BGH Beschluss v. - IX ZB 29/22

Insolvenzverfahren: Antrag eines Gläubigers auf Entlassung des Insolvenzverwalters wegen fehlender Unabhängigkeit; Beeinträchtigung der Unabhängigkeit bei Pflichtverletzungen; Umfang des Beschwerderechts eines Insolvenzgläubigers; Versuch der Beeinflussung der Entscheidung über die Zusammensetzung des Gläubigerausschusses

Leitsatz

1. Die Entlassung des Insolvenzverwalters auf Antrag eines Gläubigers wegen fehlender Unabhängigkeit stellt einen gesetzlich geregelten Unterfall einer Entlassung aus wichtigem Grund dar.

2. Ein Insolvenzgläubiger kann seinen Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters aus dem Amt wegen fehlender Unabhängigkeit auch auf Umstände oder Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters stützen, die erst nach der Bestellung des Insolvenzverwalters eingetreten sind.

3. Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters führen nicht stets dazu, dass zugleich seine Unabhängigkeit beeinträchtigt ist.

4. Ein Beschwerderecht steht einem Insolvenzgläubiger nur für seinen Antrag zu, den Insolvenzverwalter wegen fehlender Unabhängigkeit aus seinem Amt zu entlassen.

5. Der Insolvenzverwalter handelt pflichtwidrig, wenn er die Insolvenzgläubiger in ihrer Entscheidung über die Zusammensetzung des endgültigen Gläubigerausschusses zu beeinflussen versucht.

Gesetze: § 56 Abs 1 S 1 InsO, § 59 Abs 1 S 3 InsO, § 59 Abs 2 S 2 InsO, § 68 InsO

Instanzenzug: Az: 8 T 23/22 Beschlussvorgehend Az: 401 IN 971/21

Gründe

I.

1Der weitere Beteiligte zu 1 wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Amt als Insolvenzverwalter in dem auf Eigenantrag vom mit eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Die Schuldnerin ist Teil einer Unternehmensgruppe, die überwiegend Privatanlegern die Zeichnung von Nachrangdarlehen anbot. Der weitere Beteiligte zu 2 hatte der Schuldnerin ein Nachrangdarlehen gewährt.

2Das Amtsgericht setzte mit Beschluss vom einen vorläufigen Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren ein, der neben Rechtsanwalt M.    aus zwei weiteren Mitgliedern bestand. Auf Vorschlag dieses Gläubigerausschusses wurde der Beteiligte zu 1 mit Beschluss vom zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin durch Beschluss vom ernannte das Amtsgericht den Beteiligten zu 1 (im Folgenden: Insolvenzverwalter) zum Insolvenzverwalter und setzte einen vorläufigen Gläubigerausschuss bestehend aus Rechtsanwalt M.    und zwei weiteren Mitgliedern ein.

3In der Zeit zwischen dem 10. Juni und dem zeigten neben den Instanzbevollmächtigten des Beteiligten zu 2 vier weitere Rechtsanwaltskanzleien die Vertretung von Anlegern der Schuldnerin an; die Rechtsanwaltskanzleien m.  und      B.     bekundeten zugleich ihr Interesse daran, Mitglied im vorläufigen oder endgültigen Gläubigerausschuss in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu werden. Mit Schreiben vom wies der Insolvenzverwalter alle Gläubiger der Schuldnerin auf die Möglichkeit hin, sich in der bevorstehenden ersten Gläubigerversammlung durch einen von zwei nachfolgend benannten Rechtsanwälten kostenlos vertreten zu lassen, falls der betreffende Gläubiger noch nicht anwaltlich vertreten oder an einer eigenen Terminswahrnehmung gehindert sei. Dem Schreiben waren vorformulierte Stimmrechtsvollmachten für Rechtsanwalt Prof. Dr. S.   und für Rechtsanwalt M.    beigefügt.

