Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 49 AEUV – Niederlassungsfreiheit – Art. 63 und 65 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen – Steuervergünstigung auf dem Gebiet der Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an kleinen Unternehmen – Ausschluss von Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten – Begriff der ‚missbräuchlichen Praxis
Leitsatz
Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerpraxis eines Mitgliedstaats im Bereich der Einkommensteuer entgegensteht, nach der eine Steuervergünstigung, die darin besteht, die Steuer auf den durch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen entstandenen Veräußerungsgewinn um die Hälfte zu vermindern, auf Veräußerungen von Anteilen an Gesellschaften mit Sitz in diesem Mitgliedstaat beschränkt und für Veräußerungen von Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschlossen wird.
Gesetze: AEUV Art. 49, AEUV Art. 63, AEUV Art. 65
Instanzenzug:
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 63 AEUV sowie des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots des Rechtsmissbrauchs.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen NO, einem in Portugal wohnhaften französischen Staatsangehörigen, und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) (im Folgenden: Steuerbehörde) betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung eines Bescheids über die Festsetzung der Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen (im Folgenden: Einkommensteuer) in Bezug auf die von NO im Jahr 2019 erzielten Einkünfte.
Rechtlicher Rahmen
Das Einkommensteuergesetzbuch
3 Art. 10 („Veräußerungsgewinne“) des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetzbuch, im Folgenden: CIRS) bestimmt:
„1. Veräußerungsgewinne sind die erzielten Gewinne, die keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb und kein Erwerbseinkommen, keine Kapitalerträge oder Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen darstellen und sich aus Folgendem ergeben:
…
b) der entgeltlichen Veräußerung von Gesellschaftsanteilen und sonstigen Wertpapieren;
…
4. Der der Einkommensteuer unterliegende Gewinn besteht in:
a) der Differenz zwischen dem Veräußerungs- und dem Anschaffungswert, beide in den Fällen des Abs. 1 Buchst. a, b und c gegebenenfalls abzüglich des als Kapitalertrag anzusehenden Teils;
…“
4 Art. 43 („Veräußerungsgewinne“) CIRS sieht vor:
„1. Als Veräußerungsgewinn gilt die Differenz zwischen den in demselben Jahr erzielten, gemäß den nachstehenden Artikeln ermittelten Gewinnen und Verlusten.
…
3. Die in Abs. 1 genannte Differenz, die sich auf die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b genannten Transaktionen betreffend Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen bezieht, die nicht am regulierten oder nicht regulierten Börsenmarkt notiert sind, wird ebenfalls mit 50 % ihres Wertes berücksichtigt, wenn sie positiv ist.
4. Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen im Sinne des vorstehenden Absatzes sind Einrichtungen, die im Anhang des Decreto-Lei no 372/2007 (gesetzesvertretende Verordnung Nr. 372/2007 vom [Diário da República, 1. Serie, Nr. 213 vom ]) als solche definiert sind.“
5 Art. 44 („Veräußerungswert“) Abs. 1 CIRS bestimmt:
„Für die Ermittlung der einkommensteuerpflichtigen Gewinne gilt als Veräußerungswert:
…
f) in den übrigen Fällen der Wert der jeweiligen Gegenleistung.“
6 In Art 48 CIRS („Wert des entgeltlichen Erwerbs von Gesellschaftsanteilen und anderen Wertpapieren“) heißt es:
„Im Fall von Art. 10 Abs. 1 Buchst. b ist der Anschaffungswert, wenn der Erwerb entgeltlich erfolgt, wie folgt:
…
b) bei Anteilen, anderen Gesellschaftsanteilen, gedeckten Optionsscheinen, Zertifikaten im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. g oder anderen Wertpapieren, die nicht an einem regulierten Markt notiert sind, die durch Unterlagen nachgewiesenen Kosten oder, in Ermangelung solcher Unterlagen, der Nennwert;
…“
Die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 372/2007
7 Art. 2 („Mitarbeiterzahlen und finanzielle Schwellenwerte zur Definition der Unternehmensklassen“) des Anhangs der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 372/2007 bestimmt:
„1. Die Größenklasse der Kleinstunternehmen und kleinen sowie mittleren Unternehmen (KMU) setzt sich aus Unternehmen zusammen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Millionen Euro beläuft.
