BGH Beschluss v. - 2 StR 420/23

Instanzenzug: Az: 103 KLs 9/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.   – unter Freispruch im Übrigen ‒ wegen Diebstahls in elf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl, und wegen versuchten Diebstahls in drei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, die in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 auf die Jugendstrafe angerechnet und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 147.670 Euro, davon in Höhe von 144.870 Euro als Gesamtschuldner haftend, angeordnet. Den Angeklagten Q.    und den Nichtrevidenten E.   hat es – unter Freispruch im Übrigen ‒ wegen Diebstahls in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und gegen sie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 100 Euro als Gesamtschuldner angeordnet.

2Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen, erzielen – unter Erstreckung auf den Nichtrevidenten E.   – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

31. Die Schuldsprüche bedürfen der aus der Beschlussformel ersichtlichen Korrektur.

4a) Im einzigen neben dem Angeklagten S.   auch den Angeklagten Q.   und den Nichtrevidenten E.   betreffenden Fall 4 der Urteilsgründe, in dem das Landgericht einen Diebstahl in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl angenommen hat, liegt nur ein (vollendeter) Diebstahl vor. Denn nach den zu diesem Fall getroffenen Fällen war geplant, den Porsche des Tatopfers durch Aufbrechen mitsamt den darin befindlichen Wertsachen zu entwenden. Dass es den Tätern nur gelang, eine im versperrten Kofferraum dieses Fahrzeugs befindliche Werkzeugtasche im Wert von 100 € wegzunehmen, rechtfertigt nicht die Annahme eines tateinheitlich mit dem vollendeten auch versuchten Diebstahls; der Wegnahme der Tasche liegt keine erneute Entschließung zugrunde, etwas Anderes zu stehlen (vgl. ‒ 2 StR 64/69, BGHSt 22, 350, 351).

5b) In den Fällen 2 und 3 der Urteilsgründe ist der Angeklagte S.   schuldig des Diebstahls in Tateinheit und nicht, wie das Landgericht angenommen hat, in Tatmehrheit mit versuchtem Diebstahl. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen begab sich der Angeklagte S.   mit weiteren Mittätern in eine Garage, um zunächst den dort abgestellten Mercedes 300 SEL des Geschädigten H.   zu entwenden, was gelang, und sodann in derselben Garage den Porsche 911 des Geschädigten Sc.   , was jedoch misslang. Damit bestand ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang, auf Grund dessen sich das gesamte Verhalten des Angeklagten bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliches Tun erweist; dieser Zusammenhang verbindet die einzelnen Tathandlungen zu einer natürlichen Handlungseinheit, so dass die beiden Straftaten zueinander im Verhältnis der Tateinheit stehen (vgl. Rn. 5). Dass beide Fahrzeuge verschiedenen Eigentümern gehörten, ändert daran nichts (vgl. Matt/Renzikowski/Schmidt-StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 47).

6c) Im Übrigen hat sich der Angeklagte S.   , wie das Landgericht selbst erkannt hat („Zählfehler“), nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des (vollendeten) Diebstahls in zehn weiteren Fällen (Fälle 5, 7, 8, 9, 10, 12, 13, 14, 15 und 16 der Urteilsgründe) und des versuchten Diebstahls in einem weiteren Fall (Fall 6 der Urteilsgründe) schuldig gemacht.

7d) Der Senat kann die Schuldsprüche hinsichtlich der Angeklagten selbst in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht erfolgreicher als geschehen hätten verteidigen können. Dies gilt auch für den ebenfalls geständigen Nichtrevidenten E.  , der vom Rechtsfehler in gleicher Weise betroffen ist (§ 357 StPO).

82. Die Strafaussprüche betreffend den Angeklagten Q.   und den Nichtrevidenten E.   haben keinen Bestand.

9a) Zwar durfte die Strafkammer ohne Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten berücksichtigen, dass nicht nur die Werkzeugtasche entwendet wurde, sondern auch „ein Diebstahlsversuch an dem Porsche“ begangen wurde, da dies unbeschadet der rechtlichen Würdigung zu Fall 4 der Urteilsgründe zutrifft.