4Der Beteiligte zu 2 hat beantragt, den Beteiligten zu 1 aus seinem Amt als Insolvenzverwalter zu entlassen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht entschieden, dass der Insolvenzverwalter aus seinem Amt zu entlassen sei und die Anordnung der Entlassung dem Amtsgericht übertragen. Hiergegen wendet sich der Insolvenzverwalter mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

5Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

61. Das Landgericht, dessen Entscheidung unter anderem in ZInsO 2022, 1757 ff veröffentlicht ist, hat angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Entlassung des Insolvenzverwalters auf Antrag eines Insolvenzgläubigers gemäß § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO vorliegen. Die erforderliche Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters fehle wegen der überragenden Bedeutung der Person des Insolvenzverwalters für die ordnungsgemäße Abwicklung des Insolvenzverfahrens und seiner den Interessen sowohl der Gläubiger wie auch des Schuldners verpflichteten Stellung in entsprechender Anwendung von § 42 ZPO schon dann, wenn objektive Umstände feststünden, die aus der Sicht eines vernünftigen Gläubigers oder Schuldners berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit des Verwalters begründeten. Das Schreiben des Insolvenzverwalters vom wecke berechtigte Zweifel daran, ob er in der gebotenen Weise gegenüber allen Gläubigern gleichermaßen neutral sei. Grundsätzlich obliege es den Gläubigern selbst, den organisatorischen, zeitlichen und finanziellen Aufwand zu betreiben, der für die inhaltliche Ausgestaltung der Gläubigerversammlung erforderlich sei. Das Schreiben vom sei geeignet, die Entscheidung eines Gläubigers, seine Rechte auf der Gläubigerversammlung wahrzunehmen, zu beeinflussen. Aus der Sicht eines vernünftigen Gläubigers oder Schuldners begründe die Benennung von zwei vom Insolvenzverwalter ausgewählten Rechtsanwälten die Gefahr, dass die Interessen derjenigen Gläubiger, die bereits zuvor einen der beiden Rechtsanwälte mandatiert hatten, infolge des Schreibens des Insolvenzverwalters mit mehr Gewicht vertreten würden. Hinzu komme, dass der Insolvenzverwalter nicht begründet habe, auf welche Kriterien er die Auswahl der Zahl und der Person der von ihm benannten Rechtsanwälte gestützt habe, und darüber hinaus nicht bereit gewesen sei, die Gläubiger auch auf die Bereitschaft anderer Rechtsanwälte hinzuweisen, weitere Gläubiger in der Gläubigerversammlung zu vertreten. Zudem habe aus Sicht eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten besorgt werden dürfen, dass die Auswahl von Rechtsanwalt M.    nicht ohne Rücksichtnahme auf die Interessen des Insolvenzverwalters erfolgt sei, weil Rechtsanwalt M.   sich seinerseits mit seiner ersten Äußerung im Verfahren am für dessen Bestellung zum Sachwalter ausgesprochen habe.

7Auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Insolvenzverwalteramts durch Art. 12 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes könne das durch § 59 InsO eingeräumte Ermessen nur dahingehend ausgeübt werden, dass die Entlassung des Insolvenzverwalters aus dem Amt angeordnet werde. Dies folge daraus, dass der Insolvenzverwalter sich in seiner Stellungnahme nicht darum bemüht habe, das offensichtlich zerstörte Vertrauen der Gläubiger wiederherzustellen, und nicht alle Umstände nachvollziehbar offengelegt habe, die ihn zu dem Schreiben vom und zur Ablehnung von entsprechenden Schreiben betreffend die Vertretungsbereitschaft weiterer Rechtsanwälte veranlasst hätten.

82. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

9a) Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO kann das Insolvenzgericht den Verwalter aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen. Die Entlassung kann von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters, des Gläubigerausschusses und der Gläubigerversammlung erfolgen. § 59 Abs. 1 Satz 2, 3 InsO in der gemäß Art. 103m Satz 1 EGInsO seit dem geltenden und im Streitfall anwendbaren Fassung sieht nunmehr auch eine Entlassung des Insolvenzverwalters auf Antrag des Schuldners oder eines einzelnen Insolvenzgläubigers vor. Die Neuregelung des § 59 Abs. 1 Satz 2, 3 InsO dient der Umsetzung von Art. 26 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (BT-Drucks. 19/24181 S. 198). Danach ist sicherzustellen, dass Schuldner und Gläubiger zur Vermeidung eines Interessenkonflikts die Möglichkeit haben, die Ersetzung des Verwalters zu verlangen. Bei der Umsetzung der Richtlinie hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, das Antragsrecht des Schuldners und des einzelnen Insolvenzgläubigers in § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO zeitlich und sachlich gegenüber dem Antragsrecht der Gläubigergremien einzuschränken. Der Schuldner und der einzelne Gläubiger können eine Entlassung des Insolvenzverwalters nur innerhalb von sechs Monaten nach dessen Bestellung beantragen und ihren Antrag nur auf eine fehlende Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters stützen. Insoweit handelt es sich nach der gesetzlichen Systematik um einen Unterfall des wichtigen Grundes im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO. Gegen eine ablehnende Entscheidung steht dem Schuldner oder dem Insolvenzgläubiger nach § 59 Abs. 2 Satz 2 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Legt der Schuldner oder der Gläubiger einen anderen wichtigen Entlassungsgrund substantiiert dar, kann dies lediglich als Anregung zu einer Entlassung des Insolvenzverwalters von Amts wegen verstanden werden; kommt das Insolvenzgericht dieser Anregung nicht nach, ist eine sofortige Beschwerde hiergegen nicht statthaft (vgl. , NZI 2006, 529).

