Kapitalverrechnungsposten
Leitsatz
Kapitalverrechnungsposten
Ein passiver Kapitalverrechnungsposten in dem gemäß § 6b Abs. 3 Satz 6 EnWG für eine Sparte eines vertikal integrierten Unternehmens aufgestellten Tätigkeitsabschluss stellt auch dann Abzugskapital im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 GasNEV dar, wenn er auf die Zuordnung des Eigenkapitals durch Schlüsselung auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche des Unternehmens zurückzuführen ist (Festhaltung an , RdE 2018, 77 Rn. 14 - SW Kiel Netz GmbH).
Gesetze: § 6b Abs 3 S 6 EnWG, § 7 Abs 2 S 2 Nr 5 GasNEV
Instanzenzug: Az: 53 Kart 1/18
Gründe
1I. Die Betroffene ist ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen, das unter anderem ein Gasverteilernetz betreibt.
2Mit Beschluss vom legte die Bundesnetzagentur im vereinfachten Verfahren gemäß § 24 ARegV die Erlösobergrenzen für die dritte Regulierungsperiode für das Netz der Betroffenen niedriger als beantragt fest. Die Abweichungen resultieren unter anderem aus Kürzungen bei den aufwandsgleichen Kosten im Ausgangsniveau, der unterschiedlichen Bewertung der Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskosten im Kapitalkostenabzug und der Zuordnung eines von der Betroffenen in der Bilanz für den Tätigkeitsbereich Gasverteilung gebildeten und im Eigenkapital verbuchten passiven Kapitalverrechnungspostens zum Abzugskapital. Bei der Betroffenen überstieg die Summe der dem Tätigkeitsbereich Gasverteilung 2015 bilanziell zugeordneten Aktiva die Summe der zugeordneten Passiva in Höhe dieses Kapitalverrechnungspostens.
3Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss der Bundesnetzagentur aufgehoben und diese hinsichtlich der Anerkennung der aufwandsgleichen Kosten im Ausgangsniveau und der Zuordnung des Kapitalverrechnungspostens, nicht jedoch hinsichtlich der Berechnung des Kapitalkostenabzugs zur Neubescheidung verpflichtet. Dagegen haben sich zunächst sowohl die Betroffene als auch die Bundesnetzagentur mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Die Betroffene hat ihre Rechtsbeschwerde im Hinblick auf zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen des Senats wieder zurückgenommen. Die Bundesnetzagentur hat ihre Rechtsbeschwerde teilweise, nämlich hinsichtlich der Kürzungen bei den aufwandsgleichen Kosten, zurückgenommen.
4II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat im noch anhängigen Umfang Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Beschwerde.
51. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Bundesnetzagentur habe zu Unrecht den passiven Kapitalverrechnungsposten im Abzugskapital berücksichtigt. Es sei nicht zu erkennen, dass es sich - vollständig - um zinslos von einem Dritten überlassenes Kapital handele, und es leuchte auch nicht ein, dass ein Überschuss der Aktiva über die Passiva wirtschaftlich stets bedeute, dass einem Teil des eingesetzten Vermögens Passivpositionen gegenüberstünden, die einem anderen Tätigkeitsbereich zuzuordnen seien. Da die bilanziell "überschießenden" Aktiva aus Mitteln des Gesamtunternehmens finanziert worden seien, sei der Kapitalverrechnungsposten ein Teil des bilanziell ermittelten Eigenkapitals, der dem Gasbetrieb zuzuordnen sei. Es bestehe kein zureichender Grund, diesen von der kalkulatorischen Verzinsung auszunehmen.
62. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
7a) Die Erlösobergrenze wird gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 ARegV für jedes Kalenderjahr der gesamten Regulierungsperiode nach Maßgabe der §§ 5 bis 17, 19, 22 und 24 ARegV bestimmt. Zur Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Bestimmung der Erlösobergrenzen verweist § 6 Abs. 1 ARegV auf Vorschriften der Gas- und der Stromnetzentgeltverordnung. Diese Regelungen finden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-718/18, RdE 2021, 534 Rn. 112 bis 138) weiterhin Anwendung. Angesichts der durch das Unionsrecht geforderten Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Stellen sind die Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung sowie der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung jedoch wo auch immer möglich und bis zu der den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenze im Sinne einer Gewährleistung und Sicherung dieser Unabhängigkeit auszulegen. Eine gerichtliche Überprüfung erfolgt daher im Grundsatz nur noch in Bezug auf den nach diesen Maßstäben fortgeltenden nationalen Regulierungsrahmen sowie anhand unionsrechtlicher Vorgaben (BGH, Beschlüsse vom - EnVR 17/20, RdE 2022, 119 Rn. 14 f. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; vom - EnVR 6/21, WM 2023, 630 Rn. 9 f. - Kapitalkostenabzug; vom - EnVR 22/22, RdE 2023, 366 Rn. 8 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor III).
8b) Vor diesem Hintergrund hat das Beschwerdegericht zu Unrecht beanstandet, dass die Bundesnetzagentur den im Tätigkeitsbereich Gasverteilung gebildeten passiven Kapitalverrechnungsposten als Abzugskapital behandelt hat.
9aa) Die Festlegung der Eigenkapitalverzinsung folgt einem eigenständigen System, das in seinen Grundsätzen durch § 21 EnWG vorgegeben und in der Gasnetzentgeltverordnung näher bestimmt wird. Der Gesamtzusammenhang der Regelung der §§ 6, 7 GasNEV verdeutlicht, dass es sich insoweit um ein abgeschlossenes Regelungswerk handelt, das die Eigenkapitalverzinsung losgelöst vom Handelsrecht selbständig normiert. Welche Vermögenswerte in welcher Höhe kalkulatorisch verzinst werden, regelt allein § 7 GasNEV (, RdE 2016, 70 Rn. 26 - Stadtwerke Freudenstadt II; vgl. auch , RdE 2021, 550 Rn. 9 - EEG-Ausgleichsmechanismus [zu § 7 StromNEV]). Welches Kapital bei der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung als Abzugskapital zu behandeln ist, bestimmt § 7 Abs. 2 GasNEV.
10bb) Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 GasNEV ist zinslos zur Verfügung stehendes Kapital als Abzugskapital zu behandeln. Ergibt sich aufgrund der gemäß § 6b Abs. 3 Satz 5 EnWG vorzunehmenden Zuordnung der Vermögens- und Kapitalwerte auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche ein Überschuss der Aktiva über die Passiva, bedeutet dies wirtschaftlich, dass einem Teil des eingesetzten Vermögens Passivpositionen gegenüberstehen, die einem anderen Tätigkeitsbereich zuzuordnen sind. Diese Konstellation ist im Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 GasNEV ebenso zu behandeln wie eine zinslose Überlassung von Vermögensgegenständen durch Dritte. Die Abdeckung von Vermögenswerten durch Passivpositionen aus einem anderen Bereich ist deshalb als Verbindlichkeit im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 GasNEV anzusehen (, RdE 2018, 77 Rn. 20 - SW Kiel Netz GmbH).
11cc) Dies gilt entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts und der Betroffenen auch dann, wenn - wie vorliegend - die Zuordnung des Eigenkapitals auf die Tätigkeitsbereiche nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EnWG ganz überwiegend durch Schlüsselung erfolgt ist, während das Abzugs- und verzinsliche Fremdkapital den einzelnen Tätigkeiten weitgehend direkt und nur zu einem geringen Teil durch Schlüsselung zugeordnet wurde. Ein passiver Kapitalverrechnungsposten im Tätigkeitsbereich Gasverteilung stellt auch dann von anderen Tätigkeitsbereichen zinslos zur Verfügung gestelltes Kapital dar, wenn er auf die Zuordnung des Eigenkapitals durch Schlüsselung auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche zurückzuführen ist.
