Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 20 KLs 37/21
Gründe
1Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht den Angeklagten C. M. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei weiteren tateinheitlich zusammentreffenden Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten D. M. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
2Die Angeklagten wenden sich mit ihren unbeschränkt eingelegten und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Die Revisionen erzielen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und führen hinsichtlich des Angeklagten C. M. zu einer Schuldspruchänderung sowie hinsichtlich beider Angeklagter ‒ nach Beschränkung des Verfahrens gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO aus Gründen der Prozessökonomie ‒ zu einer Herabsetzung der Einziehungsentscheidungen. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
31. Die Revision des Angeklagten C. M. führt zu einer Schuldspruchänderung und zur Herabsetzung der Einziehungsentscheidung.
4a) Die konkurrenzrechtliche Bewertung im Fall I.14 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt nicht Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB), sondern Tateinheit vor (§ 52 Abs. 1 StGB). Dies führt zum Wegfall der Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und lässt die Gesamtstrafe unberührt. Insoweit hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:
„Nach ständiger Rechtsprechung verwirklicht der gleichzeitige Besitz verschiedenartiger Betäubungsmittel den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal (vgl. ; Beschluss vom – 1 StR 87/82, StV 1982, 525; Urteil vom – 1 StR 65/97, NStZ-RR 1997, 227; Urteil vom – 3 StR 375/03, NStZ-RR 2004, 146, 148; Beschluss vom – 4 StR 358/04, NStZ 2005, 228). Gegenüber dem täterschaftlich begangenen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt er zurück (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 42, 162, 165 f.; Beschluss vom – 3 StR 352/08, NStZ-RR 2009, 58). Er hat deshalb mangels Wertgleichheit nicht die Kraft, selbständige, die Voraussetzungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllende Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge untereinander zur Tateinheit zu verbinden (vgl. , BGHSt 42, 162, 166). Beim Zusammentreffen von täterschaftlichem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge behält der Besitz aber einen eigenen Unrechtsgehalt und tritt nicht zurück, es besteht vielmehr Tateinheit (st. Rspr.; u.a. , NStZ-RR 2009, 58). Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln hat in diesen Fällen demgemäß auch die Kraft, an sich selbständige Fälle der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Tateinheit zu verklammern (, juris Rn. 9).
Nach diesem Maßstab hat sich der Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht. Denn er übte den Besitz an dem – wenn auch an einem anderen Ort gelagerten – Kokain gleichzeitig mit dem (Mit-)Besitz an den drei vorangegangenen Marihuanalieferungen bzw. Restbeständen hiervon aus. Zu einer Bewertungseinheit (vgl. hierzu , juris Rn. 4 mwN), die zur Annahme nur einer (Haupt-)Tat hinsichtlich der insgesamt vier Betäubungsmittellieferungen führte, drängen die Feststellungen hingegen nicht. Denn weder bieten sie hinreichende Anhaltspunkte für einen einheitlichen Erwerbsvorgang noch wurden sie – über die gleichzeitige Verwahrung hinaus – zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat zusammengeführt. Der Senat kann den Schuldspruch selbst ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Des Zusatzes „unerlaubt“ bedarf es nicht (, juris Rn. 10 mwN).
[…] Die Schuldspruchänderung bedingt den Wegfall der Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Der Strafausspruch kann gleichwohl Bestand haben. Eingedenk der Einsatzstrafe von vier Jahren und der einbezogenen Einzelstrafen von zwei Jahren und zwei Jahren und drei Monaten kann ausgeschlossen werden, dass die Kammer bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Beurteilung auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte, zumal der Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat unverändert bleibt.“
5b) Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen wird durch die Feststellungen nicht in voller Höhe getragen.
6aa) Den Urteilsgründen kann auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht zweifelsfrei entnommen werden, dass der Angeklagte ‒ über den für die Veräußerung des Kokains erlangten Betrag von 4.000 € hinaus ‒ etwas im Sinne der §§ 73 Abs. 1, 73c StGB erlangt hat. Daher kann die Einziehung „von Wertersatz“ in Höhe von 87.063 € sowie weiterer 33.000 € unter Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung nicht bestehen bleiben. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts sieht der Senat aus Gründen der Prozessökonomie zur Vermeidung einer erneuten Urteilsaufhebung gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO über den festgestellten und tragfähig belegten Betrag von 4.000 € hinaus, für den der Angeklagte als Gesamtschuldner haftet, von einer weiteren Einziehung des Wertes von Taterträgen ab.
7bb) Zudem bedarf die Einziehungsentscheidung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO der Korrektur, weil das Landgericht auf eine einheitliche Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der Summe der Einziehungsbeträge aus dem einbezogenen und dem angefochtenen Urteil hätte erkennen müssen (vgl. ‒ 4 StR 157/23 Rn. 4 mwN; Beschluss vom ‒ 4 StR 477/18 Rn. 17 f.).
82. Die Revision des Angeklagten D. M. hat ebenfalls nur einen geringen Teilerfolg und führt zur Herabsetzung der Einziehungsentscheidung. Den Urteilsgründen kann nicht zweifelsfrei entnommen werden, dass der Angeklagte über den Betrag von 10.000 € hinaus Mitverfügungsgewalt an den Betäubungsmittelerlösen erlangt hat. Weiter gehende Feststellungen sind weder getroffen noch beweiswürdigend belegt. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts sieht der Senat zur Vermeidung einer erneuten Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von einer weiteren Einziehung ab.
93. Die Revision des Angeklagten C. M. hat im zweiten Rechtsgang einen nur geringen Teilerfolg. Deshalb erscheint es nicht unbillig, ihn mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). Weiterhin wird gemäß § 74, § 109 Abs. 2 Satz 1 JGG davon abgesehen, dem Angeklagten D. M. die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180124B4STR233.23.0
Fundstelle(n):
FAAAJ-61136