BGH Beschluss v. - 5 StR 495/23

Instanzenzug: Az: 1 KLs 14/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten T.   wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten E.    hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in sieben Fällen tateinheitlich mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Gegenüber beiden Angeklagten wurde die Einziehung des „Wertes des Taterlangten“ angeordnet, nämlich gegen den Angeklagten T.   in Höhe von 349.180 Euro und gegen den Angeklagten E.    in Höhe von 187.930 Euro, wobei beide Angeklagte in Höhe von 185.830 Euro gesamtschuldnerisch haften. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer jeweils mit einer auf die allgemeine Sachrüge sowie auf Verfahrensbeanstandungen gestützten Revision. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den Feststellungen handelte der Angeklagte T.   gewinnbringend mit Betäubungsmitteln in Form von Kokain, Marihuana und Heroin. Der Angeklagte E.    fungierte für ihn als Fahrer. Seine Aufgabe war es, die Betäubungsmittel an Übergabeorte zu fahren, zu übergeben und in Lager zu verbringen. Zudem war er teilweise für die Geldannahme und Geldübergabe zuständig.

II.

3Die Verfahrensrügen beider Angeklagten haben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg. Soweit der Angeklagte E.    die Verwertung der aus den EncroChat-Daten gewonnenen Erkenntnisse beanstandet, bemerkt der Senat ergänzend, dass die Rüge schon mangels Einhaltung der Vortragserfordernisse nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig ist. Es fehlt bereits an der Vorlage der für die Frage der Verwertbarkeit wesentlichen Schriftstücke, auf deren Grundlage diese Daten erhoben oder übermittelt wurden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 489/22; vom – 4 StR 93/22, NStZ 2023, 443).

III.

4Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt bei beiden Angeklagten zur Aufhebung des Strafausspruchs sowie im Fall des Angeklagten T.   zur weitgehenden, im Fall des Angeklagten E.    zur vollständigen Aufhebung der Einziehungsentscheidung.

51. Die Strafaussprüche können gegenüber beiden Angeklagten keinen Bestand haben, da sie auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungsmaßstabs ( Rn. 54; vom – 5 StR 387/15, NStZ-RR 2016, 105, 106) Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufweisen.

6a) Das Landgericht hat den Wirkstoffgehalt der gehandelten Betäubungsmittel nicht festgestellt, sondern diesen jeweils als „unbekannt“ bezeichnet. Solcher Feststellungen bedarf es bei einer Betäubungsmittelstraftat jedoch regelmäßig. Auf den Wirkstoffgehalt kommt es neben Art und Menge der gehandelten Betäubungsmittel nicht nur für die Bestimmung einer nicht geringen Menge, sondern auch für die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung im engeren Sinne an, weil dadurch der Schuldumfang der Tat und die Schuld des Täters maßgeblich bestimmt werden. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Strafkammer strafschärfend gewertet hat, dass die nicht geringe Menge bei jeder Tat „erheblich überschritten“ worden sei, ohne dies auf eine entsprechende Tatsachenbasis zurückführen zu können.

7Stehen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht zur Verfügung, muss das Tatgericht die Wirkstoffmenge oder den Wirkstoffgehalt unter Berücksichtigung der anderen hinreichend sicher festgestellten Tatumstände (wie Herkunft, Preis, Aussehen, Verpackung, Beurteilung durch Tatbeteiligte, Handelsstufe), gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes, zahlenmäßig schätzen. Eine Umschreibung in allgemeiner Form, etwa als „durchschnittliche Qualität“, reicht nicht aus (st. Rspr.; siehe nur mwN; Beschluss vom – 3 StR 53/21, NStZ 2023, 46 f.).