2. Innerhalb der Größenklasse der KMU wird ein kleines Unternehmen als ein Unternehmen definiert, das weniger als 50 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 10 Millionen Euro nicht übersteigt.
3. Innerhalb der Größenklasse der KMU wird ein Kleinstunternehmen als ein Unternehmen definiert, das weniger als 10 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Millionen Euro nicht überschreitet.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
8 NO, ein französischer Staatsangehöriger, der im Jahr 2019 seinen steuerlichen Wohnsitz in Portugal hatte, verkaufte im selben Jahr 29 222 Anteile an einer Gesellschaft französischen Rechts, der Château de La Bourdaisière SARL (im Folgenden: CLB), an die Prince Vert SAS, eine andere Gesellschaft französischen Rechts. Diese Anteile entsprachen 47,5 % des Gesellschaftskapitals der CLB. NO, der diese Anteile in den Jahren 2011 und 2012 für 279 129 Euro erworben hatte, veräußerte sie zu einem Preis von 850 000 Euro, den Prince Vert bezahlte, indem sie ein Darlehen zeichnete.
9 Zum Zeitpunkt dieser Veräußerung hielt NO außerdem 86 % des Gesellschaftskapitals der Prince Vert. Weder CLB noch Prince Vert hatten zwischen dem Jahr 2013 und dem Jahr 2019 Dividenden ausgeschüttet. NO hielt vor dieser Veräußerung unmittelbar und mittelbar 99,71 % der Anteile an CLB und nach der Veräußerung unmittelbar und mittelbar noch 93,06 % dieser Anteile. Mit anderen Worten übertrug er durch diesen Vorgang tatsächlich nur die Kontrolle über 6,65 % des Gesellschaftskapitals der CLB, deren Geschäftsführer und Mehrheitsanteilseigner er blieb.
10 Im Jahr 2019 war CLB ein „kleines Unternehmen“ im Sinne von Art. 2 des Anhangs der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 372/2007, da sie eine Mitarbeiterzahl von 15 Personen und einen Jahresumsatz bzw. eine Jahresbilanzsumme von höchstens 10 Mio. Euro aufwies. CLB hatte ihren tatsächlichen und ihren steuerlichen Sitz in Frankreich und übte im portugiesischen Hoheitsgebiet keine wirtschaftliche Tätigkeit aus.
11 In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 gab NO die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an der CLB und den daraus resultierenden Gewinn an. Auf der Grundlage dieser Erklärung erteilte ihm die Steuerverwaltung einen Feststellungsbescheid über die Einkommensteuer. Die Steuerverwaltung berechnete die von NO für diese Veräußerung zu entrichtende Steuer, indem sie den gesamten Gewinn aus der Veräußerung berücksichtigte, ohne die in Art. 43 Abs. 3 CIRS vorgesehene Reduzierung um 50 % für Veräußerungen von Anteilen an Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen anzuwenden, die nicht an regulierten oder nicht regulierten Börsenmärkten notiert sind.
12 Am erhob NO beim Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren – CAAD], Portugal) – dem vorlegenden Gericht – Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheids mit der Begründung, dass die Steuerverwaltung es zu Unrecht unterlassen habe, die in Art. 43 Abs. 3 CIRS vorgesehene Steuervergünstigung anzuwenden. Die Steuerverwaltung macht geltend, dass diese Bestimmung zum Ziel habe, portugiesische Unternehmen zu unterstützen und die wirtschaftliche Tätigkeit in Portugal anzukurbeln. Folglich seien Veräußerungen von Anteilen an Gesellschaften mit Sitz außerhalb Portugals davon auszuschließen, da solche Transaktionen nicht zur portugiesischen Wirtschaftstätigkeit beitrügen.
