BAG Urteil v. - 2 AZR 302/22

Instanzenzug: Az: 7 Ca 2092/21 Urteilvorgehend Az: 12 Ca 1283/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 10 Sa 975/21 Urteil

Tatbestand

1Unter Bezugnahme auf die Leitentscheidung des Senats vom (- 2 AZR 150/22 -) wird entsprechend § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO von der Darstellung des Tatbestands abgesehen.

Gründe

2Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ihre Berufungen gegen die die Kündigungsschutzanträge abweisenden erstinstanzlichen Urteile zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigungen beider Beklagten sind wirksam. Die Auslegung des Betriebsbegriffs des § 24 Abs. 2 KSchG durch das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung einer anderen Kammer des Landesarbeitsgerichts erweist sich zwar als rechtsfehlerhaft. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da sich die Entscheidung im Ergebnis als richtig darstellt (§ 561 ZPO).

3I. Die deutschen Gerichte sind international zuständig (vgl.  - Rn. 19 f.).

4II. Auf die Arbeitsverhältnisse der Klägerin mit beiden Beklagten fand deutsches Recht Anwendung (vgl.  - Rn. 21 ff.).

5III. Die undatierte Kündigung der Beklagten zu 1. ist wirksam und hat ihr Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum Ablauf des beendet.

61. Die Kündigung der Beklagten zu 1. ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG. Die Beklagte zu 1. hat ihren Flugbetrieb in Deutschland stillgelegt.

7a) Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eröffnet, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Die Beklagte zu 1. hat einen Luftverkehrsbetrieb iSv. § 24 Abs. 2 KSchG im Inland unterhalten, in dem mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt wurden. Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerhaft den Begriff des Luftverkehrsbetriebs im Inland zu eng gefasst allein auf den Standort der Beklagten zu 1. in Düsseldorf bezogen. Deren in Stuttgart stationierte Flugzeuge hat es nicht in den Blick genommen. Erst die Gesamtheit dieser Luftfahrzeuge bildete den Luftverkehrsbetrieb der Beklagten zu 1. im Inland (vgl.  - Rn. 32 ff.).

8b) Für die Erfüllung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist es ohne Bedeutung, dass die Klägerin mit der Beklagten zu 1. in ihrem ab geltenden Arbeitsvertrag ursprünglich die Geltung österreichischen Rechts vereinbart hatte (vgl.  - Rn. 38).

9c) Die Kündigung der Beklagten zu 1. ist nicht sozial ungerechtfertigt. Es liegen dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG vor. Die Beklagte zu 1. hat ihren Luftverkehrsbetrieb in Deutschland - auch unter Berücksichtigung der am Flughafen Stuttgart stationierten Flugzeuge - zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vollständig stillgelegt (vgl.  - Rn. 39 ff.).

10d) Das Berufungsgericht hat ohne revisiblen Fehler festgestellt, dass kein einer Betriebsstilllegung entgegenstehender (vgl.  - Rn. 91, BAGE 170, 244) Betriebs(teil)übergang von der Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. vorliegt. Dementsprechend scheidet auch eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB aus (vgl.  - Rn. 45 ff.).

11e) Es bestand keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin auf einem anderen freien Arbeitsplatz (vgl.  - Rn. 54 ff.).

122. Die Kündigung der Beklagten zu 1. ist nicht wegen einer formal oder inhaltlich fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig. Dabei kann offenbleiben, ob Verstöße im Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 3 KSchG überhaupt zur Nichtigkeit einer Kündigung führen können (vgl.  - Rn. 58 ff.).

13IV. Die Kündigung der Beklagten zu 2. ist ebenfalls wirksam und hat ihr Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum Ablauf des beendet.

141. Die Kündigung der Beklagten zu 2. bedurfte keiner sozialen Rechtfertigung, weil sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung im April 2021 keinen Luftverkehrsbetrieb iSv. § 24 Abs. 2 KSchG im Inland unterhalten hat, in dem mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt wurden. Die Beklagte zu 2. hatte vielmehr kein Luftfahrzeug im Inland stationiert (vgl.  - Rn. 36). Unabhängig davon sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, wonach die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt wäre, da aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung ein Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin entfallen war, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

152. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 2. der Klägerin freie Arbeitsplätze im Ausland hätte anbieten müssen. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin bereits nicht substantiiert dargelegt, dass es solche Arbeitsplätze zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung gab.

163. Die Kündigung der Beklagten zu 2. erweist sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB oder einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG als unwirksam oder nichtig (vgl.  - Rn. 86).

17V. Da die Klägerin den Antrag auf Feststellung, dass ihr mit der Beklagten zu 1. bestehendes Arbeitsverhältnis ab dem mit der Beklagten zu 2. fortbesteht, ausdrücklich in den Vordergrund gestellt hat, war über ihn als Hauptantrag zu entscheiden. Der auf einen Betriebsübergang abzielende Feststellungsantrag ist aber unbegründet, da ein Betriebsübergang von der Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. nicht erfolgt ist (vgl. oben Rn. 10).

18VI. Der gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Weiterbeschäftigungsantrag ist ein unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag und fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (vgl.  - Rn. 45).

19VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:141223.U.2AZR302.22.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-59318