10aa) Der Begriff der Unabhängigkeit in § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO deckt sich mit demjenigen in § 56 Abs. 1 InsO, so dass auf die hierzu ergangene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden kann. Die fehlende Unabhängigkeit von den Gläubigern und dem Schuldner steht gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO schon der Bestellung des Verwalters in dem konkreten Insolvenzverfahren entgegen. Eine Entlassung des Insolvenzverwalters nach § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO kommt dementsprechend in Betracht, wenn der Schuldner oder ein Insolvenzgläubiger glaubhaft machen, dass der Verwalter im konkreten Insolvenzverfahren nicht unabhängig ist.

11Auch wenn die Zweifel an der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters regelmäßig in Umständen oder Verhaltensweisen aus der Zeit vor der Bestellung des Insolvenzverwalters begründet sein werden (BeckOK-InsO/Göcke, 2023, § 59 Rn. 14b), sind Gläubiger oder Schuldner - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht auf die Geltendmachung derartiger Umstände beschränkt. Eine Beschränkung des Antragsrechts des Gläubigers oder Schuldners auf Umstände oder Verhaltensweisen aus der Zeit vor der Bestellung des Insolvenzverwalters ergibt sich weder aus dem Wortlaut oder der Entstehungsgeschichte der Norm noch aus ihrem Sinn und Zweck. Eine über den Wortlaut des § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO hinausgehende Einschränkung des Antragsrechts ergibt sich insbesondere nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien zur Einführung von § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom (BT-Drucks. 19/24181 S. 198). Aus dem Sinn und Zweck der Norm ist eine solche Einschränkung ebenfalls nicht herleitbar. Die in § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO geregelte zeitliche und sachliche Beschränkung des Antragsrechts trägt bereits dem Umstand Rechnung, dass der Ablauf des Insolvenzverfahrens durch Entlassungsanträge eines einzelnen Gläubigers oder des Schuldners empfindlich gestört werden kann. Anlass für weitere Beschränkungen besteht demgegenüber nicht. Auch aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Entlassung des Insolvenzverwalters aus wichtigem Grund auf Antrag des Verwalters, des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO ergibt sich eine solche Beschränkung nicht. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO liegt nach der Rechtsprechung des Senats etwa dann vor, wenn nachträglich bekannt wird, dass der Insolvenzverwalter im Zuge seiner Bestellung vorsätzlich Umstände verschwiegen hat, die bereits seiner Ernennung für das konkrete Insolvenzverfahren entgegengestanden hätten (, NZI 2017, 667 Rn. 11 ff). Aber auch die unterbliebene Offenlegung einer erst während der Ausübung des Amts als Insolvenzverwalter eingetretenen Interessenkollision kann seine Entlassung begründen (, BGHZ 113, 262, 275 ff; Beschluss vom - IX ZB 25/11, NZI 2012, 247 Rn. 13; vom - IX ZB 31/11, WM 2012, 1127 Rn. 17).

12bb) Nach der Rechtsprechung des Senats muss der Insolvenzverwalter nicht nur generell, sondern auch speziell im konkreten Insolvenzverfahren unabhängig sein, weil er bei der Erfüllung der Verwalteraufgaben die Interessen sämtlicher Beteiligter zu wahren hat ( IX AR (VZ) 1/15, WM 2016, 837 Rn. 27; vom - IX AR (VZ) 7/15, WM 2016, 2080 Rn. 22 f). Das Gesetz verpflichtet den Verwalter in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO zur Neutralität in sämtliche Richtungen; er darf weder Interessenvertreter des Schuldners noch einzelner Gläubiger sein (Schmidt/Ries, InsO, 20. Aufl., § 56 Rn. 23 mwN). Erst recht darf er sich nicht selbst zum Nachteil der Masse begünstigen (, BGHZ 214, 220 Rn. 21).

