Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 1 KLs 27/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen Erpressung unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einem früheren Urteil zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Einziehung „von Wertersatz“ in Höhe von 18.500 Euro angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.4 der Urteilsgründe wies der Geschädigte den Angeklagten auf die Möglichkeit eines Diebstahls von Altmetall beim Arbeitgeber des Geschädigten hin. Als der Geschädigte später von dem Vorhaben Abstand nahm, gab der Angeklagte vor, dass er und seine Hintermänner bereits Aufwendungen für die Vorbereitung der Tat gehabt hätten, und forderte den Geschädigten auf, für diese Aufwendungen aufzukommen. Um ihn zur Zahlung zu bewegen, baute der Angeklagte durch häufige Text- und Sprachnachrichten eine Drohkulisse auf und drohte dabei damit, den Arbeitsplatz des Geschädigten zu zerstören. In der Folgezeit tätigte der Geschädigte aus Angst vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes auf Geheiß des Angeklagten Zahlungen in Höhe von insgesamt 18.500 Euro.
II.
3Die Verurteilung wegen Erpressung gemäß § 253 StGB kann keinen Bestand haben, weil die Beweiswürdigung zu Fall II.4 der Urteilsgründe an durchgreifenden Darstellungsmängeln leidet.
41. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts und als solche vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt aber nicht, wenn sie – wie hier – lückenhaft ist. § 261 und § 267 StPO verpflichten das Tatgericht, in den Urteilsgründen darzulegen, dass seine Überzeugung von den die Anwendung des materiellen Rechts tragenden Tatsachen auf einer umfassenden, von rational nachvollziehbaren Überlegungen bestimmten Beweiswürdigung beruht. Das Tatgericht ist – über den Wortlaut des § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO hinaus – verpflichtet, die wesentlichen Beweiserwägungen in den Urteilsgründen so darzulegen, dass seine Überzeugungsbildung für das Revisionsgericht nachzuvollziehen und auf Rechtsfehler zu überprüfen ist. Die Wiedergabe einer Zeugenaussage und deren Würdigung sind danach geboten, wenn sich deren Erörterung als wesentlicher Gesichtspunkt aufdrängte (vgl. Rn. 6; Urteil vom – 4 StR 434/16 Rn. 8, jeweils mwN).
52. Diesen Darlegungsanforderungen werden die Urteilsgründe im Fall II.4 nicht gerecht.
6a) Der Angeklagte hat sich zu diesem Tatvorwurf nicht eingelassen. Das Landgericht hat seine Feststellungen auf die als glaubhaft bewerteten Angaben des Geschädigten gestützt, der den Sachverhalt wie festgestellt geschildert habe. Neben einer knappen Würdigung der Aussage des Geschädigten hat das Landgericht seine Überzeugung damit begründet, dass die Angaben des Geschädigten von seinem Vater und dem Polizeibeamten, der den Geschädigten zeugenschaftlich vernommen hat, sowie durch die umfangreichen verlesenen Chatnachrichten bestätigt worden seien.
7b) Ob diese Überlegungen des Landgerichts rechtsfehlerfrei sind, kann der Senat nicht überprüfen. Die mitgeteilte Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil es das Landgericht unterlassen hat darzulegen, in welchen Punkten die weiteren Zeugen und sonstigen Beweismittel die Angaben des Geschädigten zum Tatgeschehen bestätigt haben bzw. zu einer derartigen Bestätigung überhaupt in der Lage gewesen sind. Das Urteil teilt das insoweit gewonnene Beweisergebnis nicht einmal in Ansätzen mit. Dies war hier aber unerlässlich, denn auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann hierzu nichts hergeleitet werden.
83. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.4 der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe und der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß §§ 73, 73c StGB, die allein das bei dieser Tat durch den Angeklagten Erlangte betrifft, die Grundlage.
94. Die Nachprüfung des Urteils hat im Übrigen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180124B4STR411.23.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-61141