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BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 33/23

Zulässigkeit der Ersatzeinreichung einer Berufungszulassungsschrift

Gesetze: § 55d S 1 VwGO, § 55d S 3 VwGO, § 55d S 4 VwGO, § 60 Abs 2 VwGO, § 125 Abs 1 S 1 VwGO, § 112e S 2 BRAO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Berlin Az: II AGH 9/22

Gründe

I.

1Der Kläger ist seit dem Jahr 2007 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom abgewiesen.

2Mit am in Schriftform beim Anwaltsgerichtshof eingereichten Schriftsatz vom selben Tage hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das ihm nach eigenen Angaben am zugestellte Urteil beantragt und diesen Antrag mit am per Telefax an den Bundesgerichtshof übersandten Schriftsatz vom selben Tage begründet. Beiden Schriftsätzen war eine eidesstattliche Versicherung des Klägers beigefügt, in der er erklärt hat, dass die Übermittlung eines elektronischen Dokuments nicht möglich gewesen sei, weil seine Legitimationskarte von dem Kartenlesesystem bzw. beim Online-Log-In nach Updates für den beA Client Security nicht erkannt worden sei.

II.

3Der statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen, weil es jedenfalls an einer formgerechten Begründung des Zulassungsantrags vor Ablauf der Begründungsfrist am (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) fehlt.

41. Nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO waren sowohl der Antrag auf Zulassung der Berufung als auch die Antragsbegründung grundsätzlich als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte weder der in Schriftform beim Anwaltsgerichtshof eingereichte Antragsschriftsatz noch die Übersendung der Antragsbegründungsschrift per Telefax an den Bundesgerichtshof.

52. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 3 VwGO hat der Kläger jedenfalls hinsichtlich der Antragsbegründung nicht dargetan und glaubhaft gemacht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, 55d Satz 4 VwGO).

6a) Nach § 55d Satz 3 VwGO ist eine Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei spielt es nach der Gesetzesbegründung zwar keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Möglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder - wie hier nach dem Vortrag des Klägers - in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist, weil auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen soll. Durch die Einschränkung "aus technischen Gründen" und "vorübergehend" wird jedoch klargestellt, dass professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen (so RegE eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten, BT-Drucks. 17/12634, S. 28 zur Parallelvorschrift des § 130d ZPO; siehe auch OVG Münster, MDR 2022, 1368, 1369 [zu § 55d VwGO] sowie [zu § 130d ZPO] Kern in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 130d Rn. 7).

7b) Danach kommt hier auch nach dem Vorbringen des Klägers jedenfalls bei der Ersatzeinreichung der Antragsbegründung die Annahme einer nur vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument im Sinne von § 55d Satz 3 VwGO nicht in Betracht.

8aa) Es ist bereits fraglich, ob der eidesstattlich versicherte Vortrag des Klägers zur Ersatzeinreichung des Zulassungsantrags am für die Darlegung einer nur vorübergehenden technischen Unmöglichkeit ausreicht. Der Kläger hat hierzu angegeben, dass eine elektronische Einreichung bis zum nicht möglich gewesen sei, weil seine Legitimationskarte "nach dem letzten Update für den beA Client Security am beim Online-Log-In nicht mehr erkannt" worden sei. Demnach war dem Kläger die Störung bereits seit mehreren Tagen bekannt, ohne dass er angegeben hat, ob und ggf. welche Maßnahmen er dagegen unternommen habe.

9bb) Unabhängig davon lag aber auch nach dem Vortrag des Klägers jedenfalls bei der Ersatzeinreichung der Antragsbegründung am keine nur vorübergehende technische Unmöglichkeit im Sinne von § 55d Satz 3 VwGO vor.

10Diesbezüglich hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom ausgeführt, er habe den "Antrag auf Zulassung der Berufung bis zum 19. [sic] September 2023" aus technischen Gründen nicht per beA übersenden können, "weil die Legitimationskarte seit den letzten beiden Updates (letztes Update ausgeführt am [sic]) für den beA Client Security beim Online-Log-In nicht mehr erkannt" werde. Die Karte sei nicht lesbar und müsse von ihm neu beantragt werden.

11Danach ist davon auszugehen, dass der Zugang des Klägers zum beA am bereits seit mehreren Wochen, nämlich seit dem vorletzten Update am , nicht mehr funktionierte und dem Kläger dies bekannt war. Dass er versucht habe, Abhilfe zu schaffen, hat der Kläger auch hier nicht dargetan. Nach seinem weiteren Vortrag in der Antragsbegründung ist vielmehr davon auszugehen, dass er keine Maßnahmen gegen die Störung ergriffen hat, da er dort angegeben hat, entsprechende Zugangsprobleme seien auch schon in der Vergangenheit aufgetreten, allerdings sei der Zugang dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder unproblematisch möglich gewesen, weswegen er sich entschieden habe, den Vorgang kurz vor Fristablauf noch einmal zu versuchen. In Anbetracht dessen kommt die Annahme einer nur vorübergehenden technischen Störung jedenfalls am nicht (mehr) in Betracht.

12c) Dass der Anwaltsgerichtshof die Ersatzeinreichung der Klageschrift am aufgrund der damaligen eidesstattlich versicherten Schilderung des Klägers, in der er ebenfalls angegeben hatte, dass seine Zugangskarte nicht erkannt worden sei, für zulässig erachtet hat, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Ungeachtet der Frage, ob der Bewertung des Anwaltsgerichtshofs zu folgen wäre, war dem damaligen Vorbringen des Klägers - anders als hier - nicht zu entnehmen, dass bzw. ob es sich um eine seit mehreren Wochen andauernde Störung handelte, ohne dass der Kläger versucht hätte, Abhilfe zu schaffen.

13d) Eine Wiedereinsetzung des Klägers in den vorigen Stand gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 60 VwGO kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass es dafür an der nach § 60 Abs. 2 VwGO gebotenen Nachholung der versäumten Rechtshandlung fehlt, war das Versäumnis des Klägers auch nicht unverschuldet. Diesem mussten als Rechtsanwalt die gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ersatzeinreichung gemäß § 55d Satz 3 und 4 VwGO bekannt sein, so dass ihn auch ein etwaiger diesbezüglicher Rechtsirrtum nicht entlasten würde (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647 Rn. 20; vom15. Dezember 2022 - III ZB 18/22, NJW-RR 2023, 350 Rn. 9 und vom26. Januar 2023 - V ZB 11/22, FamRZ 2023, 1045 Rn. 24 ff.). Ein Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit der Ersatzeinreichung noch vor Ablauf der Begründungsfrist am war danach ebenfalls nicht geboten, zumal dem Kläger nach seinem eigenen Vorbringen auch keine formgerechte Einreichung vor Fristablauf mehr möglich gewesen wäre.

III.

14Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:151223BANWZ.BRFG.33.23.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-60406