12(1) Gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 EnWG haben vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen zur Vermeidung von Diskriminierung und Quersubventionierung in ihrer internen Rechnungslegung jeweils getrennte Konten für ihre Tätigkeiten in bestimmten Bereichen, unter anderem in dem Bereich Gasverteilung, zu führen, wie dies erforderlich wäre, wenn diese Tätigkeiten von einem rechtlich selbständigen Unternehmen ausgeführt würden. Nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EnWG hat die Zuordnung zu den Konten durch sachgerechte und für Dritte nachvollziehbare Schlüsselung zu erfolgen, soweit die direkte Zuordnung zu den einzelnen Tätigkeiten nicht möglich ist oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden wäre. Für die einzelnen Tätigkeitsbereiche sind Tätigkeitsabschlüsse aufzustellen und dem Abschlussprüfer vorzulegen (§ 6b Abs. 3 Satz 6 EnWG), der auch zu prüfen hat, ob die Wertansätze und die Zuordnung der Konten sachgerecht und nachvollziehbar erfolgt ist und der Grundsatz der Stetigkeit beachtet worden ist (§ 6b Abs. 5 Satz 1 und 2 EnWG).
13(2) Ergibt sich, wie bei der Betroffenen, bei der nach diesen Vorgaben aufgestellten Bilanz für den Tätigkeitsbereich Gasverteilung eine Lücke auf der Passivseite der Bilanz, ist diese - wie die Beteiligten übereinstimmend darlegen - durch einen passiven Kapitalverrechnungsposten zu schließen. Dadurch ändert sich aber unabhängig davon, worauf die Lücke zurückzuführen ist, nichts an dem dem Tätigkeitsbereich Gasverteilung gemäß § 6b Abs. 3 EnWG zugeordneten Kapital und, da dieses zur Abdeckung der Vermögenswerte im Tätigkeitsbereich Gasverteilung nicht ausreicht, daran, dass in Höhe des Kapitalverrechnungspostens dem Tätigkeitsbereich Gasverteilung zinslos Mittel zur Verfügung gestellt werden, die gemäß § 6b Abs. 3 EnWG anderen Tätigkeitsbereichen zugeordnet sind. Die in § 6b EnWG geregelte buchhalterische Entflechtung mit der Pflicht zur Aufstellung einer gesonderten Bilanz für einzelne Tätigkeitsbereiche des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens dient gerade dem Zweck, die Vermögenslage für diesen Bereich unabhängig von der Tätigkeit in anderen Bereichen zu bewerten (BGH, RdE 2018, 77 Rn. 20 - SW Kiel Netz GmbH) mit der Folge, dass sich auch durch Schlüsselungen im Eigenkapital ergebende Kapitallücken eines Tätigkeitsbereichs wirtschaftlich als von anderen Bereichen zur Verfügung gestelltes Kapital darstellen.
14dd) Da, wie oben ausgeführt (vgl. Rn. 9), die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung einem eigenständigen System folgt, steht der Behandlung des Kapitalverrechnungspostens als Abzugskapital nicht entgegen, dass die Betroffene diesen bilanziell im Bereich Gasverteilung nicht als Verbindlichkeit verbucht und in einem anderen Bereich auch keine entsprechende Forderung ausgewiesen hat, sondern der Kapitalverrechnungsposten bilanziell dem Eigenkapital zugeordnet wurde.
15III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG. Soweit die Betroffene die Rechtsbeschwerde vollständig und die Bundesnetzagentur diese teilweise zurückgenommen haben, haben sie sich jeweils in die Rolle der Unterlegenen begeben. Es entspricht hierbei der Billigkeit, auch insoweit die Erstattung der notwendigen Auslagen der Gegenseite anzuordnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - KVR 19/06, WuW/E DE-R 1982 [juris Rn. 3] - Kostenverteilung nach Rechtsbeschwerderücknahme; vom - EnVR 38/18, juris Rn. 2; vom - EnVR 28/21, juris Rn. 1).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:191223BENVR9.21.0
Fundstelle(n):
BB 2024 S. 752 Nr. 13
BB 2024 S. 754 Nr. 13
WM 2024 S. 645 Nr. 14
TAAAJ-59430