10b) Die Strafkammer hat aber, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist, nicht bedacht, dass ausländische Verurteilungen zwar nicht gesamtstrafenfähig, jedoch bei der Strafzumessung – wenn auch nicht in Form eines bezifferten Strafabschlags (vgl. Rn. 19) – über den Gesichtspunkt des Härteausgleichs oder des Gesamtstrafübels zu beachten sind, wenn ein Gerichtsstand auch in Deutschland begründet gewesen wäre (vgl. , StV 2019, 603) oder das Urteil in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (vgl. , NJW 2019, 1159) verhängt wurde. Ausweislich der Urteilsgründe enthält die „Mitteilung aus dem belgischen Strafregister“ sowohl hinsichtlich des Angeklagten Q.   als auch hinsichtlich des insoweit vom Rechtsfehler in gleicher Weise betroffenen Nichtrevidenten E.   „Eintragungen aus dem Bereich der Straßenverkehrsdelikte“.

11c) Der Strafausspruch betreffend den Angeklagten Q.   und den Nichtrevidenten E.   unterliegt daher der Aufhebung. Die Feststellungen sind vom Rechtsfehler nicht betroffen und haben Bestand. Sie können ergänzt werden, insbesondere um solche zu den belgischen Verurteilungen.

123. Der den Angeklagten S.   betreffende Strafausspruch bleibt von der Korrektur des Schuldspruchs im Ergebnis unberührt. Der – insoweit von der konkurrenzrechtlichen Bewertung unabhängige (vgl. Rn. 14) – für die Bemessung der Einheitsjugendstrafe zugrunde gelegte Unrechts- und Schuldgehalt liegt im Fall 4 der Urteilsgründe zutreffend darin, dass die Entwendung eines Fahrzeugs, das einen den Wert der Werkzeugtasche bei Weitem übersteigenden Wert in Höhe von 125.000 Euro hatte, beabsichtigt war, in den tateinheitlich zu bewertenden Fällen 1 und 2 die Entwendung von zwei hochwertigen Fahrzeugen, von denen die Wegnahme eines Fahrzeugs auch gelang. Auch im Übrigen weist der Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten S.   auf.

134. Indes kann die gegen den Angeklagten S.   angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht in vollem Umfang Bestand haben. Ihr hat das Landgericht den Wert der entwendeten (und nicht wieder an die Geschädigten zurückgelangten) Fahrzeuge sowie des im Fall 4 der Urteilsgründe entwendeten Werkzeugkoffers zuzüglich der von den Hintermännern an den Angeklagten S.   im Erfolgsfall gezahlten Provision zugrunde gelegt.

14a) Noch zutreffend ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c S. 1 StGB an § 73 Abs. 1 StGB anknüpft und voraussetzt, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat, ihm also ein Vermögenswert unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2023, 315; Beschlüsse vom – 6 StR 156/22; vom – 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20 je mwN). Die bislang getroffenen Feststellungen tragen indes noch nicht die Annahme, der Angeklagte habe im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf die betreffenden Vermögensgegenstände nehmen können. Hinsichtlich der Werkzeugtasche im Fall 4 der Urteilsgründe ist festgestellt, dass der Nichtrevident E.   diese an sich nahm und sodann in ein Gebüsch warf, noch bevor der Angeklagte S.   hierauf Zugriff nehmen konnte. Hinsichtlich der entwendeten Fahrzeuge war es nach den Feststellungen Aufgabe des Angeklagten S.  , diese im Beisein der jeweils beteiligten Mittäter aufzubrechen und zum Fahren zu bringen. Allein dies belegt indes ebenso wenig wie die mittäterschaftliche Begehung eine von §§ 73, 73c StGB vorausgesetzte Verfügungsgewalt. Ob der Angeklagte S.   beispielsweise an der Verbringung der Fahrzeuge an einen anderen Ort beteiligt war oder er auf sonstige Weise ungehinderten Zugriff darauf erlangte, lässt sich den Urteilsgründen auch in ihrer Gesamtheit nicht entnehmen.

15b) Die Strafkammer hat auch nicht in den Blick genommen, dass eine den Wert der entwendeten Fahrzeuge übersteigende Einziehung von Wertersatz hinsichtlich der vom Angeklagten S.   erlangten Provision dann ausscheidet, wenn er diese als seinen Anteil an der an die Hintermänner zuvor abgelieferten Tatbeute (Fahrzeuge) erhielt (vgl. , NStZ 2019, 20, 21).

16c) Über die gegen den Angeklagten S.   anzuordnende Einziehung des Wertes von Taterträgen ist daher, soweit diese die Summe der für die abgeurteilten Taten erlangten Provisionen in Höhe von 2.800 € übersteigt, neu zu befinden. Die bisher getroffenen Feststellungen haben Bestand und können gegebenenfalls um hierzu nicht in Widerspruch stehende ergänzt werden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:231123B2STR420.23.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-58459