BVerwG Urteil v. - 5 C 6/22

Höchstgrenze für Elternzuzahlungen

Leitsatz

1. Ein Normvertrag, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er aufgrund einer normativen Ermächtigung auch Rechte und Pflichten von nicht am Vertragsschluss beteiligten Dritten begründet und insofern materielles Recht setzt, kann auch dann vorliegen, wenn der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages normativ im Sinne eines Kontrahierungszwangs vorgeprägt ist und nicht alle Vertragsbeteiligten an der inhaltlichen Ausgestaltung des Vertrages mitwirken können.

2. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) stellt - in Verbindung mit dem Gebot der Pluralität der Jugendhilfe (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) - eine bundesrechtliche Grenze für die Ausgestaltung der landesrechtlichen Fördersysteme für Kindertageseinrichtungen dar.

3. Knüpft der landesrechtliche Normgeber bei der Ausgestaltung des Fördersystems an Merkmale an, die vom Pluralitätsgebot der §§ 3 ff. SGB VIII erfasst werden, bedarf eine darauf beruhende Ungleichbehandlung bestimmter freier Träger einer Rechtfertigung, die am strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen ist.

4. Die mit der Regelung im Land Berlin (Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich i. V. m. § 7 der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen vom ) verbundene Ungleichbehandlung ist unangemessen, weil sie das Rechtsgut der Trägerpluralität bei Überschreiten der Zuzahlungshöchstgrenze ausnahmslos zurücktreten lässt und nicht berücksichtigt, ob der jeweilige freie Träger zur Verwirklichung seiner gewählten pädagogischen Zielsetzung zwingend auf eigene Einnahmen angewiesen ist, die er durch Zuzahlungen decken will.

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 3 Abs 1 SGB 8, § 4 Abs 1 S 2 SGB 8, § 5 Abs 1 S 1 SGB 8, § 23 Abs 3 Nr 2 KitaRefG BE, § 23 Abs 8 S 1 KitaRefG BE, § 23 Abs 8 S 3 KitaRefG BE

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 6 B 13/20 Urteilvorgehend Az: 18 K 60.19 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin wendet sich gegen Kürzungen von öffentlichen Kostenerstattungen des beklagten Landes Berlin für die von ihr betriebenen Kindertagesstätten.

2Sie betreibt als anerkannte Trägerin der freien Jugendhilfe drei Kindertagesstätten mit rund 400 Betreuungsplätzen. Diese zeichnen sich nach den Angaben der Klägerin durch eine internationale Ausrichtung und eine schulische Vorbildung aus. Zum pädagogischen Konzept der Einrichtungen gehören danach insbesondere Angebote zur bilingualen Sprachförderung und eine Personalausstattung, die den landesgesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandard übersteigt. Die Klägerin finanziert den Betrieb ihrer Kindertagesstätten ganz überwiegend durch eine öffentliche Finanzierung vonseiten des Beklagten und im Übrigen durch freiwillige privatrechtliche Zuzahlungen der Eltern von durchschnittlich 350 € monatlich.

3An dieser Zuzahlungspraxis hielt die Klägerin auch nach Inkrafttreten der Neufassung der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (RV Tag BE) fest, die nach Anlage 10 Abs. 6 RV Tag BE eine Begrenzung der Zuzahlungen auf maximal 90 € vorsieht. Daraufhin kürzte der Beklagte ab Juni 2019 die Auszahlungsraten der der Klägerin zustehenden Betriebskostenerstattung. Die hiergegen vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage blieb erfolglos.

4Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Anfechtungsbegehren sei unstatthaft, da die Kürzung der Finanzierungszuschüsse nicht durch Verwaltungsakt erfolgt sei. Die hilfsweise erhobene Leistungsklage auf Auszahlung der einbehaltenen Zuschüsse sei unbegründet. Der Beklagte habe den dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der Betriebskostenerstattung rechtmäßig auf der Grundlage von § 7 Abs. 2 RV Tag BE gekürzt, weil die Klägerin gegen die in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE festgelegte Zuzahlungshöchstgrenze verstoßen habe. Diese Bestimmungen seien mit dem Berliner Kindertagesförderungsgesetz vereinbar und verstießen auch nicht gegen den Grundsatz der Trägerpluralität aus § 3 Abs. 1 SGB VIII. Schließlich seien sie auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verhältnismäßig und daher gerechtfertigt sei. Auch die weiter hilfsweise erhobenen Feststellungsanträge seien zumindest unbegründet.

5Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Leistungsantrag sei begründet. Die Zuzahlungsbeschränkung verletze Bundesrecht. Daher sei auch die Sanktionierung höherer Zuzahlungen durch die Kürzung der Kostenerstattung rechtswidrig. Sie verstoße zunächst gegen Grundprinzipien des Kinder- und Jugendhilferechts, insbesondere die Grundsätze der Trägerpluralität und der Trägerautonomie sowie das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Ferner liege ein Eingriff in die Berufsfreiheit vor, der nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei. Schon die gesetzliche Grundlage in § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b KitaFöG sei zu unbestimmt und genüge im Übrigen auch nicht dem Wesentlichkeitsvorbehalt, weil entscheidende Aspekte der Grundrechtsausübung im Regelungswerk eines verfassungsrechtlich dazu nicht legitimierten privaten Dritten ohne Rechtsnormqualität geregelt worden seien. Der Eingriff sei außerdem unverhältnismäßig.

6Der Beklagte ist der Ansicht, die Revision sei bereits unzulässig, weil die Revisionsbegründung nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genüge, da es an jeder sachlichen Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung fehle. Im Übrigen sei die Revision unbegründet. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 SGB VIII liege nicht vor. Die Zuzahlungsgrenze berühre den Grundsatz der Trägerpluralität schon im Ausgangspunkt nicht. Soweit die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 KitaFöG erfüllt seien, werde ein freier Träger ohne jede Unterscheidung nach Wertorientierung, Inhalten, Methoden oder Arbeitsformen gefördert. Die Zuzahlungsbeschränkung enthalte lediglich eine Bedingung der öffentlichen Finanzierung, aber kein Verbot bestimmter pädagogischer Konzepte. § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII schränke nicht das Recht des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe ein, die Förderung von gewissen Mindestanforderungen und Voraussetzungen der Förderung abhängig zu machen. Auch die Berufsfreiheit sei nicht verletzt. Selbst eine angenommene Grundrechtsverletzung würde nicht zur Nichtigkeit der Rahmenvereinbarung nach § 58 Abs. 1 SGB X, § 134 BGB führen, da Grundrechte mangels Eindeutigkeit keine Verbotsgesetze seien. Unbeschadet dessen liege kein Eingriff in die Berufsfreiheit vor, weil der Klägerin durch die hier in Rede stehenden Regelungen keine echten Verhaltenspflichten auferlegt würden. Jedenfalls sei ein Eingriff aus den Gründen des angefochtenen Urteils verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

7Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt im Ergebnis die Rechtsauffassung des Beklagten.

Gründe

8Das Revisionsverfahren war einzustellen, soweit die Klägerin die Revision bezüglich des mit dem ursprünglichen Hauptantrag verfolgten Anfechtungsbegehrens zurückgenommen hat (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

9Die Revision der Klägerin ist zulässig, insbesondere entgegen der Ansicht des Beklagten im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO ausreichend begründet, was der Senat auch in der mündlichen Verhandlung gegenüber den Beteiligten dargelegt hat. Die Revision hat mit dem nunmehr als Hauptantrag gestellten Leistungsantrag auch in der Sache Erfolg. Denn die Klägerin kann von dem Beklagten die Auszahlung der einbehaltenen Betriebskostenerstattungen in der von ihr geltend gemachten Höhe verlangen. Über die weiter hilfsweise gestellten Feststellungsanträge musste der Senat daher nicht mehr entscheiden.

10Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die von dem Beklagten im Zeitraum von Juni 2019 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im März 2021 tatsächlich einbehaltenen Betriebskostenerstattungen, die die Klägerin mit insgesamt 200 000 € beziffert hat, ohne dass das beklagte Land dem widersprochen hat.

11Das sich hierauf beziehende Leistungsbegehren findet seine rechtliche Grundlage in § 4 Abs. 2 und § 9 Abs. 5 der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen vom (RV Tag BE), die als öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem beklagten Land und Verbänden der freien Kindertagesstättenträger abgeschlossen worden ist. Danach werden dem Träger der freien Jugendhilfe die Gesamtkosten des Betriebs seiner Kindertageseinrichtungen in Höhe von 94 % (2019) bzw. 94,5 % (2020) abzüglich etwaiger Elternbeiträge (für die Kosten des Mittagessens) durch das Land Berlin erstattet.

12Die Anspruchsberechtigung der Klägerin und das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach hat das Oberverwaltungsgericht in Anwendung des Landesrechts für den Senat bindend bejaht. Der Streit der Beteiligten konzentriert sich dementsprechend zu Recht auf die Frage, ob der Beklagte befugt war, den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin zu kürzen. Dies ist zu verneinen.

13Der Beklagte stützt die vorgenommene Kürzung auf § 7 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE. Danach kann das Land Berlin die Auszahlungsraten der Kostenerstattung nach Durchführung eines näher bezeichneten Verfahrens in angemessener Höhe kürzen oder vorübergehend einbehalten, wenn es begründete Anhaltspunkte für eine konkret andauernde oder wiederholte Verletzung von Verpflichtungen entsprechend den Vorgaben der Rahmenvereinbarung (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 RV Tag BE) gibt. Zu diesen Vorgaben gehört die ausdrücklich als Ausfüllung des Angemessenheitsbegriffs nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 des Kindertagesförderungsgesetzes vom (GVBl. S. 322) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom (GVBl. S. 702) - KitaFöG BE - zu verstehende Bestimmung in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE, nach der der "maximal zulässige Höchstbetrag" der Zuzahlungen 90 € pro Kind und Monat beträgt. Die genannten Bestimmungen der Rahmenvereinbarung sind als untergesetzliche Rechtsnorm (Normvertrag) einzuordnen (1.). Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, weil das Oberverwaltungsgericht versäumt hat, die Regelung in Anlage 10 Abs. 6 RV Tag BE am vorrangig anwendbaren Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. den §§ 3 ff. des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 2022) zu messen. Danach erweist sich die genannte Bestimmung wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht als unwirksam, sodass es an der Rechtsgrundlage für die vorgenommene Kürzung fehlt. Dies hat zur Folge, dass der mit der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der in der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Kostenerstattungen in voller Höhe besteht (2.).

141. Die Rahmenvereinbarung ist mit den hier in Rede stehenden Bestimmungen als Normvertrag und damit als untergesetzliche Rechtsnorm einzuordnen. Diese Einordnung findet ihre normative Grundlage in § 23 Abs. 3 Nr. 2 KitaFöG BE (a). Ihr steht weder eine Bindung des Senats an eine entgegenstehende Auslegung des Landesrechts durch die Vorinstanz entgegen (b) noch der Umstand, dass Private am Abschluss der Rahmenvereinbarung beteiligt waren (c).

15a) Die Einordnung der Rahmenvereinbarung als Normvertrag folgt aus § 23 Abs. 3 Nr. 2 KitaFöG BE. Normverträge, die seit jeher als Regelungsinstrument gerade im sozialrechtlichen Leistungserbringungsrecht gesetzliche Anerkennung gefunden haben (vgl. etwa die §§ 69 ff. SGB V oder die §§ 75 ff. SGB XII), legen nicht ausschließlich die Rechte und Pflichten der jeweiligen Vertragspartner fest. Sie enthalten darüber hinaus auch Vorschriften, die aufgrund einer normativen Ermächtigung Rechte und Pflichten von nicht am Vertragsschluss beteiligten Dritten begründen und insofern materielles Recht setzen (vgl. Engelmann, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 53 Rn. 13 m. w. N.; ders. NZS 2000, 1, 4). Als normativer Transformationsmechanismus, der eine derartige Wirkung auslöst, ist für die Träger der freien Jugendhilfe § 23 Abs. 3 Nr. 2 KitaFöG BE anzusehen. Nach dieser Vorschrift setzt die Erstattung der Betriebskosten durch das Land voraus, dass der betreffende Träger der freien Jugendhilfe der landesweiten Leistungsvereinbarung nach § 23 Abs. 1 KitaFöG BE beigetreten ist, als die sich die Rahmenvereinbarung nach der bindenden Auslegung des Oberverwaltungsgerichts darstellt. Mit dem in ihr vorgesehenen Beitritt erlangt der Inhalt der Rahmenvereinbarung zwar, wovon das Oberverwaltungsgerichts ebenfalls zutreffend ausgeht, für den betreffenden Träger der freien Jugendhilfe zunächst auf dem Wege des Vertragsrechts Verbindlichkeit (vgl. Schindler, in: Münder/​Meysen/​Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78f Rn. 6). Das schließt aber die Begründung einer zusätzlichen normativen Verbindlichkeit auch für eine bereits vertraglich gebundene Partei nicht aus (vgl. zu § 95 Abs. 3 Satz 3 SGB V: Engelmann, NZS 2000, 1, 4).

16Die normative Geltungserstreckungswirkung des § 23 Abs. 3 Nr. 2 KitaFöG BE beruht einerseits darauf, dass der Beitritt zur Rahmenvereinbarung letztlich nicht freiwillig erfolgt, sondern normativ vorgeprägt ist, weil - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - das System der öffentlichen Jugendhilfe wesentlich auf der Prämisse beruht, dass Träger der freien Jugendhilfe den Betrieb ihrer Einrichtungen mithilfe von staatlichen Zuschüssen finanzieren müssen. Vor diesem Hintergrund geht der Landesgesetzgeber erkennbar davon aus, dass die freien Träger sich einem solchen Beitritt regelmäßig nicht verschließen werden, weil sie ohne einen Zugang zur staatlichen Finanzierung ihre Tätigkeit nicht fortsetzen können. Angesichts dessen wirkt sich die Regelung des § 23 Abs. 3 Nr. 2 KitaFöG BE wie ein faktischer Kontrahierungszwang aus, sodass ein Beitritt nicht ohne Weiteres mit einem freiwilligen Gebrauchmachen von der Vertragsautonomie gleichgesetzt werden kann. Dies ist im Ergebnis mit einer gesetzlichen Allgemeinverbindlichkeitserklärung für alle freien Träger, die an der staatlichen Kindertagesstättenfinanzierung partizipieren wollen, vergleichbar. Andererseits ist eine normative Geltungserstreckung auch erforderlich, weil ein letztlich zum Beitritt gezwungener einzelner Träger der freien Jugendhilfe nicht nur nicht selbst an der Vertragsaushandlung beteiligt ist, sondern nicht einmal nach einem Vertragsbeitritt auch nur mittelbar an inhaltlichen Änderungen der Rahmenvereinbarung mitwirken kann, wenn er - wie die Klägerin - keinem der als vertragsschließende Parteien auftretenden Verbände angehört. Vielmehr muss er solche künftigen Vertragsänderungen ohne seine Mitwirkung im Sinne einer antizipierten Unterwerfung hinnehmen (vgl. § 13 Satz 2 RV Tag BE).