13Maßgeblich ist stets, ob Umstände oder Verhaltensweisen des Verwalters vorliegen, die bei unvoreingenommener, lebensnaher Betrachtungsweise die ernstliche Besorgnis rechtfertigen können, dass der Verwalter als befangen an seiner Amtsführung verhindert ist ( IX AR (VZ) 7/15, WM 2016, 2080 Rn. 23). Hierbei darf allerdings nicht verkannt werden, dass die in Rechtsprechung und Literatur zur Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO gebildeten Fallgruppen auf den Insolvenzverwalter nicht übertragbar sind. Auch wenn die Person des Insolvenzverwalters und seine Unabhängigkeit von dem Schuldner und den Gläubigern überragende Bedeutung für die ordnungsgemäße Abwicklung des Insolvenzverfahrens haben ( IX AR (VZ) 1/12, BGHZ 198, 225 Rn. 25; vom - IX ZB 102/15, WM 2017, 1166 Rn. 11), sind nicht die gleichen Anforderungen an Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters wie an Verhaltensweisen des Richters zu stellen. So unterliegt etwa die Art und Weise der Verfahrensführung durch einen Richter im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn. 20 ff) strengeren Maßstäben als die Ausübung des Amts des Insolvenzverwalters. Der Insolvenzverwalter ist nicht Richter (vgl. , WM 2007, 607 Rn. 20).

14Der Insolvenzverwalter bietet dann nicht mehr die Gewähr für die Wahrung der Interessen sämtlicher Beteiligter, wenn die Tätigkeit ihm Eigenvorteile oder einzelnen Verfahrensbeteiligten oder einer Gruppe von Verfahrensbeteiligten Sondervorteile bringt. Richtlinie dafür, in welchen Fällen der Insolvenzverwalter an der Ausübung des Amts wegen fehlender Unabhängigkeit im konkreten Insolvenzverfahren gehindert ist, können die gesetzlichen Grundsätze sein, nach denen auch ein Richter entweder von Amts wegen ausgeschlossen wäre (§ 41 ZPO) oder gegen ihn ein Befangenheitsgesuch wegen Interessenkollision erfolgreich gestellt werden könnte (, BGHZ 113, 262, 275; Beschluss vom - IX ZB 25/11, WM 2012, 331 Rn. 13).

15So darf der Insolvenzverwalter nicht identisch mit einem Insolvenzgläubiger, dem Schuldner oder einer dem Schuldner nahestehenden Person sein. Eine rechtliche oder auch nur wirtschaftliche Beteiligung an einem Insolvenzgläubiger oder am Schuldner steht einer Bestellung zum Insolvenzverwalter in dem konkreten Insolvenzverfahren ebenfalls entgegen ( IX AR (VZ) 1/12, BGHZ 198, 225 Rn. 25; vom - IX AR (VZ) 7/15, WM 2016, 2080 Rn. 23; vom - IX ZB 102/15, NZI 2017, 667 Rn. 11 mwN).

16An der Unabhängigkeit im Sinne des § 56 Abs. 1 InsO fehlt es auch dann, wenn der betreffende Insolvenzverwalter den Schuldner zu einem früheren Zeitpunkt als Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer außergerichtlich beraten hat (vgl. IX AR (VZ) 1/15, WM 2016, 837 Rn. 26 f; vom - IX ZB 102/15, WM 2017, 1166 Rn. 11), wobei eine Beratung in allgemeiner Form über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und dessen Folgen nach § 56 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 InsO unschädlich ist. Umgekehrt wird die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nicht allein dadurch in Frage gestellt, dass er vom Schuldner oder von einem Gläubiger vorgeschlagen worden ist, § 56 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 InsO.

17Eine Tätigkeit als Restrukturierungsbeauftragter oder Sanierungsmoderator in einer Restrukturierungssache des Schuldners steht der Bestellung des Insolvenzverwalters nach § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO dann nicht entgegen, wenn der Schuldner mindestens zwei der drei in § 22a Abs. 1 InsO genannten Voraussetzungen erfüllt und der vorläufige Gläubigerausschuss der Bestellung des Insolvenzverwalters zustimmt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, obliegt die Entscheidung allein dem Insolvenzgericht, das im Einzelfall über eine Bestellung des Insolvenzverwalters trotz dessen vorheriger Tätigkeit als Restrukturierungsberater oder Sanierungsmoderator zu entscheiden hat. Auch die Beratungstätigkeit für einen Gläubiger kann im Einzelfall der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters entgegenstehen (vgl. IX AR (VZ) 7/15, WM 2016, 2080 Rn. 22 f).

