Keine Anwendung des Reemtsma-Direktanspruchs bei fehlendem
Leistungsaustausch und bei unzureichender Leistungsbeschreibung in der Rechnung
über den (etwaigen) Leistungstausch
Leitsatz
Bei Insolvenz des Leistenden muss der Leistungsempfänger den geltend gemachten unionsrechtlichen Direktanspruch (sog. Reemtsma
-Direktanspruch) im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) und nicht im umsatzsteuerrechtlichen Festsetzungsverfahren
verfolgen. Bei der insoweit geltend gemachten Ermessensreduktion auf Null ist für das Vorliegen des Reemtsma-Direktanspruch
die Sach- und Rechtslage zum Schluss der mündlichen Verhandlung maßgeblich.
Der Reemtsma-Direktanspruch setzt jedenfalls voraus, dass in Bezug auf den konkret zu beurteilenden Vorgang zum einen die
Erbringung von Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vereinbart worden war und der den Anspruch geltend machende Leistungsempfänger
zum anderen über eine den jeweiligen Leistungsumsatz abbildende nach §§ 14, 14a UStG formal ordnungsgemäße Rechnung verfügt
(Anschluss an die ständige BFH-Rechtsprechung). Der Reemtsma-Direktanspruch scheidet deshalb aus, wenn nach den Umständen
des Einzelfalls keine (z. B. Werbe-) Leistung der insolventen Vertragspartei an den Steuerpflichtigen, sondern eine Entgeltminderung
für eine Leistung des Steuerpflichtigen vorlag oder wenn die Leistungsbeschreibung über die (etwaige) Leistung unzureichend
ist.
Voraussetzung für eine gegenläufige Werbeleistung des vom umsatzsteuerpflichtigen Lieferanten mit Waren belieferten Kunden
ist, dass vom Kunden konkrete Werbemaßnahmen ergriffen werden, die im Sinne einer finalen Vorteilszuwendung bewusst auch dem
Lieferanten zu Gute kommen sollen, ein solches Vorgehen zwischen den Parteien im Rahmen eines klar bestimmbaren Rechtsverhältnisses
ausdrücklich vereinbart worden ist und die konkret zu erbringenden Werbeleistungen oder sonstigen Verrichtungen gemäß den
getroffenen vertraglichen Vereinbarungen vom Lieferanten in bestimmter Höhe gesondert zu vergüten sind.
Der Vorsteuerabzug ist nicht auf Grund Vertrauens in die tatsächlich nicht gegebenen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 UStG möglich.
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Hessisches Finanzgericht
, Urteil v. 13.03.2023 - 6 K 1284/21
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