17Die Annahme eines Normcharakters der Rahmenvereinbarung wird auch durch eine systematische Betrachtung des 23 KitaFöG BE gestützt. Sie lässt erkennen, dass der Gesetzgeber (jedenfalls) die hier in Rede stehenden Bestimmungen ebenfalls als Rechtsnormen ansieht. Denn nach § 23 Abs. 8 Satz 1 KitaFöG BE sind weitere Regelungen betreffend Zuzahlungen, insbesondere zu den Voraussetzungen und Bedingungen sowie zur Höhe zu treffen. Dies lässt den Schluss zu, dass auch der Gesetzgeber die gesetzlichen Regelungen über die Zuzahlungen als zwingend ausfüllungsbedürftig, also in normativer Hinsicht als inkomplett, und insofern auch nicht als unmittelbar exekutierbar angesehen hat. Deutlich wird das auch in der diesbezüglichen Gesetzesbegründung, nach der es ausdrücklich erforderlich ist, weitere Festlegungen hinsichtlich der Zuzahlungsregelungen zu treffen (Abgh-Drs. 18/0590 S. 10). Der Inhalt einer gesetzlichen Regelung kann aber notwendig nur durch eine Bestimmung inhaltlich näher ausgeformt werden, die ihrerseits ebenfalls einen abstrakt-generellen Charakter aufweist und damit als Normsetzung einzustufen ist. Durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag allein kann Gesetzesrecht jedenfalls nicht hinsichtlich unbestimmter Rechtsbegriffe wie dem der "angemessenen Zuzahlungen" (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b KitaFöG BE) in der von § 23 Abs. 8 Satz 1 KitaFöG BE intendierten allgemein verbindlichen Weise inhaltlich konkretisiert werden (vgl. auch Schindler, in: Münder/​Meysen/​Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78a Rn. 5). Nach den gesetzlichen Regelungen kann eine solche normative Ergänzung - folgerichtig - auch durch eine Rechtsverordnung erfolgen (§ 23 Abs. 8 Satz 4 KitaFöG BE), die aber durch die vorrangig zur Anwendung kommende Leistungs- bzw. Rahmenvereinbarung ersetzt werden soll (§ 23 Abs. 9 Satz 3 KitaFöG BE). Der Gesetzgeber lässt damit zugleich erkennen, dass er Rechtsverordnung und Rahmenvereinbarung in der ihnen von § 23 Abs. 9 Satz 1 KitaFöG BE zugedachten Ergänzungsfunktion als grundsätzlich austauschbar und damit zugleich ihrem Wesen nach als gleichrangig ansieht. Nur bei einer Einordnung als untergesetzliche Rechtsnorm könnte die Rahmenvereinbarung im Übrigen angesichts eines sich nicht bereits abschließend aus der gesetzlichen Regelung ergebenden Grundrechtseingriffs, wie ihn das Oberverwaltungsgericht hier hinsichtlich der Berufsfreiheit angenommen hat, eine taugliche Eingriffsermächtigung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen (vgl. H.-P. Schneider, in: Handbuch der Grundrechte, 1. Aufl. 2013, § 113 Rn. 138).

18b) Der Einordnung als Normvertrag steht nicht entgegen, dass das Oberverwaltungsgericht die Rahmenvereinbarung als öffentlich-rechtlichen Vertrag angesehen hat. Denn auch ein Normvertrag, der die weitergehende Qualität einer untergesetzlichen Rechtsnorm besitzt, behält die Eigenschaft eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, auf den insoweit die diesbezüglichen Regelungen Anwendung finden (vgl. - SozR 4-3500 § 77 Nr. 3 f. = juris Rn. 20). Im Übrigen ist auch das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Rahmenvereinbarung (jedenfalls) kein öffentlich-rechtlicher Vertrag im herkömmlichen Sinne sei, bei dem sich beide Beteiligte auf einen frei gewählten Vertragsinhalt einigen. Es hat ausgeführt, die Rahmenvereinbarung sei ein Surrogat für eine vom Beklagten zu erlassende Rechtsverordnung (UA, S. 19), ohne aber darüber hinaus eine eindeutig erkennbare Bestimmung seiner tatsächlichen Rechtsnatur vorzunehmen. Das Oberverwaltungsgericht selbst hat insofern Raum gelassen für eine Einordnung als Normvertrag, mit der im Übrigen auch in Einklang steht, dass die Vorinstanz den Inhalt der Rahmenvereinbarung gerade nicht durch einen ausschließlichen Rückgriff auf den subjektiven Willen der Beteiligten ermittelt hat (vgl. zur Auslegung von Normverträgen: Engelmann, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 53 Rn. 17 m. w. N.). Deshalb ist der Senat zu ihrer Vornahme auch ungeachtet des Umstands befugt, dass es sich bei der Rahmenvereinbarung und den gesetzlichen Bestimmungen, auf denen sie beruht, im Ausgangspunkt um nicht revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO handelt (vgl. 5 C 10.21 - juris Rn. 19 f. m. w. N.).

19c) Der Einordnung der Rahmenvereinbarung als untergesetzliche Rechtsnorm steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 KitaFöG BE unter Beteiligung von Privaten, nämlich zweier Verbände von Trägern der freien Jugendhilfe, zustande gekommen ist.

20Anders als das Oberverwaltungsgericht gemeint hat, kann dieses Vorgehen des Landesgesetzgebers mit Blick auf den vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Eingriff in Grundrechtspositionen der betroffenen freien Träger jedoch nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass es dem Autonomiegedanken folgt und auch Berufsverbände zur Normgebung ermächtigt werden können. Dies ist für sich genommen nicht hinreichend, weil sich diese Grundsätze auf den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung durch öffentlich-rechtliche Körperschaften beziehen, deren Normsetzungsrecht gegenüber ihren Mitgliedern aus einem demokratischen Legitimationszusammenhang heraus gerechtfertigt werden kann (vgl. etwa u. a. - BVerfGE 33, 125 <156 ff.>; Burgi, in: Kahl/​Waldhoff/​Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Juli 2023, Art. 12 Rn. 179 m. w. N.). Die diesbezüglichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips gelten auch für die Rechtsetzung durch Normverträge, die zwischen Trägern der mittelbaren Staatsverwaltung abgeschlossen werden (vgl. u. a. - juris Rn. 21).

