicher Klage und Widerklage: Addition der Gegenstandswerte; wirtschaftliche Identität der Ansprüche

Gesetze: § 45 Abs 1 S 3 GKG

Instanzenzug: Az: 1 U 1925/21 Erbvorgehend LG Weiden Az: 12 O 696/19

Gründe

11. Die Gegenvorstellung ist zulässig.

2Gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens durch den Bundesgerichtshof findet nach § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG zwar keine Beschwerde statt. Statthaft ist aber die Gegenvorstellung, wenn - wie hier - der Gegenstandswert nach § 63 Abs. 3 GKG auch von Amts wegen geändert werden könnte (, NJW-RR 2017, 1471 Rn. 5 m.w.N.). Das Recht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, im eigenen Namen Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts einzulegen, ergibt sich aus § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG. Die Gegenvorstellung ist hier innerhalb der analog geltenden Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingelegt worden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - IV ZR 72/22, ZEV 2023, 605 Rn. 3; vom - IV ZR 33/19, ZEV 2019, 706 Rn. 3 m.w.N.).

32. Die Gegenvorstellung hat in der Sache keinen Erfolg.

4Eine Addition der Gegenstandswerte von Klage und Widerklage hat entgegen der Auffassung der Gegenvorstellung nicht zu erfolgen, da die geltend gemachten Ansprüche denselben Gegenstand betreffen und daher gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs - hier der Klageforderung in Höhe von 12.833.640 € - maßgebend ist.

5a) "Derselbe Gegenstand" im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG beschreibt einen eigenständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 [juris Rn. 8]; BGH, Beschlüsse vom - I ZR 61/11, juris Rn. 6; vom - I ZR 190/11, juris Rn. 11; jeweils m.w.N.). Auf den zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff kommt es nicht an (Senatsbeschluss vom aaO). Wirtschaftliche Identität liegt vor, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinanderstehen können, dass das Gericht beiden stattgeben könnte, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich ziehen müsste (Senatsbeschluss vom aaO Rn. 9 m.w.N.; , NJW 1994, 3292 [juris Rn. 10]). Denselben Streitgegenstand betreffen insbesondere eine negative Feststellungswiderklage und die Klage, mit der die Berühmung, gegen die die negative Feststellungswiderklage sich wendet, durchgesetzt werden soll (, NJW-RR 1992, 1404 [juris Rn. 4] m.w.N.).

6Hier schließen der Anspruch der in Prozessstandschaft agierenden Klägerin auf Zahlung einer Nachlassforderung an die Erbengemeinschaft und die Widerklage, die auf die Feststellung, dass die Klägerin nicht Mitglied der Erbengemeinschaft ist, einander in der Weise aus, dass die Stattgabe der Klage zwangsläufig die Abweisung der Widerklage nach sich zieht und umgekehrt. Denn eine Nachlassforderung kann die Klägerin nur geltend machen, wenn sie Mitglied der Erbengemeinschaft ist. Die Streitgegenstände sind wirtschaftlich identisch.

7Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann auch nicht angenommen werden, dass dem Feststellungsanspruch neben dem Zahlungsantrag eine selbstständige Bedeutung zukommt, denn das wirtschaftliche Interesse der Beklagten an der Feststellung, dass die Klägerin nicht Mitglied der Erbengemeinschaft geworden ist, geht über die Abwehr der Klageforderung nicht hinaus. Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, wenn sich die Klägerin über die Klageforderung hinaus weiterer Ansprüche berühmte, die ihr gerade in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Erbengemeinschaft gegen die Beklagte zustehen. Dies ist hier nach dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht der Fall.

8Da die Frage der wirtschaftlichen Identität im Rahmen der Festsetzung des Gegenstandswerts unabhängig davon zu beurteilen ist, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte die Vorinstanzen die Zulässigkeit der negativen Feststellungswiderklage gestützt haben, kommt es entgegen der Auffassung der Gegenvorstellung nicht darauf an, ob das Berufungsgericht die Feststellungswiderklage zu Recht gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für zulässig erachtet hat.

9b)

Prof. Dr. Karczewski                                  Harsdorf-Gebhardt                           Dr. Götz

                                       Dr. Bommel                                           Rust

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:050224BIVZR253.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-61894