Instanzenzug: Az: I-7 U 42/23vorgehend Az: 1 O 243/21
Gründe
I.
1Die Klägerin macht gegen die Beklagte im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Rechnungslegung, Auszahlung von Gewinnbeteiligungen und gegebenenfalls Schadensersatz aus einem im April 2019 geschlossenen Kooperationsvertrag geltend. Dessen Gegenstand war die Zusammenarbeit beim Verkauf eines Unternehmens, an dem die mittlerweile insolvente S. , eine gemeinsame Schuldnerin der Beklagten und des Geschäftsführers der Klägerin, der Beklagten als Sicherheit für eine Darlehensforderung ein Verwertungsrecht und eine Beteiligung an dem hieraus resultierenden Verkaufserlös eingeräumt hatte (sog. "Penalty Ratchet"); hieran sollte die Klägerin mit 50 % beteiligt werden. Im Mai 2019 wurde der Geschäftsführer der Beklagten zugleich zum Geschäftsführer der S. bestellt.
2Im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung erfolgte die Veräußerung des Unternehmens, die dazu führte, dass alle Insolvenzgläubiger zu 100 % befriedigt werden konnten. Im August 2020 übermittelte die Beklagte der Klägerin eine Übersicht über die aus ihrer Sicht aufgrund der Kooperationsvereinbarung wechselseitig zu zahlenden Beträge. Die Klägerin hält diese für nicht erforderlich und überhöht.
3Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil vom verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,
a) welche Vergütung zwischen der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und der S. auf der Grundlage der Honorarvereinbarung vom 2. Januar/ vereinbart wurde,
b) welche Leistungen von der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH auf der Grundlage der Honorarvereinbarung zwischen der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und der S. vom 2. Januar/ erbracht werden sollten und tatsächlich erbracht wurden,
c) wie die Höhe des von der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Rechnung vom Nr: 0057-2020-00030 (Anlage K 16) abgerechneten Honorars über 5.786.080,00 Euro (brutto) ermittelt wurde, insbesondere ob und ggf. inwieweit und durch wen Zuschläge i.S.v. § 3 InsVV in welcher Höhe und in welchem Umfang angesetzt und wie begründet wurden,
d) welcher Anteil des von der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Rechnung vom Nr: 0057-2020-00030 (Anlage K 16) abgerechneten Honorars über 5.786.080,00 Euro (brutto) auf die Erstellung des Insolvenzplans durch die P. AG Rechtsanwaltsgesellschaft entfallen ist,
e) welche Vergütungen neben der im Antrag zu Ziff. 1 d) genannten Vergütung für die Erstellung des Insolvenzplans von der S. auf welcher vertraglichen Grundlage, zu welchen Konditionen und für welche Tätigkeiten seit dem an die P. AG Rechtsanwaltsgesellschaft gezahlt worden sind,
f) welche Vergütungen neben dem in der Rechnung vom Nr: 0057-2020-00030 (Anlage K 16) abgerechneten Honorar von der S. auf welcher vertraglichen Grundlage, zu welchen Konditionen und für welche Tätigkeiten seit dem an die S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH gezahlt worden sind,
g) welche Vergütung der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Beklagten, Herr G. P. , als Geschäftsführer der S. seit seiner Bestellung im Mai 2019 erhalten hat,
h) ob es weitere schriftliche oder mündliche Vereinbarungen zwischen der S. und der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH bzw. einzelnen Rechtsanwälten bzw. Rechtsanwältinnen der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH über die Vergütung weiterer Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung der S. gab,
i) ob Beträge, die seitens der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH gegenüber der S. in Rechnung gestellt wurden, von der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH an die Beklagte oder deren Alleingesellschafter, Herrn G. P. , bzw. eine Gesellschaft, die sich im unmittelbaren oder mittelbaren Anteilsbesitz der Beklagten oder des Herrn G. P. befindet, teilweise zurückgezahlt bzw. rückvergütet wurden.
4Die hiergegen von der Beklagten erhobene Berufung hat das Oberlandesgericht - nach entsprechendem Hinweis - durch den angefochtenen Beschluss mit der Begründung als unzulässig verworfen, die erforderliche Beschwer gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO werde nicht erreicht. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
5Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
6Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthafte (vgl. etwa Senat, Beschluss vom - III ZB 28/19, NJW-RR 2020, 189 Rn. 4 mwN) sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert.
7Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Durch den angefochtenen Verwerfungsbeschluss wird die Beklagte nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt, welches den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom - III ZB 18/22, NJW-RR 2023, 350 Rn. 3 und 6 und vom aaO Rn. 5).
81. Das Berufungsgericht hat - soweit dies für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Relevanz ist - zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwer der Beklagten bestimme sich nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten, der für sie mit der Auskunftserteilung verbunden sei. Dieser sei auf 30 Stunden zu schätzen, wobei je Stunde nach § 20 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) 4 € anzusetzen seien. Die von der Beklagten angeführten Kosten für die Beratung durch Steuerberater und Anwälte seien nicht zu berücksichtigen. Es liege keine der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Bezugnahme auf Beschluss vom - XII ZB 564/18, NJW 2019, 1752) vergleichbare Konstellation vor, da die Beklagte nicht zur Herausgabe von Belegen verurteilt worden sei. Die Beklagte könne keine Anwaltskosten für die Prüfung, ob sie durch die geforderte Auskunft Geschäftsgeheimnisse der S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH verrate, ansetzen, da Drittbeziehungen keinen unmittelbar aus dem Urteil fließenden rechtlichen Nachteil darstellten und daher bei der Bemessung der Beschwer außer Betracht zu bleiben hätten. Ein Haftungsrisiko sei nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Eine anwaltliche Beratung sei auch nicht insofern erforderlich, als die Beklagte auf Informationen der S. Rechtsanwaltsgesellschaft angewiesen wäre, da die Beklagte dies nicht schlüssig dargelegt habe und kein Anhalt dafür bestehe, dass die S. Rechtsanwaltsgesellschaft Informationen verweigern würde. Insofern sei auch der für die Abstimmung mit Rechtsanwälten von der Beklagten angesetzte Zeitaufwand nicht zu berücksichtigen.
9Anlass für eine Zulassung der Berufung durch das Berufungsgericht, das die Entscheidung hierüber nachzuholen habe, bestehe nicht.
102. Diese Bewertung, die der Senat nur darauf überprüfen kann, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm eröffneten Ermessens (§§ 2, 3 ZPO) überschritten oder dieses fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom - III ZB 57/22, ZEV 2023, 701 Rn. 9; vom aaO Rn. 7; vom - III ZR 70/17, NJW-RR 2018, 697 Rn. 10 und vom - III ZB 37/16, NJW-RR 2017, 1407 Rn. 7; jew. mwN), ist nicht zu beanstanden.
11a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Wert der durch eine erstinstanzliche Verurteilung zur Auskunftserteilung oder Rechnungslegung verursachten Beschwer sich an dem Interesse der verurteilten Partei orientiert, die in Rede stehende Auskunft oder Abrechnung nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, der für die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs erforderlich ist (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom aaO Rn. 10; vom aaO Rn. 8; vom aaO Rn. 9 und vom aaO Rn. 6; , BGHZ 128, 85, 87 ff; jew. mwN). Außer Betracht bleibt das Interesse des Beklagten, die vom Kläger erstrebte und mit der Auskunfts- oder Rechnungslegung vorbereitete Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern oder zu erschweren (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom und vom ; jew. aaO; aaO S. 87 mwN). Zur Bewertung des Zeitaufwands kann grundsätzlich - wie vom Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen - auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes zurückgegriffen werden (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom aaO; vom - III ZR 15/20, juris Rn. 7 und vom - III ZB 55/11, ZEV 2012, 270 Rn. 7; , NJW-RR 2021, 451 Rn. 11; jew. mwN).
12b) Nach diesen Maßstäben hält die angefochtene Entscheidung rechtlicher Prüfung stand.
13aa) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe den Kostenaufwand der Beklagten nicht hinreichend berücksichtigt, indem es unbeachtet gelassen habe, dass die Beklagte nach Buchstaben a), c), d) und h) des Tenors zu einer Auskunftserteilung über die Verhältnisse Dritter verurteilt worden sei.