21Die insoweit gebotene demokratische Legitimation besteht hier aufseiten der am Vertragsschluss beteiligten Verbände der Träger der freien Jugendhilfe schon deshalb nicht, weil diesen nicht alle von der Rahmenvereinbarung betroffenen freien Träger angehören, was gerade auch auf die Klägerin zutrifft. Gleichwohl kann es ausreichend sein, wenn den Belangen der Allgemeinheit, die durch die untergesetzliche Normsetzung berührt werden, und insbesondere den Belangen der nicht im vorgenannten Sinne repräsentierten privaten Dritten durch die Mitwirkung einer Behörde der unmittelbaren Staatsverwaltung an der Normsetzung Rechnung getragen werden kann (vgl. - BVerfGE 71, 162 = juris Rn. 34; vgl. im Übrigen auch - BVerfGE 44, 322 <348 f.>). Das ist hier der Fall, weil die Rahmenvereinbarung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 KitaFöG BE unter Beteiligung der zuständigen Senatsverwaltung abzuschließen ist, die dabei die genannten Belange als Sachwalterin zu wahren hat. Diese kann ihre diesbezüglichen Auffassungen überdies trotz der Regelungsform des Vertrages gegenüber den beteiligten Verbänden zumindest hinsichtlich der hier in Rede stehenden Zuzahlungsregelungen im Zweifel stets durchsetzen, weil sie insoweit nach § 23 Abs. 8 Satz 5 KitaFöG BE eine vertragliche Regelung scheitern lassen und an ihrer Stelle auch eine Rechtsverordnung erlassen kann (vgl. auch Abgeordnetenhaus, Wortprotokoll BildJugFam 18/14, S. 22: Roland Kern, Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden: "... Verhandeln mit vorgehaltener Pistole ..."). Unter diesen Voraussetzungen ist eine Mitwirkung nicht staatlicher Dritter an der untergesetzlichen Normsetzung auch im Übrigen nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. auch - NZA 2020, 253 Rn. 14 f.; Menges/​Preisner, in: Emmenegger/​Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, 2011, S. 539 ff. m. w. N.).

222. Das Oberverwaltungsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, dass die von der Klägerin erhobenen Zuzahlungen die in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE genannte Obergrenze von 90 € pro Kind und Monat (inklusive 30 € für Frühstück und Vesper) überschritten haben. Es hat ferner in nach § 173 VwGO i. V. m. § 560 ZPO bindender Auslegung und Anwendung des Landesrechts ausgeführt, dass diese Regelung mit den für sie maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des § 23 KitaFöG BE vereinbar ist. Allerdings hat es dadurch gegen Bundesrecht verstoßen, dass es die Unvereinbarkeit von Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE nicht am vorrangig anwendbaren Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. den §§ 3 ff. SGB VIII geprüft und festgestellt hat (a). Die darauf beruhende Unwirksamkeit der Regelung in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE (b) führt zur Rechtswidrigkeit der in Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 1 RV Tag BE vom Beklagten vorgenommenen Kürzung des der Klägerin zustehenden Kostenerstattungsanspruchs (c).

23a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bundesrechtlicher Maßstab für die Überprüfung landesrechtlicher Fördersysteme, die - wie hier - auf der Grundlage des § 74a SGB VIII erlassen worden sind, der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist. Ein derartiges Fördersystem, das in seiner Gesamtheit zu betrachten ist, muss eine gleichheitsgemäße Förderung der Einrichtungsträger auch tatsächlich hinreichend sicherstellen. Der Gestaltungsspielraum, der nach § 74a SGB VIII dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber zuzubilligen ist, ist durch die materiellen Grundentscheidungen des Jugendhilferechts für ein möglichst plurales, bedarfsorientiertes Angebot begrenzt. Die Regelungsermächtigung des § 74a SGB VIII stellt den Landesgesetzgeber nicht frei von jeglicher Bindung an die bundesgesetzlich geregelten materiellen Ziele und Grundsätze der Jugendhilfe. Die Finanzierung von Tageseinrichtungen bleibt bezogen auf ein Angebot von Jugendhilfe im Sinne des SGB VIII. Das Fördersystem muss demgemäß die "Pluralität der Jugendhilfe" (BT-Drs. 11/6748 S. 80), d. h. die Pluralität der Träger und die Pluralität der Inhalte, Methoden und Arbeitsformen ermöglichen, unterstützen und effektiv gewährleisten (vgl. § 3 Abs. 1 SGB VIII). Das Pluralitätsgebot beschränkt daher den Landesgesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit und der Ausgestaltung der Unterscheidungskriterien für eine Differenzierung bei der Förderung. Dies gilt auch, soweit der Bundesgesetzgeber das Pluralitätsgebot weiter ausgeformt hat, etwa durch das Recht der Leistungsberechtigten, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung zu äußern (sog. Wunsch- und Wahlrecht; § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII), das Gebot, die zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung zu stellen (§ 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII), sowie die Vorgaben, den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln und die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend so zu planen, dass ein möglichst wirksames, vielfältiges und aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen gewährleistet ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII). Insbesondere auch für Kindertageseinrichtungen kommt das Gebot hinzu, bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben die von den Personensorgeberechtigten bestimmte Grundrichtung der Erziehung zu beachten (§ 9 Nr. 1 SGB VIII; Art. 6 Abs. 2 GG). Es bedarf daher besonderer Erklärung, warum angebotene Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage anders als solche mit anderer Pädagogikausrichtung nicht oder geringer gefördert werden ( 5 CN 1.09 - Buchholz 436.511 § 74a Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 1 Rn. 31 f.).

24Diese Bindungen des Normgebers in Bezug auf Differenzierungen bei der Ausgestaltung des Fördersystems gelten auch dann uneingeschränkt, wenn - wie im Fall des Landes Berlin - das Finanzierungssystem hinsichtlich der Betriebskostenförderung freier Träger nicht als Subventionierung (oder Objektförderung), sondern als Entgelt- bzw. Subjektfinanzierung (vgl. Wiesner, LKV 2016, 433 <439>; zur grundsätzlichen Unterscheidung: Trésoret, in: Schlegel/​Voelzke, juris-PK SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 74 Rn. 15) ausgestaltet ist (vgl. auch Luthe, in: Schlegel/​Voelzke, juris-PK, SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 3 Rn. 21). Ihnen steht nicht entgegen, dass insbesondere weder § 3 Abs. 1 oder § 5 Abs. 1 SGB VIII einem Einrichtungsträger einen unmittelbaren, bundesgesetzlichen Förderungsanspruch verleihen, noch, dass aus dem Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten kein Anspruch auf einen bestimmten Kindergartenplatz oder einen bestimmten Kindergarten folgt ( 5 CN 1.09 - Buchholz 436.511 § 74a Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 1 Rn. 32).

25Diesen auf dem Gleichbehandlungsgebot beruhenden Maßstab zugrunde gelegt, ist hier eine Ungleichbehandlung festzustellen (aa), die nicht gerechtfertigt ist (bb).

26aa) Freie Träger von Kindertagesstätten im Bereich des Beklagten, die sich im Hinblick auf Zuzahlungen in einer vergleichbaren Situation wie die Klägerin befinden, werden bei der Betriebskostenfinanzierung im Verhältnis zu anderen freien Trägern durch die Zuzahlungsbegrenzung in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE ungleich behandelt. Ein freier Träger kann infolge dieser Regelung i. V. m. § 7 RV Tag BE die Betriebskostenfinanzierung ganz oder teilweise verlieren, wenn er - wie die Klägerin - aufgrund seines pädagogischen Konzepts Zusatzangebote machen will, die von den Eltern auf privatrechtlicher Grundlage durch Zuzahlungen über den Schwellenwert hinaus finanziert werden sollen, während andere freie Träger, die Zusatzleistungen mit einer solchen Finanzierung nicht erbringen (wollen), in vollem Umfang finanziert werden. Beide Arten von freien Trägern bilden Vergleichsgruppen, von denen die erstgenannte einer nachteilig wirkenden Ungleichbehandlung ausgesetzt ist. Gemeinsamer Bezugspunkt bzw. Oberbegriff (wesentlich Gleiches) der Vergleichsgruppen ist die Eigenschaft als freier Jugendhilfeträger, der um eine öffentliche Förderung seiner Tätigkeit nachsucht. Ob das hier in Rede stehende Differenzierungskriterium, nämlich die Höhe der Zuzahlungen, tragfähig ist oder nicht, ist demgegenüber auf der Ebene der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu klären. Es ist methodisch unzulässig, dieses Kriterium auf die Ebene der Vergleichsgruppenbildung vorzuverlagern und damit eine Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG zu umgehen (vgl. 5 C 2.20 - Buchholz 436.63 ContStifG Nr. 2 Rn. 101).

