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NWB-EV Nr. 3 vom Seite 84

Aktuelle politische Reformanstöße – die Erbschaftsteuer im Wandel?

Eine Betrachtung der politischen Stimmungslage

Luca Cornelius, Hasan Alp Karadeniz und Theresa Mark

In Zeiten politischer Überlegungen betreffend die Einführung von Vermögensabgaben oder Vermögensteuern aufgrund einer zunehmenden Verschiebung zwischen Einkommen und Vermögen ergeben sich auch Stimmungsbilder, welche eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer fordern. Dies ist nicht verwunderlich und auch nicht neu, da bereits in der Vergangenheit immer wieder Stimmen in Politik und Gesellschaft aufgekommen sind, welche eine grundlegende Reform der Erbschaftsteuer gefordert haben. Oft ins Feld geführte Ausführungen beziehen sich hierbei auf eine Mehrabführung durch die „reichsten 1 %“ der Gesellschaft und Probleme bei hohen Begünstigungen von Betriebsvermögen. Entgegengebrachte Argumente greifen hier oft die Problematik der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen über Generationen auf und sehen eine Belastung bereits als sehr hoch gegeben an.

Dieser Beitrag beschäftigt sich daher auf der Grundlage der untersuchten Daten und Fakten unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit den verschiedenen politischen Stimmungsbildern und betrachtet die Wahrscheinlichkeit einer Erbschaftsteuerreform in den nächsten Jahren.

Kernaussagen
  • Einkommen und Vermögen weichen immer mehr voneinander ab. Daher werden Stimmen zur Abschaffung von „Privilegierungen“ und „Subventionen“ immer deutlicher.

  • Das meiste Volumen der Schenkungen und Erbschaften liegt unter den Freibeträgen.

  • Die Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen folgen dem Gedanken der Unternehmensnachfolge und unterlagen bereits mehrmals einer verfassungsrechtlichen Überprüfung des Bundesverfassungsgerichts.

  • Eine Reform der Erbschaftsteuer ohne ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts erscheint vor dem Hintergrund nicht politischer Mehrheiten nicht sinnvoll.

I. Ausgewählte Fakten zur erbschaft- und schenkungsteuerlichen Ertragslage

Laut dem Statistischen Bundesamt hat die Finanzverwaltung im Jahr 2022 in Deutschland Vermögensübertragungen durch Erbschaften und Schenkungen i. H. von 101,4 Mrd. € veranlagt. Somit war ein Rückgang im Vergleich zu 2021 um 14 % zu verzeichnen. Bei dem verschenkten Vermögen verhielt es sich ähnlich. Auch hier war ein Rückgang zu verzeichnen, welcher jedoch deutlich höher ausfiel als bei dem vererbten Vermögen – 41,7 Mrd. € Aufkommen an verschenktem Vermögen.

Ein besonders starker Rückgang war vor allem beim verschenktem Betriebsvermögen ausschlaggebend – ein Rückgang um ganze 53,7 % laut Statistischem Bundesamt. Mögliche Auswirkungen, welche noch durch die Corona-Krise und die damit verbundene Unsicherheit gezeichnet sein könnten. Hiermit war auch oftmals ein Investitionsrückgang verbunden. Wie die Entwicklung im aktuellen Jahr 2024 daher aussehen wird, bleibt abzuwarten.

Bei dem durch Erbschaften und Vermächtnisse übertragenen Vermögen lassen sich insbesondere statistisch folgende Zahlen erkennen: vererbtes übriges Vermögen (29,6 Mrd. €; -14,3 % zum Vorjahr) wie Bankguthaben, Wertpapiere, Anteile und Genussscheine und Grundvermögen mit 23,7 Mrd. € (-0,8 %). Bemerkenswert hierbei ist, dass die meisten verschenkten und vererbten Vermögen statistisch nicht erfasst werden. Es ist daher von einer deutlich höheren Dunkelziffer auszugehen. Schätzungen zufolge werden derzeit jährlich bis zu 400 Mrd. € vererbt und verschenkt. Durch die Tatsache, dass die meisten Schenkungen und Erbschaften unter den Freibeträgen liegen, werden die Erklärungen durch die Verwaltung oftmals gar nicht erst angefordert.

Legt man diese Werte zu Grunde und folgt man verschiedenen Auffassungen zu einer effektiven Steuerbelastung, so ergibt sich eine solche von rund 2,7 bis 3 %. S. 85

Beachtlich ist hierbei jedoch, dass sich die Kosten für die Erhebung der Erbschaftsteuer bereits in den 90er Jahren – ohne die gesonderte Grundstücksbewertung wie wir sie heute kennen – auf ein Drittel der Einnahmen beliefen. Eine Entwicklung, welche auch bei der Einführung einer Vermögensabgabe oft diskutiert wurde, da bekanntlich nicht die Erbschaftsteuerveranlagung per se, sondern die Erfassung und Bewertung der zu Grunde liegenden Vermögenswerte (Bewertungsebene) den Großteil des Verwaltungsaufwandes ausmacht. Dies hat sich jedoch durch Verfahrensautomatisierungen etwas zum Positiven verändert.

In der Übersicht ist dargestellt, in welcher Höhe die Freibeträge heute liegen würden, wenn sie seit 2010 jährlich an die allgemeine Preissteigerung oder an die Preissteigerung bei Immobilien angepasst worden wären. Bei der Orientierung an der allgemeinen Preisentwicklung (Verbraucherpreisindex) lägen die Freibeträge heute um rund ein Viertel über dem tatsächlichen Niveau. Unabhängig hiervon kann der Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamtes herangezogen werden, um die Preissteigerungen bei Immobilien abzubilden. Hier lägen die Freibeträge gar um mehr als 85 % über dem tatsächlichen Niveau.

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Seiten: 3
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