Instanzenzug: Az: 501 KLs 9/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen Vorwegvollzug von drei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe bestimmt. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung der Unterbringungsentscheidung; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Dabei kann dahinstehen, ob sich aus den Feststellungen ein Hang des Angeklagten im Sinne der Neufassung von § 64 Satz 1 StGB ergibt und ob sie die Annahme tragen, dass die abgeurteilten Taten wie nunmehr erforderlich überwiegend auf diesen Hang zurückgehen (vgl. zum neuen Maßstab BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 246/23; vom – 5 StR 345/23). Denn jedenfalls fehlt es an einer Erfolgsaussicht der Maßregel im Sinne des § 64 Satz 2 StGB. Danach darf eine Anordnung nur ergehen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten ist, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
3Das Landgericht hat sich zu dieser Frage der Einschätzung der psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen, wonach die Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Therapierung des Angeklagten günstig seien, auch wenn dieser sich in der Hauptverhandlung nicht zu seiner Therapiemotivation geäußert habe. So habe der nun 30-jährige Angeklagte erst im Alter von 27 Jahren das erste Mal Kokain konsumiert und bisher keine Drogentherapie absolviert, zudem sei er in Berlin – seinem Wohnort – verwurzelt. Eine tatsachenbasierte konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel ist hierdurch jedoch nicht belegt (vgl. hierzu nur ).
4Hinzu kommt, dass sich die Urteilsgründe mit dort mitgeteilten prognoseungünstigen Faktoren nicht auseinandersetzen. So hat die Strafkammer vor der Hauptverhandlung eine Verschonung des Angeklagten vom Vollzug der Untersuchungshaft widerrufen, weil er der Weisung, sich um eine ambulante oder stationäre Drogentherapie zu bemühen, nur unzureichend nachgekommen ist. Zudem hat er sich gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen dahin geäußert, „eigentlich nicht in die Entziehungsanstalt“ zu wollen, über die er sich zuvor bereits informiert hatte, sondern „dann doch lieber eine Haftstrafe“. Selbst wenn das Fehlen eines Therapiewillens eine Unterbringung nach § 64 StGB nicht grundsätzlich hindert, so liegt darin doch ein gegen die Erfolgsaussicht der Entwöhnungsbehandlung sprechendes gewichtiges Indiz. Um gleichwohl von der Erwartung eines Therapieerfolgs im Sinne des § 64 Satz 2 StGB ausgehen zu können, hätte es schon nach der bisherigen Rechtsprechung zu den nach früherem Recht niedrigeren Anforderungen für die Erfolgsprognose (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 48, 70) einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände unter Einschluss dieses Gesichtspunkts bedurft (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 274/22; vom – 2 StR 172/19, NStZ-RR 2020, 71), an der es insoweit fehlt.
5Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:051223B5STR460.23.0
Fundstelle(n):
KAAAJ-58610