18Die gebotene Unabhängigkeit fehlt auch dann, wenn sich der Insolvenzverwalter in einer nicht unbedeutenden Interessenkollision befindet, aufgrund derer zu befürchten ist, er werde sein Amt nicht unvoreingenommen und allein dem Insolvenzzweck entsprechend ausüben. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Insolvenzverwalter einem Unternehmen, an dem er selbst rechtlich oder wirtschaftlich beteiligt ist, einen entgeltlichen Auftrag der Insolvenzmasse erteilt, weil dies die Besorgnis begründet, er werde sich bei der Führung des Amts auch von dem Gesichtspunkt leiten lassen, diesem Unternehmen zu lohnenden Einnahmen zu verhelfen (, BGHZ 113, 262, 277; Beschluss vom - IX ZB 31/11, WM 2012, 1127 Rn. 17). Gleiches gilt für den Fall, dass der Insolvenzverwalter ein Drittunternehmen, dessen Vorstand seine Ehefrau ist, mit der Durchführung von Zustellungen auf Kosten der Masse beauftragt (, WM 2012, 331 Rn. 13).

19Hingegen führen Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters nicht stets dazu, dass zugleich seine Unabhängigkeit beeinträchtigt ist. Begeht der Insolvenzverwalter Pflichtverletzungen, können diese zwar unter dem Gesichtspunkt des wichtigen Grundes zur Entlassung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO führen (vgl. , WM 2012, 331 Rn. 13; vom - IX ZB 31/11, WM 2012, 1127 Rn. 17). Insoweit besteht jedoch kein Antragsrecht eines Insolvenzgläubigers, das dieser im Wege der sofortigen Beschwerde nach § 59 Abs. 2 Satz 2 InsO weiterverfolgen könnte. Lediglich wenn aufgrund der Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters zugleich seine fehlende Unabhängigkeit zu Tage tritt, kann ein Antragsrecht eines Insolvenzgläubigers nach § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO in Frage kommen.

20cc) Die erforderliche Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters fehlt nicht erst dann, wenn seine Abhängigkeit von den Interessen des Schuldners oder der Gläubiger positiv feststeht. Wegen der überragenden Bedeutung der Person des Insolvenzverwalters für die ordnungsgemäße Abwicklung des Insolvenzverfahrens und seiner den Interessen sowohl der Gläubiger wie auch des Schuldners verpflichteten Stellung, ist eine Belassung im Amt bereits dann ausgeschlossen, wenn objektive Umstände vorliegen, die aus der Sicht eines vernünftigen Gläubigers oder Schuldners berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit der Person des Insolvenzverwalters begründen (vgl. , WM 2017, 1166 Rn. 11). Maßgeblich ist, ob ein Sachverhalt vorliegt, der bei unvoreingenommener, lebensnaher Betrachtungsweise die ernstliche Besorgnis rechtfertigen kann, dass der Verwalter an seiner Amtsführung verhindert ist (vgl. , BGHZ 113, 262, 275; Beschluss vom , aaO). Ob der Verwalter tatsächlich nicht unabhängig ist, ist demgegenüber nicht entscheidend.

21b) Gemessen hieran hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die eine fehlende Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters allein mit dessen Schreiben vom begründet, keinen Bestand.

22aa) Das Beschwerdegericht legt seiner Entscheidung bereits einen unzutreffenden Maßstab zugrunde. Zu Unrecht meint es, die Prüfung der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von den Gläubigern und dem Schuldner sei analog § 42 ZPO als Besorgnis der Befangenheitsprüfung durchzuführen. Eine analoge Anwendung von § 42 ZPO kommt nicht in Betracht (vgl. auch Lüke in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2021, § 56 Rn. 48; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 56 Rn. 42; aA AG Hamburg, ZIP 2001, 2147 f; Hill, ZInsO 2005, 1289 f); bei der Prüfung der fehlenden Unabhängigkeit ist vielmehr dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Insolvenzverwalter nicht Richter ist und an seine Unabhängigkeit deshalb andere Maßstäbe anzulegen sind.

