Suchen
BGH Urteil v. - VIa ZR 796/22

Instanzenzug: Az: I-34 U 62/21vorgehend Az: 16 O 211/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2 wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger erwarb im Oktober 2019 bei der früheren Beklagten zu 1 (Verkäuferin) einen von der Beklagten zu 2 hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz E 350 BLUETEC 4MATIC, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" temperaturabhängig gesteuert.

3Der Kläger, dessen Klage in beiden Instanzen erfolglos geblieben ist, hat die Beklagten zuletzt als Gesamtschuldner auf Zahlung in Höhe des Kaufpreises abzüglich des Werts gezogener Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs in Anspruch genommen und wegen einer ursprünglich höheren Forderung den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz in Bezug auf die Beklagte zu 2 weiter.

Gründe

4Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Der Kläger habe gegen die Beklagte zu 2 keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB. Er benenne weder greifbare Anhaltspunkte für die Implementierung einer Prüfstandserkennung im Fahrzeug noch für sonstige Umstände, die den Vorwurf einer besonders verwerflichen Handlung der Beklagten zu 2 trügen. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV habe der Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2. Bei den Bestimmungen handele es sich nicht um Schutzgesetze.

II.

7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

81. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 2 aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 2 nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

10Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten zu 2 wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

11vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 10 ff., 33 f.).

12Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. die erforderlichen

C. Fischer                                  Möhring                                  Krüger

                               Wille                               Liepin

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:060224UVIAZR796.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-60186