BGH Beschluss v. - 4 StR 441/23

Instanzenzug: LG Paderborn Az: 1 Ks 17/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der auf die Sachrüge gestützten und aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts wirksam auf den Strafausspruch beschränkten Revision des Angeklagten kann der Erfolg nicht versagt werden.

21. Nach den Feststellungen geriet der Angeklagte nach einem Streit mit seiner Ehefrau in heftige Wut und entschloss sich spontan, sie zu töten. In Umsetzung dieses Tatentschlusses würgte er sie so massiv, dass es zu knöchernen Verletzungen am Hals sowie zu einem massiven Stauungssyndrom des Kopfes kam. Anschließend ergriff er ein Küchenmesser und fügte seiner Ehefrau drei Bruststichverletzungen zu, die unter anderem zu einer zweifachen Durchsetzung des Herzbeutels führten. Sie verstarb innerhalb weniger Minuten. Anschließend fertigte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon ein Video an, das seine blutüberströmt und regungslos am Boden liegende Ehefrau zeigte. Schließlich brachte er sich in Selbsttötungsabsicht mehrere Stichverletzungen bei.

3Das Landgericht ist aufgrund eines möglicherweise vorliegenden massiven Affektsturms von erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ausgegangen. Im Rahmen der Strafzumessung hat es unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrunds des § 21 StGB einen sonst minder schweren Fall des § 213 StGB angenommen; eine weitere Strafrahmenmilderung hat es abgelehnt.

42. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil die Begründung, mit der das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls des Totschlags gemäß § 213 2. Alt. StGB allein aufgrund der allgemeinen Strafzumessungskriterien verneint hat, lückenhaft ist.

5Insoweit hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Für die Annahme eines minder schweren Falls hat“ das Landgericht „die allgemeinen Milderungsgründe […] nicht für ausreichend erachtet, da diese im Vergleich zu den strafschärfenden Erwägungen nicht überwiegen würden (UA S. 39). Um welche Strafschärfungsgründe es sich hierbei handelt, lässt sich dem Urteil ‒ auch in seiner Gesamtschau ‒ nicht entnehmen.“

6Dem tritt der Senat bei.

7Zwar legt das Tatbild ohne die Hinzuziehung des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 21 StGB die Annahme eines minder schweren Falls des Totschlags nicht nahe. Ferner bestand ‒ entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ‒ auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur unmittelbaren Tatvorgeschichte kein Anlass, die Frage einer möglichen Provokation im Sinne des § 213 StGB zu erörtern oder eine solche gar zugunsten des Angeklagten anzunehmen. Nach den Feststellungen kam es zwar unmittelbar vor der Tat zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau, dessen Verlauf und näherer Inhalt nicht aufgeklärt werden konnte. Zu einer Erörterung dieser Frage musste sich das Landgericht aber angesichts der Feststellungen zur Persönlichkeit der Getöteten, der Entwicklung der Beziehung und der als glaubhaft angesehenen Angaben des Angeklagten zu früheren Streitigkeiten nicht gedrängt sehen. Denn es fehlt hier ‒ anders als in der Konstellation, die der Entscheidung des Senats vom (4 StR 580/18, Rn. 7) zugrunde gelegen hat ‒ an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die Geschädigte den Angeklagten bei objektiver Betrachtung schwer im Sinne des § 213 StGB beleidigt haben könnte (vgl. ‒ 1 StR 488/22 Rn. 8 mwN; vgl. Fischer StGB, 71. Aufl., 2024 § 213 Rn. 5 mwN). Es ist aber weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Sachverhaltsvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen kein konkreter Anhaltspunkt besteht (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 4 StR 337/20 Rn. 18; Urteil vom ‒ 4 StR 364/17 Rn. 8; Urteil vom ‒ 4 StR 320/16, NStZ-RR 2016, 380, 381; Urteil vom ‒ 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148; Urteil vom ‒ 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147).

8Ein Beruhen des Strafausspruchs auf dem Erörterungsmangel ist gleichwohl nicht auszuschließen. Der Senat hebt ‒ auch insoweit dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend ‒ die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen mit auf, um dem neu zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine widerspruchsfreie und stimmige Entscheidung der Straffrage zu ermöglichen.

93. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird zu beachten haben, dass die Art der Tatausführung einem Angeklagten nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden darf, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so dass für eine strafschärfende Verwertung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 4 StR 373/61, BGHSt 16, 360, 364; Beschluss vom ‒ 5 StR 186/21 Rn. 5).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300124B4STR441.23.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-60054