23bb) Rechtsfehlerhaft nimmt das Beschwerdegericht an, mit dem Versand des Schreibens vom liege eine Verhaltensweise vor, die aus Sicht eines vernünftigen Gläubigers berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Insolvenzverwalters begründen müsse.

24(1) Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Entlassung des Insolvenzverwalters aus wichtigem Grund nach § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter zu treffen; ihm steht im Allgemeinen ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. , WM 2017, 1166 Rn. 8). Demgegenüber stellt die fehlende Unabhängigkeit des Verwalters im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO nach der Systematik der Norm einen gesetzlich geregelten Fall des wichtigen Grundes dar; insoweit besteht kein Beurteilungsspielraum des Tatrichters. Der Begriff der Unabhängigkeit in § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO ist ein Rechtsbegriff. Die Rechtsanwendung unterliegt der vollen rechtlichen Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz. Das Rechtsbeschwerdegericht hat daher nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht den Begriff der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters richtig beurteilt hat, insbesondere auch, ob es sich des Unterschieds zwischen einem zur Entlassung des Insolvenzverwalters führenden wichtigen Grund im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO und der fehlenden Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO bewusst war.

25(2) Nach diesen Maßstäben ist die Beurteilung des Beschwerdegerichts rechtsfehlerhaft.

26(a) Allerdings war das Verhalten des Insolvenzverwalters pflichtwidrig. Das an die Insolvenzgläubiger gerichtete Schreiben vom ist geeignet, Einfluss auf die Zusammensetzung des endgültigen Gläubigerausschusses zu nehmen.

27Das Gesetz sieht eine Befugnis des Insolvenzverwalters, die Insolvenzgläubiger in ihrer Entscheidung über die Zusammensetzung des endgültigen Gläubigerausschusses zu beeinflussen, schon nicht vor. Allein hinsichtlich eines vorläufigen Gläubigerausschusses sind Vorschläge des Insolvenzverwalters zur Zusammensetzung des Gläubigerausschusses im Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Im Eröffnungsverfahren hat der vorläufige Insolvenzverwalter Personen zu benennen, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen, wenn er die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 22a Abs. 2 InsO beantragt oder hierzu vom Insolvenzgericht nach § 22 Abs. 4 InsO aufgefordert wird. Setzt das Insolvenzgericht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur ersten Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss ein, wird es verbreitet als sinnvoll angesehen, wenn der Insolvenzverwalter dem Gericht Vorschläge zur Zusammensetzung unterbreitet, wobei eine Bindung des Gerichts an den Vorschlag nicht bestehen soll (HK-InsO/Riedel, 11. Aufl., § 67 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Schmid-Burgk, 4. Aufl., § 67 Rn. 12). Die Beteiligung des Insolvenzverwalters an der Zusammensetzung des Gläubigerausschusses ist dabei jeweils dadurch gekennzeichnet, dass sich der Verwalter gegenüber dem Insolvenzgericht äußert.

28Die Kompetenz über die Einsetzung eines endgültigen Gläubigerausschusses und dessen Besetzung liegt demgegenüber nach § 68 InsO ausschließlich im Ermessen der Gläubigerversammlung (HK-InsO/Riedel, 11. Aufl., § 68 Rn. 1). Der Insolvenzverwalter hat auch nicht das Recht, eine Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses nach § 70 InsO zu beantragen. Das Gesetz trägt insoweit der Gläubigerautonomie im eröffneten Verfahren verstärkt Rechnung. Hierüber hat sich der Insolvenzverwalter mit seinem Schreiben vom hinweggesetzt.

29Zudem erweckt das Schreiben des Insolvenzverwalters vom den Eindruck, er bezwecke die Einsetzung eines ihm gewogenen Gläubigerausschusses. Diese Einflussnahme steht im Widerspruch zu den gesetzlichen Aufgaben des endgültigen Gläubigerausschusses. Nach § 69 InsO haben die Mitglieder des Gläubigerausschusses den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen; sie haben sich über den Gang der Geschäfte zu unterrichten, die Bücher und Geschäftspapiere einzusehen und den Geldverkehr und -bestand prüfen zu lassen. Die Überwachung des Insolvenzverwalters als wesentliche Aufgabe des Gläubigerausschusses wird aber in Frage gestellt, wenn der Insolvenzverwalter die Einsetzung eines ihm gewogenen Gläubigerausschusses betreibt.