27bb) Diese Ungleichbehandlung knüpft an Merkmale an, die von dem bei der Ausgestaltung des Fördersystems zu beachtenden Gebot der Pluralität der Jugendhilfe erfasst werden ((1)). Sie ist daher am strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen ((2)). Die hieran ausgerichtete Prüfung ergibt, dass die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt ist ((3)).

28(1) Das nach Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE bei der Ausgestaltung des Fördersystems gewählte Differenzierungskriterium der Erhebung von Zuzahlungen über den Schwellenbetrag hinaus knüpft an vom bundesrechtlich zu beachtenden Gebot der Pluralität der Jugendhilfe erfasste Merkmale an.

29(a) Das Kriterium bewirkt zum einen eine unterschiedliche Behandlung freier Träger bei der Förderung wegen deren unterschiedlicher Inhalte, Methoden und Arbeitsformen im Sinne des § 3 Abs. 1 SGB VIII. Es knüpft im Ausgangspunkt an Trägerleistungen an, die - wie die nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts von der Klägerin den Eltern offerierten besonderen pädagogischen Leistungen, nämlich eine bilinguale Ausrichtung und eine erhöhte Personalausstattung - über den gesetzlich vorgeschriebenen Standards liegen und über das vom Land Berlin finanzierte Angebot hinausgehen. Für diese besteht ein Bedarf schon deshalb, weil solche Angebote offensichtlich von den Erziehungsberechtigten, die insoweit von ihrem Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) Gebrauch machen, nachgefragt werden. Gerade ein derartiger von einem Jugendhilfeträger frei gewählter und verfolgter fachlich (sozial-)pädagogischer Ansatz ist von der durch den Grundsatz der Trägervielfalt in § 3 Abs. 1 SGB VIII geschützten Vielfalt von "Inhalten, Methoden und Arbeitsformen" erfasst (vgl. Banafsche/​Bieritz-Harder/​Bohnert/​Greßmann/​Grube/​Hilke/​Kirchhoff/​Rombach, in: Hauck/​Noftz, SGB VIII, Stand 2023, § 3 Rn. 10). Zwar beruht die Kürzung der Fördermittel nicht auf dem Angebot an sich, das als solches nicht verboten ist, sondern auf den hierfür von den Eltern erhobenen (die normative Grenze der Rahmenvereinbarung überschreitenden) Zuzahlungen. Da aber auch ein gemeinnütziger freier Träger (wie die Klägerin) seine Leistungen kostendeckend erbringen muss und diese besonderen Angebote gerade nicht von den Leistungsentgelten nach der Rahmenvereinbarung erfasst werden (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a KitaFöG BE), bewirken die Regelungen in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich i. V. m. § 7 RV Tag BE (vgl. auch § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b KitaFöG BE), dass eine Betriebskostenförderung durch den Beklagten nur deshalb gemindert wird oder unterbleibt, weil der freie Träger an einem besonderen pädagogischen Angebot festhalten will, das durch Zuzahlungen der Eltern oberhalb des Schwellenwerts finanziert werden soll. Damit berührt das Fördersystem des Beklagten den Grundsatz der Trägerpluralität, der im hier in Rede stehenden Kontext jeden einzelnen Träger gerade davor schützt, dass die von ihm für angebracht gehaltenen pädagogischen Konzepte sich im Rahmen der öffentlichen Finanzierung nachteilig auswirken. Deshalb ist es auch nicht von Bedeutung, dass andere freie Träger mit den nach Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE zulässigen Zuzahlungen ebenfalls bilinguale oder sonst ähnliche Zusatzangebote erbringen können. Entscheidend ist, ob solche Angebote nach ihrem von dem jeweils betroffenen freien Träger bestimmten Inhalt und Umfang von diesem finanziell getragen werden können. Dies bedeutet im Übrigen nicht, dass der Beklagte aufgrund des Pluralitätsgrundsatzes verpflichtet wäre, die Betriebskostenförderung gänzlich ungeachtet der Art der von einem freien Träger - auch in der Form von Zusatzangeboten - gewählten Inhalte, Methoden und Arbeitsformen zu erbringen. Denn die allgemeinen Grundsätze der Förderung (§§ 1, 22 f. SGB VIII) können ebenso wie die sich aus § 75 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII i. V. m. § 23 Abs. 3 Nr. 1 KitaFöG BE ergebenden Voraussetzungen als weiterer Maßstab der Ausgestaltung der staatlichen Finanzierung nach § 74a SGB VIII zugrunde gelegt werden (vgl. auch Münder, in: Münder/​Meysen/​Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 4 Rn. 14).

30(b) Das vom Beklagten gewählte Differenzierungskriterium berührt zum anderen eine weitere gesetzliche Ausformung des Pluralitätsprinzips, nämlich den Schutz der Selbstständigkeit der freien Jugendhilfe nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Danach hat die öffentliche Jugendhilfe bei der Zusammenarbeit mit der freien Jugendhilfe deren Selbstständigkeit in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten. Daraus ergibt sich, dass die freie Jugendhilfe grundsätzlich auch frei ist in der Festlegung ihrer Aufgaben. Das schließt das Recht ein, ein "Mehr" gegenüber dem Angebot der öffentlichen Jugendhilfe oder anderer freier Träger zu leisten und auch autonom die Finanzierbarkeit eines solchen Zusatzangebots herstellen zu können (vgl. Bieritz-Harder/​Neumann, in: Hauck/​Noftz, SGB VIII, Stand 2023, § 4 Rn. 8). Durch die Begrenzung auf ein "übliches Angebotsniveau" bei Zusatzleistungen als Voraussetzung der öffentlichen Förderung wird dieses Recht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII eingeschränkt. Berührt wird damit außerdem das ebenfalls als gesetzliche Ausformung des Pluralitätsprinzips anzusehende Wunsch- und Wahlrecht der Eltern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, weil ein plurales Angebot dem Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten zumindest mittelbar dient. Ohne Wahlrechte liefe der Gedanke einer Vielfalt von Angeboten weitestgehend leer und könnte das Prinzip der Trägerpluralität seine volle Wirkungsweise nicht entfalten. Das Gleiche gilt aber auch umgekehrt, weshalb das Wunsch- und Wahlrecht auch Auswirkungen auf die Förderung von freien Trägern hat (vgl. Luthe, in: Schlegel/​Voelzke, juris-PK, SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 3, 5).

31(2) Knüpft der landesrechtliche Normgeber bei der Ausgestaltung des Fördersystems an Merkmale an, die vom Pluralitätsprinzip der §§ 3 ff. SGB VIII erfasst werden, bedarf eine darauf beruhende Ungleichbehandlung eines freien Trägers einer Rechtfertigung in Gestalt eines hinreichend tragfähigen sachlichen Grundes. Insofern ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100> und vom - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68> m. w. N.). Nach dieser Maßgabe ist hier die Wahl eines entsprechenden Differenzierungskriteriums durch den Landesgesetzgeber und dessen Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf eine bloße Vertretbarkeitskontrolle (Willkürprüfung) beschränkt (vgl. bereits 5 CN 1.09 - Buchholz 436.511 § 74a Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 1 Rn. 33). Vielmehr ist eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten.