13 Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob eine Verwaltungspraxis, nach der Steuerpflichtigen, die Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften halten, die in Art. 43 Abs. 3 CIRS vorgesehene Steuervergünstigung versagt wird, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Das vorlegende Gericht weist insbesondere darauf hin, dass diese Praxis sowohl zu einer ungerechtfertigten Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV führen könnte, da sie zur Folge habe, dass Personen mit Wohnsitz in Portugal davon abgehalten würden, fortgesetzt und dauerhaft am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats teilzunehmen, als auch zu einer ungerechtfertigten Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV, da sie Personen mit Wohnsitz in Portugal davon abhalten könnte, ihr Kapital in einem anderen Mitgliedstaat anzulegen.
14 Außerdem weist das vorlegende Gericht von sich aus darauf hin, dass es ernsthafte und objektive Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Veräußerung der Anteile an der CLB an Prince Vert ein künstlicher Vorgang sein könnte, d. h. ein Vorgang, dessen Form nicht die wirtschaftliche Realität oder das tatsächlich erzielte Ergebnis widerspiegele und der im Wesentlichen zu dem Zweck erfolgt sein könnte, einen Steuervorteil zu erlangen. Es handele sich nicht um eine echte Veräußerung von Anteilen, die zu einem Wertzuwachs geführt hätte, sondern um eine versteckte Ausschüttung von Dividenden. Eine solche Dividendenausschüttung hätte nach nationalem Recht jedoch höher besteuert werden müssen als ein Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen. Das vorlegende Gericht möchte daher wissen, ob sich ein Steuerpflichtiger in einer solchen Situation auf die Art. 49 und 63 AEUV berufen kann, um in den Genuss einer durch das nationale Recht eingeführten Steuervergünstigung zu kommen.
15 Das Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren – CAAD]) hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Art. 49 (Niederlassungsrecht) und/oder Art. 63 (freier Kapitalverkehr) AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Rechtsvorschrift oder Steuerpraxis eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der für die Zwecke der Besteuerung des Einkommens einer natürlichen Person in diesem Mitgliedstaat eine Steuervergünstigung, die in der Besteuerung von 50 % des Gewinns aus der Übertragung von Gesellschaftsanteilen besteht, auf die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften nationalen Rechts, nicht aber auf die Übertragung von Anteilen an in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaften anwendbar ist?
Sind Art. 49 (Niederlassungsrecht) und/oder Art. 63 (freier Kapitalverkehr) AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Rechtsvorschrift oder Steuerpraxis eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der für die Zwecke der Besteuerung des Einkommens einer natürlichen Person in diesem Mitgliedstaat eine Steuervergünstigung, die in der Besteuerung von 50 % des Gewinns aus der Übertragung von Gesellschaftsanteilen besteht, auf die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften mit tatsächlichem Sitz im Inland, nicht aber auf die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften mit tatsächlichem Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist?
Sind Art. 49 (Niederlassungsrecht) und/oder Art. 63 (freier Kapitalverkehr) AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Rechtsvorschrift oder Steuerpraxis eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der für die Zwecke der Besteuerung des Einkommens einer natürlichen Person in diesem Mitgliedstaat eine Steuervergünstigung, die in der Besteuerung von 50 % des Gewinns aus der Übertragung von Gesellschaftsanteilen besteht, auf die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften mit steuerlichem Sitz im Inland, nicht aber auf die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften mit steuerlichem Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist?
Sind Art. 49 (Niederlassungsrecht) und/oder Art. 63 (freier Kapitalverkehr) AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Rechtsvorschrift oder Steuerpraxis eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der für die Zwecke der Besteuerung des Einkommens einer natürlichen Person in diesem Mitgliedstaat eine Steuervergünstigung, die in der Besteuerung von 50 % des Gewinns aus der Übertragung von Gesellschaftsanteilen besteht, auf die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften, die im Inland tätig sind, nicht aber auf die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats tätig sind, anwendbar ist?
Ist der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken dahin auszulegen, dass er auf eine Übertragung von Gesellschaftsanteilen wie im vorliegenden Fall anwendbar ist, die im Ergebnis einer Dividendenausschüttung gleichkommt und deren rechtliche Form vom Steuerpflichtigen im Wesentlichen in der Absicht gewählt wurde, eine Steuervergünstigung zu erlangen, die sich aus dem nationalen Recht ergibt und ausschließlich für Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren gilt, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Anerkennung der fraglichen Steuervergünstigung für den Steuerpflichtigen von der Möglichkeit abhängt, sich auf das Niederlassungsrecht nach Art. 49 AEUV und/oder die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV zu berufen und dieses Recht und/oder diese Freiheit auszuüben?