30Im konkreten Fall hätte der Insolvenzverwalter deswegen gänzlich von einem solchen Anschreiben an die Gläubiger absehen müssen. Zulässig ist allein eine Information der Gläubiger ohne werbenden Charakter. Hierzu hätte der Insolvenzverwalter die Gläubiger darüber aufklären können, dass sie zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung nach § 74 Abs. 1 Satz 2 InsO berechtigt sind und sich im Fall ihrer Verhinderung vertreten lassen können. Soweit der Insolvenzverwalter über zur Vertretung der Gläubiger bereite Rechtsanwälte informiert, ist dies nur dann zulässig, wenn dies mit dem deutlichen Hinweis verbunden wird, dass sich die Insolvenzgläubiger durch einen beliebigen Rechtsanwalt ihrer Wahl vertreten lassen können, und zusätzlich die Namen sämtlicher Rechtsanwälte genannt werden, die sich bislang gegenüber dem Insolvenzverwalter bereit erklärt haben, als Gläubigervertreter tätig zu werden. Der mit dem Schreiben vom gewählte Weg widerspricht jedenfalls geltendem Recht.

31(b) Jedoch kann aus einer Pflichtwidrigkeit des Insolvenzverwalters nicht automatisch auf seine fehlende Unabhängigkeit geschlossen werden. Die Schlussfolgerung des Beschwerdegerichts, das Schreiben des Insolvenzverwalters vom rechtfertige aus der Sicht eines vernünftigen Gläubigers die Besorgnis, der Insolvenzverwalter werde einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen gegenüber anderen bevorzugen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nachdem eine Identität mit oder eine rechtliche oder wirtschaftliche Beteiligung des Insolvenzverwalters an einem Gläubiger oder dem Schuldner nicht vorliegt und auch eine frühere Beratung eines Gläubigers oder des Schuldners mit Bezug zu dem vorliegenden Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter nicht festgestellt ist, könnte der Versand des Schreibens vom eine Entlassung des Insolvenzverwalters wegen fehlender Unabhängigkeit allein dann rechtfertigen, wenn darin das Vorliegen einer Interessenkollision des Insolvenzverwalters oder eine konkrete Bevorzugung einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen gegenüber anderen zum Ausdruck käme. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts jedoch nicht.

32So liegt es zwar nahe und war auch Zweck des Schreibens des Insolvenzverwalters vom , dass weitere Gläubiger, die bislang keinen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung in der Gläubigerversammlung beauftragt hatten, nunmehr von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und im Zweifel einen der in dem Schreiben genannten Rechtsanwälte beauftragen würden. Ebenfalls liegt nahe, dass diejenigen Rechtsanwälte, die von einer Vielzahl von Gläubigern mit der Vertretung ihrer Interessen in der Gläubigerversammlung bevollmächtigt werden, bei der Wahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses durch die Gläubigerversammlung nach § 68 Abs. 1 InsO bessere Aussichten auf einen Platz im Gläubigerausschuss haben, als andere Rechtsanwälte, die nur einzelne Gläubiger vertreten. Je mehr Gläubiger sich für eine Vertretung ihrer Interessen durch nur einen oder zwei Rechtsanwälte in der Gläubigerversammlung und dadurch für eine Bündelung ihrer Interessen entscheiden, umso größer ist ihr Einfluss auf die Zusammensetzung des Gläubigerausschusses, weil die Gläubigerversammlung über die Einsetzung oder Beibehaltung, die Größe und die Besetzung des Gläubigerausschusses nach § 76 Abs. 2, § 77 InsO mit absoluter Summenmehrheit der Forderungen entscheidet (vgl. Uhlenbruck/Knof, InsO, 15. Aufl., § 68 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Schmid-Burgk, 4. Aufl., § 68 Rn. 2).