32Die Ausrichtung an strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen rechtfertigt sich zum einen mit Blick darauf, dass es sich bei den Bestimmungen in den §§ 3 ff. SGB VIII um wesentliche materielle Ziele und Grundsätze der Jugendhilfe handelt, die unter Berücksichtigung des Grades ihrer Beeinträchtigung in einem möglichst weiten Umfang verwirklicht werden sollen (vgl. auch Luthe, in: Schlegel/​Voelzke, juris-PK, SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 4 Rn. 32: "Herstellung praktischer Konkordanz"). Die mit dem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab verbundenen höheren Rechtfertigungsanforderungen dienen dem Schutz dieser bundesrechtlichen Systementscheidung für die Trägervielfalt und die Trägerautonomie, die ungeachtet des § 74a SGB VIII für den Landesgesetzgeber grundsätzlich verbindlich bleiben. Der Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit hat vor diesem Hintergrund als Maßstab der Steuerung der Gleichheitsprüfung auf der Rechtfertigungsebene eine höhere Bedeutung als es bloße einfach-rechtliche Systementscheidungen auf der Ebene des jeweiligen Bundes- bzw. Landesrechts im Sinne einer Selbstbindung des Gesetzgebers sonst haben (vgl. auch Thiele, in Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl. 2023, Art. 3 Abs. 1 Rn. 51). In dieselbe Richtung weist der Umstand, dass insbesondere das Pluralitätsgebot des § 3 Abs. 1 SGB VIII in dem hier zu beurteilenden Zusammenhang im Sinne eines (einfach-)bundesgesetzlichen und auch für den Landesgesetzgeber verbindlichen besonderen Diskriminierungsverbots zu verstehen ist, was ebenfalls zu einer Verschärfung der Rechtfertigungsanforderungen führt (vgl. Wollenschläger, in: von Mangoldt/​Klein/​Starck, Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 122, 128). Schließlich kommt hinzu, dass nach der jedenfalls im Ergebnis zutreffenden Auffassung des Oberverwaltungsgerichts mit der hier in Rede stehenden Regelung zumindest von einem Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Träger - wie hier der Klägerin - aus Art. 12 Abs. 1 GG auszugehen ist. Auch die danach mögliche Auswirkung der Ungleichbehandlung auf ein spezielles Freiheitsgrundrecht veranlasst regelmäßig ihre strengere Prüfung anhand von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl. u. a. - BVerfGE 152, 274 Rn. 98).

33(3) An diesem Verhältnismäßigkeitsmaßstab gemessen ist die durch die Regelungen in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE i. V. m. § 7 RV Tag BE bewirkte Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Sie verfolgt zwar ein legitimes Ziel und ist zu seiner Erreichung ebenso geeignet wie erforderlich. Jedoch erweist sie sich nicht als angemessen.

34(a) Nach der insoweit bindenden Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht dient bereits § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b KitaFöG über die Begrenzung der Zuzahlungen auf eine "angemessene Höhe", die durch die Deckelungsregelung in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE konkretisiert wird, der Absicherung und Durchsetzung der Beitragsfreiheit, die nicht durch verpflichtende Zuzahlungen umgangen werden soll (vgl. UA S. 24, 28 ff.). Der Landesgesetzgeber habe schon mit der Abschaffung der Elternbeiträge die Schwelle für die Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsleistungen senken und auf diese Weise die Chancengleichheit aller Kinder gewährleisten wollen. Aus seiner Sicht solle durch die Zuzahlungsregelungen verhindert werden, dass diese Zielsetzung ausgehebelt werde, indem Träger gleichsam verkappte Elternbeiträge in Form von Zuzahlungen erheben. Denn obligatorische Zuzahlungen, die sich nicht jede Familie leisten könne, führten zu einer Begrenzung des für diese Familien zur Verfügung stehenden Angebots an Kindertagesbetreuungsplätzen. Letztlich geht es dem Landesgesetzgeber also darum, ökonomische Hindernisse für den Zugang zu den mit Landesmitteln finanzierten Kindertagesstättenplätzen weitgehend abzubauen, und zwar auch soweit es um Zuzahlungen für besondere Trägerleistungen geht.

35(b) Dieses Anliegen der Differenzierung ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um eine zweifelsfrei legitime und mit der Verfassungsordnung in Einklang stehende Zwecksetzung. Sie ist auch mit Blick auf die Regelungen des Kinder- und Jugendhilferechts nicht ohne Bedeutung, weil der mit § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verfolgte Zweck, jedem anspruchsberechtigten Kind Zugang zu einer bedarfsgerechten Betreuung zu eröffnen und tatsächlich eine verlässliche, bestmögliche Kinderbetreuung zu gewährleisten, nicht dadurch gefährdet oder gar vereitelt werden darf, dass die Inanspruchnahme eines nachgewiesenen Betreuungsplatzes für den Leistungsberechtigten mit unzumutbar hohen Aufwendungen verbunden ist (vgl. 5 C 19.16 - BVerwGE 160, 212 Rn. 46).

36(c) Die mit den hier in Rede stehenden Regelungen verbundene Ungleichbehandlung ist zur Zielerreichung geeignet. Ein im Rahmen einer Ungleichbehandlung eingesetztes Mittel ist dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Ein Optimierungsgebot besteht nicht (vgl. - BVerfGE 113, 167 <234> m. w. N.). Dies zugrunde gelegt ist die Zuzahlungsbegrenzung zumindest unter der von der Einschätzungsprärogative des Normgebers gedeckten Prämisse, dass ein von ihr betroffener freier Träger trotzdem im System der staatlichen Finanzierung verbleibt und weiter Tagesplätze (ohne Überschreitung der Zuzahlungsgrenze) anbietet, als zur Zielerreichung geeignet anzusehen. Denn unter dieser Prämisse führt die Zuzahlungsbegrenzung dazu, dass Plätze in Kindertageseinrichtungen, die bisher mit einem besonderen zuzahlungspflichtigen pädagogischen Angebot über die Höchstgrenze hinaus versehen waren, nunmehr auch leichter für Familien zugänglich sind, die sich bisher eine solche Zuzahlung nicht leisten konnten. Damit wird zwar nicht die Zahl der Kindertagesstättenplätze als solche erhöht, das Angebot selbst also nicht erweitert. Es erhöhen sich aber die Chancen der weniger gut verdienenden Eltern insofern, als ihnen bislang nicht zugängliche Plätze leichter in Anspruch genommen werden können.

