Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten
Gesetze: § 27 Abs 2 SGB, § 47 Abs 1 SGB, § 47 Abs 2 S 1 SGB, § 49 Abs 1 Nr 2 S 1 SGB, § 49 Abs 1 Nr 3 SGB, § 267 Abs 3 S 2 Alt 2 StPO, § 29a Abs 1 BtMG
Instanzenzug: LG Hechingen Az: 1 KLs 17 Js 1403/21 jug
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Die verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten kann keinen Bestand haben.
3a) Nach Ansicht der Strafkammer machen die Umstände der Tat, das – anderweitige Taten des Mitangeklagten B. betreffende, überschießend festgestellte – Vor- und Nachtatverhalten der Angeklagten sowie ihre sich hierin abzeichnende Gesinnung die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe „zur Verteidigung der Rechtsordnung unumgänglich“ (UA S. 67). Anderenfalls würde „die Verhängung einer Geldstrafe für das allgemeine Rechtsempfinden schlechterdings unverständlich erscheinen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen [werde] erschüttert“ (UA S. 67).
4b) Dies hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer zwar die Strafe dem – nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3, § 27 Abs. 2 StGB gemilderten – Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen. Nicht beachtet hat sie aber, dass die Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten aus generalpräventiven Gründen regelmäßig nur Bestand haben kann, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unerlässlich erweist (§ 47 Abs. 1 StGB) und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird ( Rn. 7 mwN).
5Eine solche Gesamtwürdigung der besonderen Umstände in der Persönlichkeit der Angeklagten und der ihr zur Last gelegten konkreten Tat belegen die Urteilsgründe entgegen § 267 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO – auch aus ihrem Gesamtzusammenhang (vgl. Rn. 4) – nicht. Unter lediglich pauschaler „nochmaliger Berücksichtigung der für die Angeklagte sprechenden Umstände unter Vornahme einer Gesamtwürdigung“ (UA S. 67) hat die Strafkammer maßgeblich auf die Mitwirkung der Angeklagten an Handlungen jenseits des einzigen sie betreffenden Anklagevorwurfs abgestellt, nämlich an den Bemühungen des Mitangeklagten B. , die von ihm begangenen Geldfälschungsdelikte zu verbergen und deren Aufklärung zu erschweren, sowie an den weiteren Betäubungsmittelbeschaffungsfahrten des Mitangeklagten vom 12. März, 22. März, 20. April und . Dies lässt besorgen, die Strafkammer habe aus dem Blick verloren, dass auch im Anwendungsbereich des § 47 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 StGB die Strafe einen gerechten Schuldausgleich für das begangene Tatunrecht nach Maßgabe der Schwere der Tat und des Grads der persönlichen Schuld des Täters darstellen muss (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 626/13, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 4 Rn. 6 [zu § 29 Abs. 5 BtMG] und vom – 2 StR 500/86 Rn. 17). Danach hätten insbesondere die bisherige Unbestraftheit der Angeklagten, das Gewicht ihrer Tathandlung sowie die Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge des Wirkstoffgehalts THC (allein) um das 1,6-fache eine vertiefte Erörterung nahegelegt, weshalb eine Geldstrafe (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 StGB) das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts ernsthaft beeinträchtigen würde.
6c) Die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO) und können im zweiten Rechtsgang um solche ergänzt werden, die ihnen nicht widersprechen.
7d) Der Senat verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 2, Abs. 3 StPO an das Amtsgericht Hechingen – Strafrichter – zurück, da sich das weitere Verfahren nur noch gegen eine Erwachsene richtet (vgl. Rn. 12 mwN) und insoweit die Strafgewalt des Strafrichters ausreichend erscheint.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:121223B1STR16.23.1
Fundstelle(n):
MAAAJ-58819