33Hieraus folgen aber aus Sicht eines vernünftigen Gläubigers keine berechtigten Zweifel an der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters; insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der Insolvenzverwalter diejenigen Gläubiger, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen der beiden genannten Rechtsanwälte mit ihrer Vertretung in der Gläubigerversammlung beauftragt hatten, gegenüber anderen Gläubigern besser stellen und bevorzugen werde, die keinen Rechtsanwalt, einen anderen Rechtsanwalt oder erst zu einem späteren Zeitpunkt Rechtsanwalt Prof. Dr. S.   oder Rechtsanwalt M.   bevollmächtigt hatten. Es ist durchaus denkbar, dass Gläubigergruppen die Einsetzung und Zusammensetzung des Gläubigerausschusses in ihrem Sinne durchsetzen, um im Rahmen dieses Gremiums eigene Interessen auf Kosten der Masse zu verfolgen. Der Gefahr der Bevorzugung einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen durch einen möglicherweise einseitig besetzten Gläubigerausschuss soll aber nach der Konzeption der Insolvenzordnung dadurch begegnet werden, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses kraft ihres Amtes zur Wahrung der Gesamtinteressen der Gläubigerschaft verpflichtet sind. Bei Interessenkollisionen auf Seiten eines Mitglieds des Gläubigerausschusses droht die Entlassung aus dem Amt nach § 70 InsO (vgl. , WM 2003, 2067, 2068; vom - IX ZB 47/06, WM 2007, 842, 843 ff; vom - IX ZB 222/05, WM 2008, 599 Rn. 7 ff). Darüber hinaus sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses nach § 71 InsO den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden gesetzlichen Pflichten verletzen.

34Aus einer Ungleichbehandlung der Rechtsanwälte einzelner Gläubiger gegenüber Rechtsanwälten anderer Gläubiger könnte zudem nicht ohne weiteres auf eine fehlende Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von dem Schuldner oder den Gläubigern geschlossen werden. Die Rechtsanwälte der Gläubiger sind selbst nicht Verfahrensbeteiligte an dem Insolvenzverfahren; ihnen gegenüber besteht keine gesetzliche Pflicht des Insolvenzverwalters zur Neutralität.

35Auch der vom Beschwerdegericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene Umstand, dass sich Rechtsanwalt M.   bereits in seiner Einverständniserklärung betreffend seine Mitgliedschaft im vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 22a Abs. 2 InsO vom dafür ausgesprochen hat, den späteren Insolvenzverwalter zum Sachwalter zu bestellen, kann aus der Sicht eines verständigen Gläubigers keine Zweifel an der Unabhängigkeit der Person des späteren Insolvenzverwalters begründen. Die Äußerung von Rechtsanwalt M.    zur Person des vorläufigen Sachwalters bewegt sich innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Stellungnahme- und Mitwirkungsrechte des vorläufigen Gläubigerausschusses. Die Beteiligung an der Bestellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder des (vorläufigen) Sachwalters ist ein wesentliches Mitwirkungsrecht des vorläufigen Gläubigerausschusses (Uhlenbruck/Vallender, InsO, 15. Aufl., § 22a Rn. 62 f; MünchKomm-InsO/Haarmeyer/Schildt, 4. Aufl., § 22a Rn. 123). Den Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses ist nach § 274 Abs. 1, § 56a Abs. 1 InsO vor der Bestellung des vorläufigen Sachwalters Gelegenheit zu geben, sich zu dessen Person zu äußern. Von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des vorläufigen Sachwalters darf das Gericht nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist, § 274 Abs. 1, § 56a Abs. 2 Satz 1 InsO (MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 274 Rn. 28; HK-InsO/Brünkmans, 11. Aufl., § 274 Rn. 5). Die Wahrnehmung der gesetzlich vorgesehenen Stellungnahme- und Mitwirkungsrechte des vorläufigen Gläubigerausschusses im Hinblick auf die Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder des (vorläufigen) Sachwalters kann demnach die erforderliche Unabhängigkeit der bestellten Person nicht ausschließen.

36cc) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stellt sich nicht aus einem anderen Grund als richtig dar, § 577 Abs. 3 ZPO. Ob die Versendung des Schreibens vom einen zur Entlassung des Insolvenzverwalters führenden wichtigen Grund im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO darstellt, kann dahinstehen. Dies kann der antragstellende Gläubiger, der seinen Antrag nach § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO allein auf die fehlende Unabhängigkeit des Insolvenzgläubigers stützen kann, mit seiner Beschwerde nicht geltend machen.

373. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts war danach auf die Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters aufzuheben und die Sache mangels Endentscheidungsreife an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Dem Beschwerdegericht muss Gelegenheit zur Prüfung gegeben werden, ob die weiteren von dem Beteiligten zu 2 vorgetragenen Umstände und Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters dessen Entlassung wegen fehlender Unabhängigkeit rechtfertigen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:231123BIXZB29.22.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 513 Nr. 10
DB 2024 S. 591 Nr. 10
NJW 2024 S. 9 Nr. 10
WM 2024 S. 464 Nr. 10
ZIP 2024 S. 460 Nr. 9
JAAAJ-59977