Ist der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken dahin auszulegen, dass er einen Steuerpflichtigen daran hindert, sich auf das Niederlassungsrecht (nach Art. 49 AEUV) und/oder die Kapitalverkehrsfreiheit (nach Art. 63 AEUV) zu berufen und dieses Recht und/oder diese Freiheit auszuüben, um eine im nationalen Recht vorgesehene Steuervergünstigung für Veräußerungsgewinne aus der Übertragung von Gesellschaftsanteilen in Anspruch zu nehmen, wenn er mit dem Hauptzweck, in den Genuss dieser Steuervergünstigung zu kommen, eine Transaktion in einer Form vorgenommen hat, die im Ergebnis einer Dividendenausschüttung gleichkommt, wie eine Übertragung von Aktien?
Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger auf die Rechtssicherheit oder den Vertrauensschutz berufen, um die Verweigerung der Anerkennung des Niederlassungsrechts und/oder der Kapitalverkehrsfreiheit in Anwendung des Grundsatzes des Verbots missbräuchlicher Praktiken zu beanstanden und so diese missbräuchliche Praxis zu legitimieren?
Ist der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken dahin auszulegen, dass seine Anwendung vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung der allgemeinen nationalen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift abhängt?
Ist der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken dahin auszulegen, dass seine Anwendung davon abhängt, dass die nationalen Behörden sich darauf berufen?
Ist der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken dahin auszulegen, dass seine Anwendung davon abhängt, dass die nationalen Steuerbehörden das für die Anwendung der allgemeinen nationalen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift vorgesehene Verfahren einhalten?
Ist – angesichts der Tatsache, dass das nationale Gericht nur befugt ist, die Rechtmäßigkeit von Steuerrechtsakten zu beurteilen und über deren Aufhebung oder Aufrechterhaltung in der Rechtsordnung zu entscheiden, ohne sich an die Stelle der Steuerverwaltung zu setzen – der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken dahin auszulegen, dass das Tribunal Arbitral dafür zuständig ist, die missbräuchliche Transaktion neu zu klassifizieren/umzudefinieren/umzuklassifizieren und die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften auf die Transaktion anzuwenden, die an deren Stelle existieren würde?
Zu den Vorlagefragen
Zu den Fragen 1 bis 4
16 Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 49 und/oder Art. 63 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Steuerpraxis eines Mitgliedstaats im Bereich der Einkommensteuer entgegenstehen, nach der eine Steuervergünstigung, die darin besteht, die Steuer auf durch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen entstandene Veräußerungsgewinne um die Hälfte zu vermindern, auf Veräußerungen von Anteilen an Gesellschaften mit Sitz in diesem Mitgliedstaat beschränkt und für Veräußerungen von Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschlossen wird.
Zu der einschlägigen Grundfreiheit
17 Da sich diese Vorlagefragen sowohl auf die Vorschriften des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit als auch auf diejenigen über den freien Kapitalverkehr beziehen, ist zu klären, welche Freiheit im Ausgangsrechtsstreit anwendbar ist (Urteil vom , Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Befreiung von Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 34).
18 Um festzustellen, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere der nach dem AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten fällt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (Urteil vom , UBS Real Estate, C‑478/19 und C‑479/19, EU:C:2021:1015, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
19 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nationale Rechtsvorschriften, die nur auf Beteiligungen anwendbar sind, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, in den Anwendungsbereich des die Niederlassungsfreiheit betreffenden Art. 49 AEUV fallen. Hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen (Urteil vom , Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Befreiung von Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
20 Im vorliegenden Fall zielt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, wie sie von der Steuerverwaltung umgesetzt wird, darauf ab, die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen, die nicht an regulierten oder nicht regulierten Börsenmärkten notiert sind, steuerlich zu begünstigen, sofern diese Unternehmen in Portugal eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Wie die Europäische Kommission ausgeführt hat, gilt diese Regelung für alle Veräußerungen von Anteilen an diesen Gesellschaften, unabhängig vom Umfang der betreffenden Beteiligungen.
