Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Gesetze: § 29a Abs 1 BtMG, § 64 S 1 StGB vom , § 73 StGB, § 73c StGB
Instanzenzug: Az: 4 StR 209/23 Beschlussvorgehend LG Zweibrücken Az: 1 KLs 4142 Js 580/20nachgehend Az: 4 StR 209/23 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, in einem Fall davon in Tateinheit mit Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, der zudem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Das Rechtsmittel erzielt – nach Wiedereinsetzung – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Dem Angeklagten ist auf seinen Antrag aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
32. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht vollumfänglich stand. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts, wonach der Angeklagte im Fall II.13. der Urteilsgründe neben der (zutreffend angenommenen) Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch den Tatbestand eines – täterschaftlichen – Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwirklicht hat, wird von den Feststellungen nicht getragen. Hiernach beteiligte sich der Angeklagte an der Räumung einer von dem gesondert verurteilten I. und weiteren Personen zur Lagerung von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmter Betäubungsmittel genutzten Bunkerwohnung, indem er 8 kg Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 28,3 % hinaustrug. Soweit der Angeklagte ausweislich der Urteilsausführungen zur Beweiswürdigung unter Bestreiten dieses Gehilfenbeitrags angegeben hat, er habe von I. 1 kg des Amphetamins aus der Bunkerwohnung zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben, ist das Landgericht seiner Einlassung – rechtsfehlerfrei – nicht gefolgt und hat entsprechende Feststellungen, die ein eigenes Handeltreiben des Angeklagten in diesem Fall tragen könnten, gerade nicht getroffen.
4Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO dahin ab, dass die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfällt.
53. Der Rechtsfolgenausspruch hat nur zu einem geringen Teil Bestand.
6a) Der Strafausspruch unterliegt insgesamt der Aufhebung. Die Einzelstrafe im Fall II.13. der Urteilsgründe kann infolge der Schuldspruchänderung nicht bestehen bleiben, denn das Landgericht hat sie – gemäß § 52 Abs. 2 StGB – dem für ein täterschaftliches Handeltreiben in nicht geringer Menge geltenden (nicht gemilderten) Strafrahmen des § 29a Abs. 1 StGB entnommen. Bereits der Wegfall dieser Einzelstrafe, bei der es sich um die Einsatzstrafe der Gesamtstrafenbildung handelt, entzieht zugleich der Gesamtstrafe die Grundlage.
7Überdies weist auch die Zumessung der weiteren Einzelstrafen durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat. Die Strafkammer hat in sämtlichen Fällen sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne strafschärfend die hohe Gesamtwirkstoffmenge der Betäubungsmittel berücksichtigt. Dies ist rechtsfehlerhaft. Die Summe der gehandelten Betäubungsmittel kommt – unter den hier gegebenen Umständen – erst bei der Bemessung der Gesamtstrafe in Betracht (vgl. , StV 2023, 457 Rn. 6 mwN). Weiter hat das Landgericht dem Angeklagten bei sämtlichen Einzelstrafen angelastet, dass „fast alle“ Betäubungsmittel in den Verkehr gelangt seien. Damit hat es rechtsfehlerhaft das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes strafschärfend berücksichtigt (vgl. Rn. 6 mwN).
8Der Senat vermag ein Beruhen der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe auf diesen Rechtsfehlern (§ 337 StPO) nicht auszuschließen und hebt daher den Strafausspruch insgesamt auf. Die zugehörigen Feststellungen werden von den Wertungsfehlern nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
9b) Auch die – den Angeklagten beschwerende (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 4 mwN) – Maßregelanordnung ist rechtsfehlerhaft und unterliegt deshalb der Aufhebung (§ 349 Abs. 4 StPO). Dabei kann offenbleiben, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 64 StGB in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung (vom ) zutreffend angenommen hat. Denn jedenfalls kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass auch die strengeren Anforderungen der seit dem geltenden und gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO der revisionsrechtlichen Nachprüfung durch den Senat zugrunde zu legenden Fassung der Norm (vgl. Rn. 2 mwN) erfüllt sind. Namentlich ergeben die Feststellungen des Landgerichts nicht, dass bei dem Angeklagten, der bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache in Festanstellung als Maschinen- und Anlagenführer beschäftigt war, ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1, Halbsatz 2 StGB n.F. bestand und fortbesteht. Es ist allerdings nicht gänzlich auszuschließen, dass in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt tragen könnten. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
10c) Die Einziehungsentscheidung nach § 73, § 73c StGB wird nur in Höhe von 2.500 Euro von den Feststellungen getragen, denn die Strafkammer hat Verkaufserlöse (in dieser Höhe), an denen der Angeklagte wenigstens eine Mitverfügungsgewalt erlangt hatte, allein im Fall II.7. der Urteilsgründe festgestellt. Ergänzend nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug. Da weitere Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, ändert der Senat die Einziehungsentscheidung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab.
114. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:201223B4STR209.23.1
Fundstelle(n):
ZAAAJ-59198