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FG Bremen Urteil v. - 2 K 103/23

Gesetze: AO § 37 Abs. 2, EStG § 64 Abs. 1, EStG § 64 Abs. 2 S. 1, EStG § 70 Abs. 2, EStG § 62 Abs. 1, EStG § 63 Abs. 1, BGB § 242

Kindergeld: Wechsel der Haushaltszugehörigkeit bei Übergang eines zunächst besuchsweisen Aufenthalts des Kindes in einen Daueraufenthalt

Kindergeldrückforderung auch bei Erfüllung aller Mitwirkungspflichten

Absehen von Kindergeldrückforderung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben

Leitsatz

1. Das Merkmal der Aufnahme eines Kindes in den Haushalt eines Elternteils wird in erster Linie durch den tatsächlichen Umstand bestimmt, dass das Kind nicht nur vorübergehend in diesem Haushalt lebt.

2. Wechselt ein Kind aufgrund einer Coronaerkrankung des Elternteils, bei dem es bisher lebt, zunächst besuchsweise in den Haushalt des anderen Elternteils, erklärt es dann aber, nicht mehr zurückkehren zu wollen, und bleibt es tatsächlich dauerhaft bei dem anderen Elternteil, so geht die ursprüngliche Besuchssituation mit der Folge eines Wechsels der Haushaltszugehörigkeit im Sinne des § 64 EStG in einen Daueraufenthalt über.

3. Formale Gesichtspunkte, wie z. B. die Sorgerechtsregelung oder die Eintragung in ein Melderegister, haben für die Beurteilung, in welchen Haushalt das Kind aufgenommen ist, keine ausschlaggebende Bedeutung, sondern können allenfalls unterstützend bei einem gegebenen Obhutverhältnis herangezogen werden.

4. § 70 Abs. 2 EStG lässt eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung auch und gerade dann zu, wenn der Kindergeldempfänger seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt hat.

5. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Kindergeldempfängers in ein bestimmtes Verhalten der Behörde nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen.Bei einem Massenverfahren wie im Kindergeldrecht ist dabei ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falls von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht und ein anderer Eindruck beim Kindergeldempfänger nicht entstehen kann.

6. Dem Verhalten der Familienkasse muss die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen braucht. Eine Untätigkeit der Familienkasse, selbst wenn sie mit einer Missachtung der Ermittlungspflichten bzw. einem erheblichen Mangel an Sorgfalt verbunden ist, reicht hierfür nicht aus.

Fundstelle(n):
FAAAJ-61778

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FG Bremen, Urteil v. 26.02.2024 - 2 K 103/23

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