14Das Berufungsgericht hat den diesbezüglichen Vortrag im Schriftsatz der Beklagten vom , S. 4 bis 6 (unter 2. b), dass ihr für die Erteilung der Informationen ein Kostenaufwand von 12.030 € entstünde, nahezu vollständig im angefochtenen Beschluss wiedergegeben (Seite 4, Abs. 4) und sich hiermit auch inhaltlich rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt. Soweit die Beklagte geltend gemacht hatte, dass bei einer Verurteilung zur Auskunft über die Verhältnisse eines Dritten die Kosten der Rechtsverfolgung als Beschwer zu berücksichtigen seien, hatte sie auf Rechtsprechung (BGH, Beschlüsse vom aaO und vom - XII ZB 465/11, NJW 2011, 3790; , BeckRS 2022, 25703) verwiesen, die die Kosten einer Auskunftsklage gegen den Dritten betraf. Das Berufungsgericht hat dies zu Recht nicht auf den vorliegenden Fall angewendet, da es keine Anhaltspunkte dafür festgestellt und die Beklagte - auch in der Rechtsbeschwerde - solche nicht aufgezeigt hat, dass gegen einen Dritten eine Auskunftsklage oder Klage auf Herausgabe von Belegen erforderlich sein könnte. Entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht nicht darauf abgestellt, dass die Beklagte nicht zur Herausgabe von Belegen verurteilt worden ist, sondern hat sich mit dem (Instanz-)Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt, sie sei durch Kosten für die "Rechtsverfolgung" beschwert.
15Soweit die Beklagte in der Rechtsbeschwerde ausführt, bei der S. -Rechtsanwaltskanzlei und den für sie tätigen Rechtsanwälten handele es sich um sachkundige Hilfspersonen, deren Hinzuziehung erforderlich sei, weil die Auskunftsverpflichtung interne Geschäftsabläufe dieser Rechtsanwaltskanzlei betreffe, wodurch ein höherer Kostenaufwand entstünde (Rechtsbeschwerdebegründung, S. 10), hatte sie dies im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht. Dort hatte die Beklagte ihren zusätzlichen Aufwand damit begründet, sie müsse, da möglicherweise Geschäftsgeheimnisse der Rechtsanwaltskanzlei betroffen seien, zur Vermeidung von Haftungsansprüchen und Weiterungen eine eigene rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend dahin beschieden, dass ein Haftungsrisiko gegenüber einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten - und damit auch der Aufwand, dieses zu vermeiden - bei der Bemessung der Beschwer der zur Auskunftserteilung verurteilten Partei nicht werterhöhend zu berücksichtigen ist, da insofern Drittbeziehungen als reine Fernwirkung außer Betracht zu bleiben haben (vgl. , BeckRS 2019, 6881 Rn. 21 mwN). Hierauf geht die Rechtsbeschwerde nicht ein.
16bb) Dass das Berufungsgericht pro Arbeitsstunde entsprechend § 20 JVEG 4 € angesetzt hat, unterliegt ebenfalls keinen Bedenken (vgl. Senat, Beschluss vom - III ZB 9/23 Rn. 8, 12 f zur Veröffentlichung bestimmt). Soweit die Beklagte auf die Beschlüsse des , BeckRS 13398 Rn. 9), vom (XII ZB 420/11, BeckRS 2012, 8611 Rn. 10) und vom (IV ZR 250/10, FamRZ 2012, 299 Rn. 7) verweist, ergibt sich aus diesen entgegen der Darstellung in der Rechtsbeschwerde nicht, dass stets, sondern vielmehr, dass "maximal" der Stundensatz des § 22 JVEG in Höhe von 17 € anzusetzen ist. Die Voraussetzungen hierfür hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt.
17Die Bemessung des Zeitaufwands mit 30 Arbeitsstunden für die Abrechnungs- und Auskunftserteilung überschreitet die Grenzen des dem Berufungsgericht eröffneten Ermessens ebenfalls nicht. Den eigenen Aufwand der Beklagten für die Beschaffung der Informationen von der Rechtsanwaltskanzlei hat das Berufungsgericht entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde (S. 11, Abs. 1) berücksichtigt. Zu Recht hat es zudem aus den unter aa) ausgeführten Gründen den Zeitaufwand für die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung für unerheblich gehalten. Im Übrigen bringt die Rechtsbeschwerde gegen den angesetzten Zeitaufwand keine konkreten Einwände vor. Sie zeigt insbesondere keine Anhaltspunkte dafür auf, dass das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen hätte, dass die Auskunft der Beklagten - angesichts des Gegenstandswerts der dritten Stufe der Klage - "sorgfältig und umfassend abgesichert sein" muss. Da die Beklagte (auch) diesen Gesichtspunkt erstmals in der Rechtsbeschwerdeschrift angesprochen hat und es sich ohnehin um eine Selbstverständlichkeit handelt, bestand für das Berufungsgericht auch keine Verpflichtung, ihn in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich zu bescheiden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250124BIIIZB41.23.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-61218