BGH Beschluss v. - XII ZB 572/23

Gesetze: § 1832 Abs 1 S 1 BGB, § 1832 Abs 2 BGB, § 312 Nr 4 FamFG, § 329 Abs 1 S 2 FamFG

Instanzenzug: Az: XII ZB 572/23 Beschlussvorgehend LG Stendal Az: 25 T 82/23vorgehend AG Burg Az: 63 XVII 155/22

Gründe

I.

1Der nach § 63 StGB untergebrachte Betroffene wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die gerichtliche Einwilligung in eine Zwangsbehandlung durch zweimalige intramuskuläre Verabreichung einer Depotspritze (Wirkstoff Aripiprazol) im Zeitraum vom bis zum .

2Bei noch laufender (bis zum verlängerter) Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde hatte der Betroffene beantragt, die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts aufzuheben. Nachdem der Senat diesen Antrag durch Beschluss vom zurückgewiesen hatte, hat der Betroffene ihn mit Schriftsätzen vom 11. und näher begründet. Zudem hat er eine Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom erhoben.

II.

3Die Gegenvorstellung hat keinen Erfolg. Das Vorbringen in den Schriftsätzen vom 11. und gibt zu einer vom Senatsbeschluss vom abweichenden Beurteilung im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung (vgl. - InfAuslR 2018, 99 Rn. 8) keinen Anlass.

41. Der Betroffene macht geltend, das Beschwerdegericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Zwangsbehandlung geeignet im Sinne von § 9 a Abs. 1 Nr. 4 des Maßregelvollzugsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt in der Fassung vom (GVBl. LSA S. 120 - MVollzG LSA) sei, die damit angestrebte Entlassungsfähigkeit zu erreichen. Zwar habe es ausgeführt, die tägliche Behandlung des Betroffenen mit 20 mg Aripiprazol (oral) im Zeitraum vom bis zum habe zu einer Verbesserung seines Zustands geführt. Es habe jedoch nicht ausreichend festgestellt, dass bereits die zweimalige Verabreichung einer Depotspritze bewirken werde, dass sich der Betroffene dauerhaft einer Therapie unterziehen und die begleitende medikamentöse Behandlung auf Dauer akzeptieren werde. Auch stehe nicht fest, dass der Betroffene die medikamentöse Behandlung und begleitende Therapie in Freiheit fortsetzen werde, so dass die Zwangsbehandlung nicht geeignet sei, seine Entlassungsfähigkeit zu bewirken oder auch nur zu fördern.

5Die Geeignetheit einer Zwangsbehandlung erfordert indes nicht, dass das mit ihr verfolgte Ziel der Erreichung der Entlassungsfähigkeit sicher vorherzusehen ist, sondern sie ist schon dann anzunehmen, wenn dieses Ziel grundsätzlich erreicht oder zumindest gefördert werden kann, also wenn die Zwangsmedikation zu einer deutlichen Verbesserung der Entlassungsaussichten führt (vgl. BVerfGE 128, 282 = FamRZ 2011, 1128 Rn. 57). Dies dürfte nach den Feststellungen des - sachverständig beratenen - Beschwerdegerichts der Fall sein, weil (nur) die Zwangsmedikation die Chance bietet, dass der Betroffene erfolgreich an psychotherapeutischen und komplementären Behandlungsmaßnahmen teilnimmt, was Voraussetzung für Lockerungsmaßnahmen und eine spätere Entlassung ist.

6An der Geeignetheit der Zwangsbehandlung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die lediglich zweimalige Verabreichung einer Depotspritze nicht ausreichend sein könnte, um eine regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme des Betroffenen an psychotherapeutischen und komplementären Behandlungsmaßnahmen zu erreichen. Nach §§ 138 Abs. 4, 121 b Abs. 1 Satz 2 StVollzG iVm §§ 312 Nr. 4, 329 Abs. 1 Satz 2 FamFG darf die gerichtliche Einwilligung in eine Zwangsbehandlung die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten, so dass die Maßnahme gegebenenfalls (mit gerichtlicher Einwilligung) zu verlängern ist.

72. Auch ist die Erforderlichkeit der Zwangsbehandlung entgegen der Auffassung des Betroffenen nicht deshalb in Zweifel zu ziehen, weil er zu Zeiten, in denen er nicht medikamentös behandelt wurde, „immer wieder seine Bereitschaft bekundet hat, am Vollzugsziel mitzuarbeiten und therapeutische Angebote nutzen zu wollen“. Denn diesbezüglich hat das Beschwerdegericht ausgeführt, die vom Betroffenen signalisierte Kooperationsbereitschaft habe keine Früchte getragen. Er verbringe die meiste Zeit im Bett und nehme nur selten an stationären Behandlungsangeboten (wie Morgenrunden) teil. Psychotherapeutische Einzelgespräche führe er nicht. Der Betroffene beteuere zwar seine Bereitschaft, an komplementären Therapien teilzunehmen, aber er könne dies aufgrund seiner Erkrankung nicht umsetzen, so dass es bei Absichtsäußerungen bleibe.

83. Schließlich moniert der Betroffene, das Beschwerdegericht habe nicht festgestellt, ob vor der gerichtlichen Einwilligung in die Zwangsmaßnahme in ausreichendem Maße versucht worden sei, ihn nach § 9 a Abs. 1 Nr. 7 MVollzG LSA von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu der Maßnahme zu erreichen. Es habe insoweit lediglich ausgeführt, dass die behandelnden Ärzte im Rahmen der Unterbringung wiederholt mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck versucht hätten, ein Einverständnis des Betroffenen zu der Maßnahme zu erreichen. Zu Zeitpunkt, äußerem Rahmen, konkreten Beteiligten, Umfang und Inhalt des Überzeugungsversuchs lasse sich dem Beschluss indessen nichts entnehmen, so dass eine rechtliche Überprüfung, ob den Vorgaben des § 9 a Abs. 1 Nr. 7 MVollzG LSA entsprochen worden ist, nicht möglich sei (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 169/14 - FamRZ 2014, 1694 Rn. 16 zu § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF).

9Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung erscheinen die instanzgerichtlichen Feststellungen zum Überzeugungsversuch noch ausreichend. Insbesondere der vom Landgericht in Bezug genommene Beschluss des Amtsgerichts enthält hierzu Ausführungen, die angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls hinreichend sein dürften.

10Somit besteht auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Betroffenen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass dessen Rechtsbeschwerde Erfolg haben wird, weshalb eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses nicht in Betracht kommt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300124BXIIZB572.23.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-60410