21 Somit bezieht sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung allgemein auf Beteiligungen, wobei Sachverhalte, die unter die Niederlassungsfreiheit fallen, vom Anwendungsbereich der Regelung nicht ausgeschlossen sind. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Beteiligungen in der Absicht erworben wurden, auf die Verwaltung und Kontrolle eines Unternehmens Einfluss zu nehmen. Diese Regelung kann daher vorwiegend den freien Kapitalverkehr beeinträchtigen. Die etwaige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch diese Regelung stellt eine unvermeidliche Folge der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar und rechtfertigt daher keine eigenständige Prüfung anhand von Art. 49 AEUV (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Befreiung von Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zur Beschränkung des freien Kapitalverkehrs
22 Nach Art. 63 Abs. 1 AEUV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.
23 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gehören zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (Urteil vom , AllianzGI-Fonds AEVN, C‑545/19, EU:C:2022:193, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Im vorliegenden Fall begründet die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, wie sie von der Steuerverwaltung umgesetzt wird, eine Ungleichbehandlung zwischen portugiesischen Steueransässigen, die Beteiligungen an Unternehmen halten, die in Portugal eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, und solchen, die Beteiligungen an Unternehmen halten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit außerhalb Portugals ausüben, da die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an letzteren Unternehmen höher besteuert werden. Diese Regelung macht somit Investitionen in Unternehmen mit Sitz in Portugal zum Nachteil von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten attraktiver.
25 Eine solche Ungleichbehandlung nach dem Ort der Kapitalanlage führt dazu, dass ein portugiesischer Steueransässiger davon abgehalten wird, sein Kapital bei einer in einem anderen Staat niedergelassenen Gesellschaft anzulegen, und wirkt außerdem als Beschränkung für in anderen Staaten niedergelassene Gesellschaften, da sie für diese ein Hindernis bei der Beschaffung von Kapital in Portugal darstellt (vgl. entsprechend Urteile vom , Verkooijen, C‑35/98, EU:C:2000:294, Rn. 34 und 35, vom , Weidert und Paulus, C‑242/03, EU:C:2004:465, Rn. 13 und 14, sowie vom , Grønfeldt, C‑436/06, EU:C:2007:820, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sie stellt daher eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die gemäß Art. 63 AEUV grundsätzlich verboten ist.
26 Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV jedoch nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.
27 Nach ständiger Rechtsprechung ist Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs eng auszulegen. Diese Bestimmung kann somit nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Staat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem Vertrag vereinbar wäre (Urteil vom , Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Befreiung von Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Die nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässigen Ungleichbehandlungen dürfen nämlich nach dessen Abs. 3 weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung darstellen. Daher hat der Gerichtshof entschieden, dass solche Ungleichbehandlungen nur zulässig sind, wenn sie Situationen betreffen, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder, anderenfalls, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (Urteil vom , Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Befreiung von Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt eines Mitgliedstaats ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels sowie ihres Zwecks und ihres Inhalts zu prüfen. Für die Beurteilung, ob die unterschiedliche Behandlung aufgrund einer derartigen Regelung einem objektiven Unterschied der Situationen entspricht, sind nur die von der betreffenden Regelung aufgestellten maßgeblichen Unterscheidungskriterien zu berücksichtigen (Urteil vom , UBS Real Estate, C‑478/19 und C‑479/19, EU:C:2021:1015, Rn. 47 und 48 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerpraxis das Ziel verfolgt, die inländischen Unternehmen zu unterstützen und die wirtschaftliche Tätigkeit in Portugal dadurch anzukurbeln, dass die Steuerlast auf den von Steuerpflichtigen mit steuerlichem Sitz in Portugal erzielten Gewinnen um die Hälfte verringert wird, wenn sie Anteile an Gesellschaften mit Sitz in Portugal veräußern. Die Gewinne, die diese Steuerpflichtigen bei der Veräußerung von Anteilen an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten erzielen, unterliegen dagegen einer Besteuerung zum vollen Steuersatz.
