Gründe
1Die Jugendschöffengerichte der Amtsgerichte Gießen und Ellwangen (Jagst) streiten um die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung in einer Jugendstrafsache.
I.
2Die Staatsanwaltschaft Gießen hat am beim Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Gießen Anklage gegen den vormals in L. wohnhaften Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erhoben. Das Amtsgericht Gießen hat – ohne zuvor über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden – mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft am beschlossen, das Verfahren gemäß „§ 42 Abs. 3“ JGG an das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Ellwangen (Jagst) abzugeben. Zur Begründung hat es lediglich ausgeführt, dass der „Angeklagte“ seinen Wohnsitz nunmehr im dortigen Bezirk habe. Dem vorangegangen war eine Mitteilung des Verteidigers, wonach der Angeschuldigte „bis auf Weiteres“ „im C. “ aufgenommen worden sei.
3Das Amtsgericht Ellwangen (Jagst) hat Bedenken gegen die Übernahme des Verfahrens und hat die Sache mit Beschluss vom gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
41. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht des Amtsgerichts Gießen (Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main) und des Amtsgerichts Ellwangen (Jagst) (Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart) für die Entscheidung gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG zuständig.
52. Der Abgabebeschluss des Amtsgerichts Gießen vom ist aus mehreren Gründen aufzuheben. Für die Verhandlung und Entscheidung ist weiterhin das Amtsgericht Gießen zuständig.
6Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom u.a. ausgeführt:
„Der Abgabe steht bereits entgegen, dass über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht entschieden worden ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom – 2 ARs 158/58, NJW 1959, 1834 [1836]; vom – 2 ARs 432/13, juris Rn. 1).
Im Übrigen steht nicht fest, ob der Wohnsitz des Angeklagten im Amtsgerichtsbezirk Ellwangen/Jagst liegt. C. befindet sich im Amtsgerichtsbezirk Bad Mergentheim (vgl. https://www.justizadressen.nrw.de/de/justiz/gericht?ang=zivil&plzort=97993).
Abgesehen davon hat die Abgabeentscheidung auch deshalb keinen Bestand, weil das Amtsgericht Gießen die Abgabe an das Amtsgericht Ellwangen/Jagst allein mit dem Umstand begründet hat, dass der Angeklagte nunmehr im dortigen Bezirk wohne. Dem Abgabebeschluss lässt sich nicht entnehmen, ob dem Amtsgericht Gießen bewusst gewesen ist, dass eine Abgabeentscheidung gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG im pflichtgemäßen Ermessen steht, und es sein Ermessen entsprechend ausgeübt hat (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 ARs 200/21, juris Rn. 6).
Im Übrigen ist eine Abgabe des Verfahrens auch unzweckmäßig. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im Ablehnungsbeschluss des Amtsgerichts Ellwangen/Jagst vom verwiesen (SA S. 63 f.).“
7Dem tritt der Senat bei.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:211223B2ARS473.23.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-60107