8b) Beim Angeklagten T.   weist die Strafzumessung insoweit einen weiteren durchgreifenden Rechtsfehler auf, als das Landgericht strafschärfend berücksichtigt hat, dass „die Drogen ganz überwiegend (…) in den Verkehr gelangt sein dürften, da jedenfalls keine Reklamationen der Qualität stattfanden und die Drogen entsprechend mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterverkauft wurden“. Unabhängig davon, dass hier offensichtlich nicht von sicheren Feststellungen, sondern zum Nachteil des Angeklagten von Vermutungen ausgegangen wird, hat die Strafkammer verkannt, dass es zum Normalfall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehört, dass sie in den Verkehr gelangen. Diese Tatsache ist deshalb kein Strafschärfungsgrund. Im Gegenteil stellt die Sicherstellung zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmter Betäubungsmittel einen Strafmilderungsgrund dar. Das Landgericht hat mithin das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes (Sicherstellung der gehandelten Betäubungsmittel) strafschärfend gewertet (st. Rspr.; vgl. etwa ; Beschluss vom – 5 StR 78/23).

9c) Der Schuldspruch kann für beide Angeklagte bestehen bleiben, da sich aus den rechtsfehlerfrei festgestellten Mengen der gehandelten Betäubungsmittel zweifelsfrei ergibt, dass jeweils mit einer nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gehandelt wurde. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei konkreten Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und Wirkstoffmenge der Drogen niedrigere Strafen zugemessen hätte, sodass die hierfür verhängten Einzelstrafen aufzuheben sind.

10Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht bei beiden Angeklagten dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten; zu den Wirkstoffgehalten der gehandelten Betäubungsmittel sind solche wie dargestellt erforderlich.

112. Die Aussprüche zur Einziehung des Wertes von Taterträgen werden durch die Feststellungen nicht getragen. Für den Angeklagten T.   gilt dies mit Ausnahme des Falls II.9 der Urteilsgründe.

12Im Urteil fehlt es an der für eine Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB erforderlichen Feststellung, dass die Angeklagten durch oder für die Taten etwas erlangt haben. So enthalten die Urteilsgründe in den Fällen II.2 bis II.6, II.8, II.10 und II.13 keinerlei Feststellungen dazu, dass die Angeklagten die Betäubungsmittel veräußert und damit Umsätze erzielt hätten. Teilweise wird sogar explizit ausgesprochen, dass ein Verkauf der Drogen nicht festgestellt werden konnte. In den verbleibenden Fällen ist jeweils zumindest ein Teil des Einziehungsbetrags nicht auf einen entsprechenden Zufluss gestützt: Im Fall II.1 ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte T.   eine – von der Strafkammer offenbar mit 4.800 Euro angesetzte – Zahlung für dasjenige Kilogramm Marihuana erhalten hat, welches an „kleine Händler“ weiterverkauft werden sollte. Der Angeklagte E.    hat hier ohnehin kein Geld erlangt. Im Fall II.7 wurde lediglich eine Teilzahlung des Verkaufspreises in Höhe von 10.000 Euro an den Angeklagten T.   festgestellt, jedoch nichts zu einer Zahlung des restlichen Betrags von 3.900 Euro. Im Fall II.11 fehlt die Feststellung, dass den Angeklagten der Verkaufspreis von 3.000 Euro für die verkaufte Platte Cannabisharz zugeflossen ist, im Fall II.12 gilt Gleiches für den Verkaufspreis von 13.950 Euro für die Veräußerung von zwei Kilogramm Marihuana und 150 Gramm Kokain. Allein im Fall II.9 der Urteilsgründe ist für die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 15.000 Euro die Übergabe eines diesem Betrag entsprechenden Verkaufspreises an den Angeklagten T.   festgestellt.

13Sofern die Strafkammer ihrer Entscheidung den Wert erworbener Betäubungsmittel zugrunde gelegt haben sollte, vermag dies eine Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht zu begründen. Denn zum gewinnbringenden Weiterverkauf erlangte Betäubungsmittel sind keine Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB, sondern Tatobjekte, die nach § 33 Satz 1 BtMG iVm § 74 Abs. 2 StGB eingezogen werden können. Die Einziehung des Wertersatzes richtet sich dementsprechend nach § 74c StGB. Voraussetzung hierfür ist, dass das Tatobjekt dem Täter zur Tatzeit gehörte oder zustand. Werden Betäubungsmittel aber wie hier im Inland erworben, kann der Käufer wegen § 134 BGB kein Eigentum an den Drogen erlangen (BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 529/22; vom – 5 StR 244/21).

14Auch hinsichtlich der Einziehungsentscheidungen bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160124B5STR495.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-58462