31 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, wie sie von der Steuerverwaltung umgesetzt wird, gilt somit unterschiedslos für jede natürliche Person mit steuerlichem Wohnsitz in Portugal und führt zu einer unterschiedlichen Behandlung, die ausschließlich auf dem Ort der Niederlassung der Gesellschaften beruht, in die Kapital investiert wird, um Investitionen in die wirtschaftliche Tätigkeit in Portugal zum Nachteil von Investitionen in den anderen Mitgliedstaaten zu fördern.
32 Jedoch legen zum einen eine steuerpflichtige Person, die in Anteile an einer portugiesischen Gesellschaft investiert, und eine steuerpflichtige Person, die in Anteile an einer ausländischen Gesellschaft investiert, beide ihr Kapital in Gesellschaften an, um Gewinne zu erzielen (vgl. entsprechend Urteil vom , Real Vida Seguros, C‑449/20, EU:C:2021:721, Rn. 33).
33 Zum anderen würde es Art. 63 Abs. 1 AEUV seines Inhalts entleeren, wenn man zuließe, dass Steuerpflichtige, die in Unternehmen mit wirtschaftlicher Tätigkeit in Portugal investiert haben, in eine andere Lage versetzt würden als Steuerpflichtige, die in Unternehmen mit wirtschaftlicher Tätigkeit außerhalb Portugals investiert haben, obwohl Art. 63 Abs. 1 AEUV Beschränkungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs gerade verbietet (vgl. entsprechend Urteil vom , Real Vida Seguros, C‑449/20, EU:C:2021:721, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Somit beruht die unterschiedliche Behandlung, die sich aus einer solchen Regelung ergibt, nicht auf einem objektiven Unterschied der Situationen.
35 Daher ist zu prüfen, ob diese Beschränkung des freien Verkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann. Nach der Rechtsprechung kann eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zulässig sein, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom , AllianzGI-Fonds AEVN, C‑545/19, EU:C:2022:193, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Im vorliegenden Fall zielt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerpraxis nach den Angaben des vorlegenden Gerichts darauf ab, nationale Unternehmen zu unterstützen und die wirtschaftliche Tätigkeit in Portugal anzukurbeln.
37 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein rein wirtschaftliches Ziel keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine Beschränkung einer durch den AEU‑Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnte (Urteile vom , Verkooijen, C‑35/98, EU:C:2000:294, Rn. 48, und vom , Novo Banco, C‑712/19, EU:C:2021:137 Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Selbst wenn ein solches Ziel als zulässig angesehen werden sollte, ist im Übrigen nichts vorgetragen worden, was nahelegen würde, dass dieses Ziel nicht erreicht würde, wenn die Steuervergünstigung, die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehen ist, auch auf die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen angewandt würde, die eine wirtschaftliche Tätigkeit außerhalb Portugals ausüben (vgl. entsprechend Urteil vom , Real Vida Seguros, C‑449/20, EU:C:2021:721, Rn. 40).
39 Soweit die portugiesische Regierung, ohne dieses rein wirtschaftliche Ziel zu bestreiten, in ihren schriftlichen Erklärungen vorträgt, dass die in Rede stehende Ungleichbehandlung unmittelbar mit dem Schutz der Kohärenz des Steuersystems zusammenhänge, ist darauf hinzuweisen, dass ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument nur dann Erfolg haben kann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss (Urteil vom , Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Befreiung von Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Die portugiesische Regierung trägt jedoch keine rechtlichen Argumente vor, um ihre Behauptung zu untermauern. Infolgedessen hat die portugiesische Regierung nicht nachgewiesen, dass der Steuervorteil, der Steuerpflichtigen gewährt wird, die Beteiligungen an Unternehmen mit wirtschaftlicher Tätigkeit in Portugal halten, durch eine bestimmte steuerliche Belastung ausgeglichen wird, und dass es somit gerechtfertigt ist, Steuerpflichtige, die Beteiligungen an Unternehmen mit wirtschaftlicher Tätigkeit außerhalb Portugals halten, von diesem Vorteil auszuschließen.
41 Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht scheint die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung, wie sie von der Steuerverwaltung umgesetzt wurde, somit nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt zu sein.
