BGH Beschluss v. - EnVZ 92/20

Gesetze: § 30 EnWG

Instanzenzug: Az: VI-3 Kart 867/19 (V)

Gründe

1I. Die Antragstellerin, eine unabhängige Einkaufs- und Konsumgenossenschaft für den Bezug von Energie in Form von Gas, Strom und anderen Energieträgern, machte mit Schreiben vom bei der Bundesnetz-agentur geltend, die weitere Beteiligte (im Folgenden: Netzbetreiberin) habe gegen die Regelungen zum sicheren Austausch von Übertragungsdateien verstoßen, weil sie keine elektronische Signatur verwendet habe. Die Bundesnetzagentur lehnte mit Schreiben vom ein Tätigwerden ab.

2Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde hat die Antragstellerin beantragt, die Bundesnetzagentur zu verpflichten, über die Beschwerde gegen die Netzbetreiberin zu entscheiden. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht hat - soweit hier erheblich - ausgeführt, dass schon Zweifel an der Beschwerdebefugnis der Antragstellerin bestünden, da die Verpflichtungsbeschwerde gemäß § 75 Abs. 3 EnWG voraussetze, dass ein Rechtsanspruch geltend gemacht werde. Die "Beschwerde vom " sei, ohne dass die Antragstellerin dem widersprochen habe, im Verwaltungsverfahren als Anregung auf Einleitung einer Missbrauchsaufsicht nach § 30 Abs. 2 EnWG behandelt worden. Es bestehe kein Anspruch auf ein positives, auf ein bestimmtes Ergebnis gerichtetes Einschreiten der Bundesnetzagentur. Allenfalls könne die ablehnende Entscheidung der Bundesnetzagentur daraufhin überprüft werden, ob sie ermessensfehlerfrei erfolgt sei. Dies sei hier der Fall, so dass die Beschwerde jedenfalls unbegründet sei.

52. Diese Beurteilung erfordert unter keinem der in § 86 Abs. 2 EnWG genannten Gesichtspunkte die Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren.

6a) Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (, RdE 2022, 291 Rn. 7). Dies muss in der Nichtzulassungsbeschwerde konkret aufgezeigt werden (vgl. , RdE 2023, 282 Rn. 6, 8 m.w.N.).

7b) Nach diesen Maßstäben legt die Nichtzulassungsbeschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar. Sie benennt schon keine konkrete durch das Verfahren aufgeworfene Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung auf die Rechtssätze gestützt, dass den Regulierungsbehörden bei der allgemeinen Missbrauchsaufsicht nach § 30 EnWG ein Entschließungsermessen zukommt, das nach auch im Energiewirtschaftsrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen gerichtlich nur daraufhin überprüfbar ist, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten (Ermessensüberschreitung), ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensfehlgebrauch). Diese Rechtssätze sind anerkannt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - EnVR 10/13, RdE 2015, 29 Rn. 15 - Stromnetz Homberg; vom - EnVR 18/14, RdE 2016, 31 Rn. 11 - Stadtwerke Schwerte GmbH; vom - EnVR 12/17, RdE 2018, 531 Rn. 17; vom - EnVR 91/20, WM 2023, 537 Rn. 15 - Netzreservekapazität II) und bedürfen nicht der Klärung.

8c) Die Nichtzulassungsbeschwerde legt auch nicht dar, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts veranlasst ist (§ 86 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. EnWG). Der Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. Die Gesichtspunkte, die Gegenstand der geltend gemachten Rechtsfortbildung sind, müssen entscheidungserheblich sein, weil gerade der Einzelfall Veranlassung zur Rechtsfortbildung geben muss (, juris Rn. 11 zu § 77 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. GWB). Dies ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt (vgl. oben Rn. 7), nicht der Fall.

9d) Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 86 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. EnWG) erfordert nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, insbesondere weicht die angegriffene Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht von dem von der Nichtzulassungsbeschwerde zitierten Urteil des OLG Naumburg vom (7 U 46/18, juris) ab. In den beiden Entscheidungen werden keine voneinander abweichenden Rechtssätze aufgestellt. Das Beschwerdegericht hatte nicht darüber zu entscheiden und hat nicht darüber entschieden, ob das von der Netzbetreiberin beim Austausch von Übertragungsdateien verwendete fortgeschrittene elektronische Siegel den Vorgaben zur elektronischen Marktkommunikation gemäß dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom (BK 6-16-200) entsprach, sondern vielmehr, ob die Entscheidung der Bundesnetzagentur, gegen die Netzbetreiberin wegen der Verwendung des elektronischen Siegels statt einer elektronischen Signatur kein Missbrauchsverfahren gemäß § 30 Abs. 2 EnWG einzuleiten, ermessensfehlerhaft war. Hierzu sind der zitierten zivilrechtlichen Entscheidung des OLG Naumburg keine von der Entscheidung des Beschwerdegerichts abweichenden Rechtssätze zu entnehmen.

10III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:191223BENVZ92.20.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-58622