37(d) Die genannte Ungleichbehandlung stellt sich auch als zur Zielerreichung erforderlich dar. Eine normative Regelung verletzt das Gebot der Erforderlichkeit, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das Grundrechte nicht oder deutlich weniger fühlbar einschränkt ( - BVerfGE 113, 167 <252 f.>). Hier durfte der Normgeber unter Berücksichtigung der ihm zukommenden Einschätzungsprärogative davon ausgehen, dass kein anderes Mittel gleich effektiv das von ihm verfolgte Ziel verwirklichen kann. Dies gilt sowohl für die bereits normativ vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten im Fall einer Zuzahlung bzw. den Anspruch auf einen zuzahlungsfreien Platz (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c KitaFöG BE; Anlage 10 Abs. 1 Spiegelstrich 1 und 2 RV Tag BE) außerhalb von Eltern-Initiativ-Kindertagesstätten (Anlage 10 Abs. 4 Spiegelstrich 1 RV Tag BE) wie auch für sonstige Maßnahmen wie Ombudsstellen oder Beschwerderechte. Denn das Anliegen, möglichst weitgehend die ökonomische Leistungsfähigkeit als bestimmenden Faktor bei der Konkurrenz um Kindertagesstättenplätze auszuschalten, kann hierdurch nicht in gleich wirksamer Weise erreicht werden. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass diejenigen freien Träger, die zuzahlungspflichtige Angebote machen, diese vielfach nur aufrechterhalten können, wenn ein wesentlicher Teil der Eltern auch bereit und in der Lage ist, diese zu bezahlen. Es ist daher in Rechnung zu stellen, dass sie schon die Praxis der Platzvergabe in diesem Sinne steuern werden.

38(e) Die mit der Zuzahlungsbegrenzung verbundene Ungleichbehandlung erweist sich allerdings als unangemessen. Angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne ist eine Ungleichbehandlung dann, wenn die mit ihr einhergehende Schlechterstellung nach Ausmaß und Intensität in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des mit der Differenzierung verfolgten Ziels und zu dem Ausmaß und Grad der Zielerreichung steht. Eine übermäßige und unzumutbare Belastung ist unangemessen ( - BVerfGE 138, 136 juris Rn. 156). Bei der hierauf bezogenen Prüfung sind zunächst die Auswirkungen der Ungleichbehandlung auf die in Rede stehenden Rechtsgüter zu erheben. Dabei ist auch die Art und Schwere der Beeinträchtigung festzustellen. Anschließend sind die Auswirkungen auf die Betroffenen einerseits der Bedeutung der Ungleichbehandlung für das mit ihr verfolgte Ziel andererseits gegenüberzustellen. Dabei sind der Rang der verfolgten Interessen und die Intensität ihrer Beeinträchtigung in den Blick zu nehmen. Zu klären ist auch, wie sehr das Ziel durch die Ungleichbehandlung überhaupt gefördert wird. Die gewonnenen Befunde sind schließlich in eine Abwägung einzustellen. Gemessen daran erweist sich die in Rede stehende Regelung (in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE i. V. m. § 7 RV Tag BE) als unangemessen, weil sie das vom Bundesgesetzgeber mit einem hohen Rang ausgewiesene Rechtsgut der Trägerpluralität bei Überschreiten der Zuzahlungshöchstgrenze ausnahmslos zurücktreten lässt und nicht berücksichtigt, ob der jeweilige freie Träger zur Verwirklichung seiner gewählten pädagogischen Zielsetzung zwingend auf eigene Einnahmen angewiesen ist, die er durch Zuzahlungen decken will.

39(aa) Die mit der Regelung verbundene Ungleichbehandlung berührt in erheblicher Weise die Grundsätze der Trägerpluralität und Trägerautonomie. Zwar bleibt die Verwirklichung eigenständiger pädagogischer Konzepte möglich, soweit deren Durchführung nicht auf Zuzahlungen beruht, welche die nach Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE zulässige Höhe nicht überschreiten. Das Zuzahlungsverbot beeinträchtigt aber jene freien Träger in erheblicher Weise, die für derartige Angebote auf eine über den Betrag von insgesamt 90 € pro Monat und Platz hinausgehende Refinanzierung durch die Eltern als Finanzierungsquelle angewiesen sind. In diesen Fällen ist die Beeinträchtigung der genannten Grundsätze von hoher Intensität, weil die Verwirklichung eines von den §§ 3 ff. SGB VIII geschützten pädagogischen Konzepts praktisch vereitelt wird. Dies wirkt sich insoweit zugleich in einschneidender Weise auf das Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) derjenigen Eltern aus, die ihren Kindern den Besuch von Kindertagesstätten mit entsprechenden Konzepten ermöglichen möchten.

40Dabei kommt es für die Bewertung der Auswirkungen nicht ausschlaggebend darauf an, ob vielleicht nur (sehr) wenige Träger tatsächlich derartige kostenintensivere (über die Zuzahlungsgrenze hinausgehende) pädagogische Angebote gemacht haben. Unerheblich ist nach dem oben dargestellten Maßstab auch, ob eine große Mehrheit der Träger in den Verhandlungen über die Rahmenvereinbarung die Zuzahlungsgrenze der Höhe nach für richtig oder - wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat - sogar für zu hoch gehalten hat, oder ob andere Träger innerhalb der Zuzahlungsgrenze tatsächlich in der Lage sind, ebenfalls ähnliche Angebote zu machen. Denn ungeachtet dessen hat die Ungleichbehandlung jedenfalls für freie Träger, die entsprechend ihrem autonomen pädagogischen Konzept für Zusatzleistungen über die in Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE festgelegte Grenze hinausgehende Zuzahlungen erheben müssen, erhebliches Gewicht. Wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, sind solche Träger gehalten, entweder aus dem staatlichen Finanzierungssystem auszusteigen oder aber den Betrieb ihrer Einrichtungen an ein allgemein übliches Niveau (hinsichtlich der Inhalte, Methoden und Arbeitsformen) anzupassen, welches - im vorliegenden Fall - vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 AG KJHG BE) und den an der Aushandlung der Rahmenvereinbarung beteiligten übrigen freien Trägern als Normgeber für ausreichend gehalten wird. Damit gewährleistet das Fördersystem des Beklagten aber gerade nicht mehr, dass sich die von einem freien Träger für angebracht gehaltenen pädagogischen Konzepte im Rahmen der öffentlichen Finanzierung nicht nachteilig auswirken. Denn der Grundsatz der Trägerpluralität zielt weder auf eine Majorität der Träger noch auf eine von ihnen erbrachte Durchschnittsleistung und damit auch nicht darauf, was eine Mehrheit oder der Durchschnitt von ihnen an pädagogischen (Zusatz-)Angeboten für erforderlich hält. Erst recht kommt es diesbezüglich nicht auf Ansichten des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe an. Es kommt hinzu, dass sich diese Wirkungen nicht auf diejenigen freien Träger beschränken, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rahmenvereinbarung bereits höhere Zuzahlungen erhoben haben als durch Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE erlaubt. Vielmehr führt die Zuzahlungsgrenze auch dazu, dass künftig freie Träger keine pädagogischen Konzepte mehr entwickeln und einführen können, die einen höheren Finanzbedarf erfordern.

