BAG Urteil v. - 2 AZR 146/22

Instanzenzug: Az: 7 Ca 5969/20 Urteilvorgehend Az: 2 Ca 5881/20 Urteilvorgehend Az: 7 Ca 995/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 7 Sa 404/21 Urteil

Tatbestand

1Unter Bezugnahme auf die Leitentscheidung des Senats vom (- 2 AZR 150/22 -) wird entsprechend § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO von der Darstellung des Tatbestands abgesehen.

Gründe

2Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ihre Berufungen gegen die die Kündigungsschutzanträge abweisenden erstinstanzlichen Urteile zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigungen beider Beklagten sind wirksam. Die Auslegung des Betriebsbegriffs des § 24 Abs. 2 KSchG durch das Berufungsgericht erweist sich zwar als rechtsfehlerhaft. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da sich die Entscheidung im Ergebnis als richtig darstellt (§ 561 ZPO).

3I. Die deutschen Gerichte sind international zuständig (vgl.  - Rn. 19 f.).

4II. Auf die Arbeitsverhältnisse der Klägerin mit beiden Beklagten fand deutsches Recht Anwendung (vgl.  - Rn. 21 ff.).

5III. Die Kündigung der Beklagten zu 1. vom ist wirksam und hat ihr Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum Ablauf des beendet.

61. Die Kündigung der Beklagten zu 1. ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG. Die Beklagte zu 1. hat ihren Flugbetrieb in Deutschland stillgelegt.

7a) Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eröffnet, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Die Beklagte zu 1. hat einen Luftverkehrsbetrieb iSv. § 24 Abs. 2 KSchG im Inland unterhalten, in dem mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt wurden. Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerhaft den Begriff des Luftverkehrsbetriebs im Inland zu eng gefasst allein auf den Standort der Beklagten zu 1. in Düsseldorf bezogen. Deren in Stuttgart stationierte Flugzeuge hat es nicht in den Blick genommen. Erst die Gesamtheit dieser Luftfahrzeuge bildete den Luftverkehrsbetrieb der Beklagten zu 1. im Inland (vgl.  - Rn. 32 ff.).

8b) Für die Erfüllung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist es ohne Bedeutung, dass die Klägerin mit der Beklagten zu 1. in ihrem Arbeitsvertrag vom April 2019 ursprünglich die Geltung österreichischen Rechts vereinbart hatte (vgl.  - Rn. 38).

9c) Die Kündigung der Beklagten zu 1. ist nicht sozial ungerechtfertigt. Es liegen dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG vor. Die Beklagte zu 1. hat ihren Luftverkehrsbetrieb in Deutschland - auch unter Berücksichtigung der am Flughafen Stuttgart stationierten Flugzeuge - vollständig stillgelegt, wobei die Stilllegung zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hatte (vgl.  - Rn. 39 ff.).

10d) Das Berufungsgericht hat ohne revisiblen Fehler festgestellt, dass kein einer Betriebsstilllegung entgegenstehender (vgl.  - Rn. 91, BAGE 170, 244) Betriebs(teil)übergang von der Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. vorliegt. Dementsprechend scheidet auch eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB aus (vgl.  - Rn. 45 ff.).

11e) Es bestand keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin auf einem anderen freien Arbeitsplatz (vgl.  - Rn. 54 ff.).

122. Die Kündigung der Beklagten zu 1. ist nicht wegen einer formal oder inhaltlich fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig. Dabei kann offenbleiben, ob Verstöße im Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 3 KSchG überhaupt zur Nichtigkeit einer Kündigung führen können (vgl.  - Rn. 58 ff.).

13IV. Die Kündigung der Beklagten zu 2. ist ebenfalls wirksam und hat ihr Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum Ablauf des beendet.

141. Die Kündigung bedurfte keiner sozialen Rechtfertigung, weil die Klägerin noch nicht die Wartezeit von sechs Monaten des § 1 Abs. 1 KSchG absolviert hat (vgl.  - Rn. 76 ff.).

152. Die Kündigung der Beklagten zu 2. erweist sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB oder einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG als unwirksam oder nichtig (vgl.  - Rn. 86).

16V. Der Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass ihr mit der Beklagten zu 1. bestehendes Arbeitsverhältnis ab dem mit der Beklagten zu 2. fortbesteht, kann angesichts der beiden zum ausgesprochenen Kündigungen nur als Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit den Bestandsschutzanträgen verstanden werden und ist deshalb nicht zur Entscheidung angefallen. Soweit die Vorinstanzen den Feststellungsantrag dennoch ausdrücklich als unbegründet abgewiesen haben, liegt darin ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist insoweit gegenstandslos. Der Tenor der Entscheidung erweist sich dabei im Ergebnis als zutreffend und bedarf keiner Berichtigung (vgl.  - Rn. 47).

17VI. Der gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Weiterbeschäftigungsantrag ist ein unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag und fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (vgl.  - Rn. 45).

18VII. Soweit sich die Klägerin mit ihrer Klage auch gegen weitere Kündigungen beider Beklagten vom wendet, hat das Landesarbeitsgericht hierüber zu Recht nicht entschieden. Angesichts der zum wirksam ausgesprochenen Kündigungen handelt es sich auch hierbei um nicht zur Entscheidung angefallene unechte Hilfsanträge.

19VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:141223.U.2AZR146.22.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-59324