Revision im Strafverfahren: Nachprüfbarkeit der Nichtanordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Gesetze: § 246a Abs 1 S 2 StPO, § 349 Abs 4 StPO, § 64 StGB
Instanzenzug: LG Mannheim Az: 5 KLs 806 Js 36539/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen und von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen.
2Die auf die Rüge der Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
31. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
42. Die Entscheidung, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB abzusehen, hält hingegen sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen.
5Die Strafkammer ist unter Bezugnahme auf das „überzeugende und nachvollziehbare Gutachten“ des Sachverständigen davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Taten aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat und von ihm jedenfalls keine erheblichen Straftaten, sondern allenfalls der Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln, zu erwarten sind. Den wesentlichen Inhalt des Gutachtens hat sie jedoch nicht mitgeteilt. Damit ist dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Gründe für das Absehen von der Unterbringung nicht möglich.
6Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. z.B. Rn. 8 mwN); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
7Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:100124B1STR349.23.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-60609