Instanzenzug: Az: 5 KLs 14/22nachgehend Az: 6 StR 18/23 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betruges in drei Fällen unter Einbeziehung anderweitig erkannter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und wegen Betruges in vier Fällen zu einer zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf den Schuldspruch im Fall 8 sowie den (gesamten) Strafausspruch beschränkten Revision. Das vom Generalbundesanwalt überwiegend vertretene Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.
21. Das Landgericht hat den der Anklage zugrundeliegenden Lebenssachverhalt im Fall 8 entgegen § 264 StPO nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt und dadurch seine Kognitionspflicht verletzt (vgl. ; vom – 4 StR 479/22; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 264 Rn. 27 ff. mwN).
3Nach den Feststellungen bezog der Mitangeklagte Pflegedienstleistungen. Am beantragte die Angeklagte in Absprache mit dem Mitangeklagten per E-Mail bei seiner Krankenkasse die Kostenerstattung für eine sogenannte Verhinderungspflege. Als Anhang fügte sie ein Bestätigungsschreiben und eine entsprechende Quittung bei, wonach an ihrer Stelle die Zeugin W. den Angeklagten in der Zeit vom 16. bis täglich acht Stunden gepflegt und hierfür insgesamt 1.200 Euro erhalten habe. Beide Unterlagen waren mit dem Namen der Zeugin unterschrieben. Die Krankenkasse überwies antragsgemäß 1.200 Euro auf das Konto der Angeklagten. Tatsächlich hatte die Zeugin den Mitangeklagten weder gepflegt noch die Schriftstücke verfasst oder unterschrieben. Nach Ansicht des Landgerichts lag die Annahme nahe, dass die Angeklagten den Namen der Zeugin angaben, weil diese früher für sie tätig gewesen war und sie deshalb über eine Vorlage für die Unterschrift der Zeugin verfügten.
4Auf Grundlage dessen rügt die Beschwerdeführerin zu Recht einen Verstoß gegen die Kognitionspflicht. Die Strafkammer wäre gehalten gewesen, eine mögliche Strafbarkeit der Angeklagten auch wegen eines Urkundsdelikts im Sinne der §§ 267 ff. StGB in den Blick zu nehmen, weil sich dies nach den getroffenen Feststellungen aufdrängte.
52. Der Strafausspruch im Fall 5 hält rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand.
6Bei Bemessung der Strafe hat das Landgericht strafmildernd berücksichtigt, dass „die Tatbegehung den Ermittlungsbehörden in Folge der Erkenntnisse aus der Wohnungsdurchsuchung vom bekannt gewesen ist“. Tatsächlich beging die Angeklagte diesen weiteren Betrug jedoch erst am , mithin sechs Tage nach der Durchsuchung. Ungeachtet dessen, dass ein Straftäter keinen Anspruch darauf hat, dass Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten (vgl. ; Urteil vom – 5 StR 2/21, NStZ-RR 2022, 140; Beschluss vom – 1 StR 275/10, NStZ 2011, 283), werden im Urteil keine Anhaltspunkte mitgeteilt, die bereits bei der Durchsuchung auf die zukünftige Tat hindeuteten. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bemessung der Strafe auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht.
73. Im Übrigen weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere besorgt der Senat nicht, dass die Strafkammer im Fall 1 bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des nach § 13 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens den Umstand, dass die Tat durch Unterlassen begangen wurde, nochmals mit vollem Gewicht zugunsten der Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 887 mwN).
84. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 8 und der Strafe im Fall 5 entzieht der zweiten Gesamtstrafe die Grundlage. Der Senat hebt die Feststellungen zu Fall 8 auf, um dem neuen Tatgericht insoweit umfassende neue und widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Hingegen haben die Feststellungen zur Strafzumessung im Fall 5 – ebenso wie diejenigen zur zweiten Gesamtstrafe – Bestand, weil insoweit lediglich ein Wertungsfehler vorliegt; sie können um ihnen nicht widersprechende neue Feststellungen ergänzt werden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:240124U6STR18.23.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-59445