Zur Inanspruchnahme als Duldungsverpflichteter bei Gesamtrechtsnachfolge einer GmbH & Co. KG
Leitsatz
1. Bei berechtigter Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz kann ein Anspruch auf Duldung der Vollstreckung auch gegenüber einem
Gesamtrechtsnachfolger geltend gemacht werden.
2. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Duldungsverpflichteten ist zweigliedrig aufgebaut, wobei auf der ersten
Stufe geprüft wird, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, wobei der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt des Schlusses
der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht zu Grunde zu legen ist. Auf der zweiten Stufe wird die Ermessensausübung
vorgenommen, wobei es auf die tatsächliche und rechtliche Situation im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt.
3. Bei einer GmbH & Co. KG tritt eine liquidationslose Vollbeendigung unter Gesamtrechtsnachfolge des einzig verbliebenen
Gesellschafters ein, wenn über das Vermögen der vorletzten Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
4. Der Eintritt in eine bestehende Gesellschaft setzt einen Aufnahmevertrag mit sämtlichen vorhandenen Gesellschaftern und
den Beitretenden voraus.
5. Der Eintritt in eine grundbesitzende Gesellschaft bedarf als Erwerb einer Mitgliedschaft keiner notariellen Beurkundung.
6. Für die rechtliche Wirksamkeit der Aufnahme eines Gesellschafters in eine Personengesellschaft bedarf es keiner Handelsregistereintragung.
7. Für die Besteuerung ist der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt entscheidend. Wenn die Gesellschafter die Vereinbarungen
im Vertrag über den Beitritt eines Gesellschafters tatsächlich vollzogen haben, kommt es auf die evtl. Unwirksamkeit des Vertrags
nicht an.
8. Die Entstehung des Steueranspruchs ist ein Vorgang außerhalb des Geschäftsverkehrs und wird auch nicht dadurch zu einem
Akt des Geschäftsverkehrs, dass das Finanzamt bei der Verfolgung des Steueranspruchs möglicherweise durch die Handelsregistereintragung
beeinflusst werden könnte.
9. Die Publizitätsfunktion des Handelsregisters ist für die Entstehung von Duldungspflichten nach dem Anfechtungsgesetz ohne
Bedeutung, weil die Duldungspflichten allein kraft Gesetzes entstehen.
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FG Münster, Urteil v. 15.12.2023 - 12 K 3001/21 AO
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