41(bb) Zwar ist zu berücksichtigen, dass auch die mit der Zuzahlungsgrenze verfolgten Ziele von hohem Gewicht sind. Sie soll gewährleisten, dass grundsätzlich alle Kindertagesstättenplätze in Berlin unabhängig von den finanziellen Verhältnissen der Eltern allen Kindern in gleicher Weise zur Verfügung stehen und auf diese Weise deren Chancengleichheit sichern sowie die Berufstätigkeit der Eltern und damit die Verwirklichung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG ermöglichen. Ohne die Zuzahlungsgrenze haben Eltern mit einem hohen Einkommen beim Zugang zu den Plätzen der Klägerin oder mit ihr vergleichbaren freien Trägern zumindest bei sehr hohen Zuzahlungen Konkurrenzvorteile gegenüber Eltern mit geringeren Einkommen. Es kommt hinzu, dass Eltern, die an sich gar kein Interesse an den Zusatzangeboten der Klägerin haben, sich bei einem Nachfrageüberhang veranlasst sehen können, Zuzahlungsregelungen zu akzeptieren nur um einen der knappen Kindertagesstättenplätze zu erlangen. Dies beeinträchtigt in erheblicher Weise nicht nur das Regelungsziel, Kindertagesstättenplätze für Eltern grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung zu stellen, sondern berührt seinerseits auch das Wunsch- und Wahlrecht dieser Eltern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

42(cc) Allerdings kommt im Rahmen der Abwägung, in welche diese Befunde einzustellen sind, dem Umstand ausschlaggebende Bedeutung zu, dass mangels einer Ausnahmeregelung für diejenigen freien Träger, deren pädagogisches Konzept für besondere Trägerleistungen nur mit höheren Zuzahlungen als nach Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE zulässig finanziert werden kann, insbesondere der Grundsatz der Trägerpluralität als Maßstab einer gleichheitsgerechten Ausgestaltung der landesrechtlichen Finanzierungsbestimmungen infolge der Regelungen in § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b und Abs. 4 Satz 3 KitaFöG BE i. V. m. § 7 RV Tag BE insoweit vollständig zurücktreten muss. Dies trifft nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zumindest hinsichtlich des mit ihrem Konzept verbundenen höheren Personalschlüssels auch auf die Klägerin zu (vgl. UA, S. 2, 38). Das stellt eine übermäßige und unzumutbare Belastung für die betroffenen freien Träger dar.

43Dabei ist zwar nicht zu verkennen, dass Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE den von den §§ 3 ff. SGB VIII in den Blick genommenen Belangen der Trägervielfalt insofern Rechnung trägt, als Zuzahlungen für besondere Trägerleistungen bis zu einer Höhe von insgesamt 90 € möglich bleiben. Hierdurch wird das Ziel, ökonomische Hindernisse für den Zugang zu den mit Landesmitteln finanzierten Kindertagesstättenplätzen weitgehend abzubauen, allerdings ebenso relativiert wie mit der Bestimmung in Anlage 10 Abs. 4 zweiter Spiegelstrich RV Tag BE. Nach dieser auf § 23 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 KitaFöG BE beruhenden Bestimmung kann in einer Eltern-Initiativ-Kindertagesstätte auch der vorgesehene Trägeranteil über Zuzahlungen (zusätzlich zu denen nach Anlage 10 Abs. 6 RV Tag BE) erbracht werden. Der Normgeber nimmt insoweit auch mit Blick auf die §§ 3 ff. SGB VIII Rücksicht auf die Besonderheiten, die sich daraus ergeben, dass es sich um Tageseinrichtungen handelt, in denen Eltern die Förderung ihrer Kinder selbst organisieren, und er nimmt damit einhergehende Zuzahlungen (auch erheblich) oberhalb von 90 € in Kauf.

44Demgegenüber führt die Zuzahlungsgrenze nach Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE für solche freien Träger, die für die Durchführung besonderer pädagogischer Angebote zwingend auf höhere Zuzahlungen angewiesen sind, weil eine andere Finanzierung (etwa durch sonstige Förderprogramme) nicht zur Verfügung steht, dazu, dass für diese Träger die Schutzfunktion des Pluralitätsprinzips (und seine Schutzreflexe auf das Wunsch- und Wahlrecht der diese Angebote nachfragenden Eltern) insoweit nicht mehr zum Tragen kommt. Entgegen der von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung fehlt es an dem Erfordernis der Finanzierung besonderer pädagogischer Angebote auch nicht schon deshalb, weil einem freien Träger eine Mittelbeschaffung über einen Förderverein möglich wäre. Weder kann einem freien Träger mit Blick auf sein Selbstbestimmungsrecht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Initiierung eines solchen Vereins abverlangt werden, noch könnte ersichtlich eine solche Finanzierung angesichts des freiwilligen Charakters einer Vereinsmitgliedschaft oder von an den Verein geleisteten Spenden die Erhebung von vertraglich verbindlichen Zuzahlungen in gleich verlässlicher Weise ersetzen.

45Der Senat vermag schließlich nicht zu erkennen, dass in den hier in Rede stehenden Fällen ein insoweit vollständiges Zurücktreten des Grundsatzes der Trägerpluralität mit Blick auf einen etwaigen besonderen Nutzeffekt (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts im Rahmen der Angemessenheitsprüfung: Jarass, in Jarass/​Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 17. Aufl. 2022, Art. 20 Rn. 121; Kluckert, JuS 2015, 116) der Zuzahlungsgrenze für die von ihr verfolgten Ziele als angemessen anzusehen und damit zu rechtfertigen wäre. Belastbare Erkenntnisse über eine relevante Zahl von Fällen, in denen Kindertagesstättenplätze durch hohe Zuzahlungen dem chancengleichen Zugang entzogen werden, lagen dem Beklagten weder vor dem Zustandekommen der Rahmenvereinbarung (vgl. Abgh-Drs. 18/11500) noch entsprechend ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in der Zeit danach vor.

46b) Da nach den obigen Darlegungen (unter 1.) die Rahmenvereinbarung mit den hier in Rede stehenden Bestimmungen, insbesondere der Regelung zur Zuzahlungsgrenze nach Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE, als Normvertrag und damit als untergesetzliche Rechtsnorm anzusehen ist, führt deren Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 3 ff. SGB VIII zu ihrer Unwirksamkeit. Eine mit höherrangigem Recht in Übereinstimmung stehende Auslegung der Vorschrift ist nicht möglich. Dagegen spricht insbesondere ihr eindeutiger Wortlaut sowie der Umstand, dass eine erforderliche Ausnahmeregelung für diejenigen freien Träger, deren pädagogisches Konzept für besondere Trägerleistungen nur mit höheren Zuzahlungen als nach Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE zulässig finanziert werden kann, offensichtlich bewusst nicht vorgenommen wurde, was auch durch die in Anlage 10 Abs. 4 zweiter Spiegelstrich RV Tag BE enthaltene Ausnahmeregelung belegt wird.

47c) Die Unwirksamkeit der Regelung zur Zuzahlungsgrenze nach Anlage 10 Abs. 6 letzter Spiegelstrich RV Tag BE führt zur Rechtswidrigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Kürzung des der Klägerin zustehenden Kostenerstattungsanspruchs. Denn es fehlt infolgedessen an den Voraussetzungen für die vom Beklagten vorgenommenen Auszahlungskürzungen nach § 7 Abs. 2 RV Tag BE, da der vom Beklagten angenommene Verstoß gegen Vorgaben der Rahmenvereinbarung nicht vorliegt. Dies hat zur Folge, dass der mit der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der in der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Kostenerstattungen in voller Höhe besteht.

483. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Prozesszinsen beruht auf den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. § 291 Satz 1 BGB ist auch im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar, wenn das einschlägige Fachgesetz keine gegenteilige Regelung enthält (vgl. 5 C 8.13 - Buchholz 435.12 § 104 SGB X Nr. 4 Rn. 22 m. w. N.). Rechtshängig geworden ist der Anspruch hinsichtlich eines Teilbetrages von 70 000 € mit dem Eingang des Schriftsatzes der Klägerin vom beim Verwaltungsgericht sowie mit einem weiteren Teilbetrag von 30 000 € mit dem Eingang der Berufungsbegründung beim Oberverwaltungsgericht am . Im Übrigen ist seine Rechtshängigkeit mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am eingetreten (§ 261 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:261023U5C6.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-61239