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BGH Beschluss v. - XIII ZB 91/22

Instanzenzug: LG Ingolstadt Az: 24 T 1431/22vorgehend AG Pfaffenhofen Az: 2 XIV 17/22 B

Gründe

1I. Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste 2015 nach Deutschland ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ab und drohte ihm die Abschiebung nach Pakistan an. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht - nachdem es zuvor mit Beschluss vom zunächst die einstweilige Freiheitsentziehung für 6 Wochen angeordnet hatte - am Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum angeordnet. In der zuvor erfolgten Anhörung hatte der Betroffene erklärt, er wolle einen neuen Antrag stellen gegen seine Abschiebung und habe bereits einen Antrag gestellt; er meine damit einen Asylfolgeantrag. Er wolle einen Anwalt haben, damit er gegen diesen Beschluss vorgehen könne. Am beantragte der damalige Verfahrensbevollmächtigte Haftaufhebung sowie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft ab Eingang des Haftaufhebungsantrags. Nachdem der Betroffene am abgeschoben worden war, hat das Landgericht die noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene sein Begehren weiter.

2II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

31. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Haftanordnung des Amtsgerichts sei rechtmäßig. Es habe ein zulässiger Haftantrag vorgelegen. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei nicht gegeben. Die Beschwerde sei auch nicht deshalb erfolgreich, weil dem Betroffenen die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands verweigert worden sei. Die Äußerung des Betroffenen möge sich insofern als mehrdeutig darstellen, als nicht ganz klar sei, gegen welchen Beschluss er mit anwaltlicher Hilfe vorgehen wolle. In Betracht komme sowohl die Ablehnung des Asylfolgeantrags als auch die gegenständliche Haftanordnung. In jedem Fall mache der Betroffene jedoch klar, im Nachgang zu der Entscheidung anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Die Äußerung enthalte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene eine Anhörung nur im Beisein eines Rechtsanwalts wünsche.

42. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Amtsgericht den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt hat.

5a) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 32/14, InfAuslR 2014, 442 Rn. 8, vom - XIII ZB 34/19, juris Rn. 7; vom - XIII ZB 21/19, juris Rn. 14). Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser von dem Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 69/18, InfAuslR 2019, 152 Rn. 5, vom - XIII ZB 84/19, juris Rn. 9 f.; vom - XIII ZB 28/20, juris Rn. 16). Erklärt der Betroffene im Verlauf der persönlichen Anhörung, einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen zu wollen, so muss das Gericht - falls er keinen Bevollmächtigten benennt - ihm für die Suche eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts Gelegenheit geben und darf die Haft im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG nur vorläufig anordnen, wobei die Abschiebung aus der nur vorläufig angeordneten Haft heraus gleichwohl erfolgen darf (BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 34/21, juris Rn. 7 f.; vom - XIII ZB 18/20, juris Rn. 6, jew. mwN). Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 59/16, InfAuslR 2017, 292 Rn. 7; vom - XIII ZB 34/19, juris Rn. 7).

6b) Dem hat die Verfahrensweise des Amtsgerichts nicht entsprochen. Es hat den Betroffenen ausweislich des Protokolls schon nicht über sein Recht, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, belehrt. Nachdem der Betroffene erklärt hatte, "er wolle einen Anwalt haben", hätte das Amtsgericht aufklären müssen, ob der Betroffene einen Rechtsanwalt zu der Anhörung hinzuziehen wollte. Es durfte im Hinblick auf die unterbliebene Belehrung nicht auf einen Verzicht schließen, weil der Betroffene erklärt hatte, er wolle gegen "diesen Beschluss" vorgehen. Wenn der Betroffene einen Verzicht nicht erklären wollte, hätte das Amtsgericht ihm Gelegenheit geben müssen, sich anwaltlichen Beistand zu suchen. Hätte der Betroffene danach einen Rechtsanwalt benannt, hätte dieser zum Termin hinzugezogen werden müssen. Wäre dies nicht möglich gewesen, hätte das Amtsgericht - nachdem die Haft ohnehin bereits vorläufig (§ 427 FamFG) angeordnet war - einen neuen Anhörungstermin so bestimmen müssen, dass für die Suche eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts ausreichend Gelegenheit bestand.

7c) Nachdem das Amtsgericht den Willen des Betroffenen nicht aufgeklärt hat und daher offengeblieben ist, ob der Betroffene einen Anwalt zu seiner Anhörung hinzuziehen wollte, ist zur wirksamen Sicherung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren zu vermuten, dass ihm der Zugang zu einem Anwalt verwehrt wurde. Denn es ist nicht offensichtlich, dass der Betroffene, selbst wenn ihm das Amtsgericht bei der Anhörung hierzu Gelegenheit gegeben hätte, nicht in der Lage gewesen wäre, einen Anwalt zu finden, der bereit gewesen wäre, an einer Anhörung teilzunehmen.

83. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:051223BXIIIZB91.22.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-58473