42 Folglich ist Art. 63 AEUV dahin auszulegen, dass er einer Steuerpraxis eines Mitgliedstaats im Bereich der Einkommensteuer entgegensteht, nach der eine Steuervergünstigung, die darin besteht, die Steuer auf den durch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen entstandenen Veräußerungsgewinn um die Hälfte zu vermindern, auf Veräußerungen von Anteilen an Gesellschaften mit Sitz in diesem Mitgliedstaat beschränkt und für Veräußerungen von Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschlossen wird.
Zu den Fragen 5 bis 11
43 Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, wie der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken auszulegen ist, weil der Kläger des Ausgangsverfahrens versucht haben soll, sich missbräuchlich auf das Unionsrecht einschließlich der in den Art. 49 und 63 AEUV vorgesehenen Grundfreiheiten zu berufen, um in den Genuss der in Art. 43 Abs. 3 CIRS vorgesehenen Behandlung zu kommen.
44 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs macht es im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, erforderlich, dass dieses Gericht die Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens, die in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, von dem das vorlegende Gericht Kenntnis haben sollte, ausdrücklich aufgeführt sind, sorgfältig beachtet. Auf diese Anforderungen wird im Übrigen in den Empfehlungen des Gerichtshofs an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2019, C 380, S. 1) hingewiesen (Urteil vom , Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi, C‑561/19, EU:C:2021:799, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 So ist es nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung unerlässlich, dass die Vorlageentscheidung eine Darstellung der Gründe enthält, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang angibt, den das vorlegende Gericht zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt (Urteil vom , Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi, C‑561/19, EU:C:2021:799, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Im vorliegenden Fall ist zu den Fragen 5 bis 11 festzustellen, dass das vorlegende Gericht nur eine lückenhafte Darstellung des rechtlichen und tatsächlichen Rahmens und insbesondere des Vorteils bietet, den der Kläger des Ausgangsverfahrens durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Veräußerung von Anteilen anstelle einer Dividendenausschüttung habe erlangen wollen. Vor dem Hintergrund, dass CLB und Prince Vert Gesellschaften französischen Rechts sind, hat das vorlegende Gericht nicht die gesamte steuerliche Belastung angeführt, der eine solche Dividendenausschüttung insbesondere im Licht der Bestimmungen des CIRS über Dividenden aus ausländischen Quellen und des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Französischen Republik und der Portugiesischen Republik unterlegen hätte. Diese Bestimmungen hat der Kläger des Ausgangsverfahrens in seinen schriftlichen Erklärungen angeführt; im Vorabentscheidungsersuchen sind sie jedoch nicht enthalten.
47 Außerdem legt das vorlegende Gericht nicht dar, inwiefern der Kläger des Ausgangsverfahrens die in den Art. 49 und 63 AEUV vorgesehenen Freiheiten missbräuchlich ausgeübt haben soll. Es legt auch nicht dar, welchen Zusammenhang es zwischen dem behaupteten Steuervorteil, der sich allein aus dem nationalen Recht und nicht aus dem Unionsrecht ergeben soll, und der erbetenen Auslegung des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots missbräuchlicher Praktiken herstellen will.
48 Unter diesen Umständen verfügt der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind, und diese erfüllen daher nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Art. 94 der Verfahrensordnung.
49 Folglich sind die Fragen 5 bis 11 unzulässig, wobei es dem vorlegenden Gericht jedoch unbenommen bleibt, ein neues Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen, wenn es dem Gerichtshof alle Angaben zu liefern vermag, die ihm eine Entscheidung ermöglichen (vgl. entsprechend Urteil vom , Inter Consulting, C‑89/20, EU:C:2020:771, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Kosten
50 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerpraxis eines Mitgliedstaats im Bereich der Einkommensteuer entgegensteht, nach der eine Steuervergünstigung, die darin besteht, die Steuer auf den durch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen entstandenen Veräußerungsgewinn um die Hälfte zu vermindern, auf Veräußerungen von Anteilen an Gesellschaften mit Sitz in diesem Mitgliedstaat beschränkt und für Veräußerungen von Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschlossen wird.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2023:880
Fundstelle(n):
QAAAJ-58592