BGH Beschluss v. - XII ZB 386/22

Zugewinnausgleich bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft

Leitsatz

1. Vorzeitiger Zugewinnausgleich gemäß § 1385 BGB und Zugewinnausgleich nach der Ehescheidung sind verschiedene Streitgegenstände (im Anschluss an , FamRZ 2019, 1535).

2. Ein im Scheidungsverbund erhobener Stufenantrag zum Zugewinnausgleich nach der Scheidung wird unbegründet, wenn in einem anderen Verfahren rechtskräftig die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft ausgesprochen wurde. Der Antragsteller hat die Möglichkeit, dem durch eine Erledigungserklärung hinsichtlich der Folgesache Rechnung tragen.

Gesetze: § 1378 Abs 1 BGB, § 1385 BGB, § 1386 BGB, § 137 Abs 2 S 1 FamFG

Instanzenzug: Az: II-1 UF 45/22 Beschlussvorgehend Az: 253 F 32/17 Beschluss

Gründe

I.

1Die Beteiligten schlossen im Jahr 1992 die Ehe. Sie trennten sich im Januar 2016. Der Scheidungsantrag des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) ist der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) am zugestellt worden. Die Ehefrau hat im Scheidungsverbundverfahren im April 2017 einen Stufenantrag auf Zugewinnausgleich anhängig gemacht.

2In einem weiteren Verfahren hat sie im April 2021 - ebenfalls im Wege eines Stufenantrags - vorzeitigen Zugewinnausgleich verlangt. In jenem Verfahren ist die Zugewinngemeinschaft durch rechtskräftigen Teilanerkenntnisbeschluss vom vorzeitig aufgehoben worden. Die Ehefrau hat ihre Forderung dort auch beziffert.

3Im vorliegenden Verfahren hat die Ehefrau die Feststellung beantragt, dass hinsichtlich des Leistungsantrags im Verbundverfahren Erledigung eingetreten sei. Der Ehemann hat der Erledigungserklärung widersprochen und Abweisung des Antrags in der Folgesache beantragt.

4Das Amtsgericht hat die Ehe der Beteiligten durch Verbundbeschluss geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und hinsichtlich der Folgesache Zugewinn antragsgemäß Erledigung festgestellt. Das Oberlandesgericht hat die gegen die Feststellungsentscheidung eingelegte Beschwerde des Ehemanns zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher er sein Begehren weiterverfolgt.

II.

5Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

61. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2022, 1919 veröffentlicht ist, hat sich der im Scheidungsverbund gestellte Stufenantrag durch den rechtskräftigen Ausspruch der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft erledigt. Das Folgesachenbegehren auf Zugewinnausgleich sei unzulässig geworden, nachdem der Güterstand bereits aufgrund der Gestaltungsentscheidung im Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich sein Ende gefunden habe.

7Zwar treffe es zu, dass ein güterrechtlicher Folgesachenantrag nach vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft grundsätzlich aus dem Scheidungsverbund herauszulösen und das Zugewinnausgleichsverfahren isoliert fortzuführen sei. Die Verknüpfung des im Verbund bedingt für den Fall der Scheidung gestellten Antrags mit der Güterstandsbeendigung durch rechtskräftige Scheidung werde bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft gegenstandslos. Bei einer grundsätzlich sachdienlichen Antragsänderung auf vorzeitigen Zugewinnausgleich würde aber ab der Anspruchsbezifferung im ursprünglichen Folgesachenverfahren derselbe Anspruch unzulässigerweise doppelt rechtshängig, da die Ehefrau die güterrechtliche Forderung schon im Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich beziffert habe. Das führe zur Unzulässigkeit des im Verbund eingereichten und nunmehr ausschließlich isoliert durchzusetzenden Zugewinnausgleichsbegehrens.

8Diese Rechtslage ergebe sich aus dem Verhältnis des im Verbund verfolgten Zugewinnausgleichs zum vorzeitigen Zugewinnausgleich nach §§ 1385, 1386 BGB. Die Ansprüche auf vorzeitigen Zugewinnausgleich und Zugewinnausgleich nach der Scheidung beträfen verschiedene Lebenssachverhalte und stellten daher unterschiedliche Streitgegenstände dar. Demgegenüber bestünden aber keine Unterschiede in den Streitgegenständen mehr, wenn die Folgesache Güterrecht aus dem Verbund herausgelöst und isoliert fortgeführt werde. Der in diesem Fall nunmehr scheidungsunabhängig zu stellende güterrechtliche Antrag unterscheide sich nicht mehr von dem bereits rechtshängigen Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich.

9An der Erledigung der Folgesache Güterrecht vermöge auch die Erwägung des Antragstellers nichts zu ändern, die gerichtliche Feststellung der Erledigung des Leistungsantrags im güterrechtlichen Folgesachenverfahren bei gleichzeitiger Fortführung des Leistungsantrags im Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich setze ihn ungerechtfertigt einer doppelten Kostenlast aus. Eine solche Kostenfolge erweise sich als Konsequenz der zulässigen parallelen Verfolgung güterrechtlicher Ansprüche im Scheidungsverbund und im Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich, betreffe aber nicht die Voraussetzungen des beschwerdegegenständlichen Ausspruchs der Hauptsacheerledigung.

102. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

11Die Vorinstanzen haben zu Recht eine Erledigung der in der Folgesache Güterrecht anhängigen Anträge angenommen. Die ursprünglich zulässigen und begründeten Anträge auf Auskunfterteilung und Zahlung eines Zugewinnausgleichs nach der Scheidung sind durch die rechtskräftige vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft unbegründet geworden.

12a) Die Ansprüche auf vorzeitigen Zugewinnausgleich und Zugewinnausgleich nach der Scheidung beruhen nach der Rechtsprechung des Senats auf verschiedenen Lebenssachverhalten und stellen daher unterschiedliche Streitgegenstände dar. Zwar basieren beide mit § 1378 Abs. 1 BGB auf derselben Anspruchsgrundlage und setzen jeweils die Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft voraus. Die Gründe der Beendigung des Güterstands unterscheiden sich indessen in wesentlicher Hinsicht. So kann nur der Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung als Folgesache im Scheidungsverbund geltend gemacht werden (Senatsbeschluss vom - XII ZB 299/18 - FamRZ 2019, 1535 Rn. 44 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 21/21 - FamRZ 2021, 1521 Rn. 12 ff.). Die Rechtshängigkeit eines Antrags auf vorzeitigen Zugewinnausgleich hindert die Geltendmachung des Zugewinnausgleichs nach der Scheidung nicht. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung setzt voraus, dass die Scheidung rechtskräftig wird. Wird etwa der Scheidungsantrag noch vor Rechtskraft des Beschlusses über den Scheidungsverbund zurückgenommen, verliert auch die Verurteilung zum Zugewinnausgleich nach der Scheidung ihre Wirkung (vgl. § 141 FamFG). Davon unterscheidet sich die Lage beim vorzeitigen Zugewinnausgleich, der die Scheidung der Ehe nicht voraussetzt. Zum Wechsel vom Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung zum Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich bedarf es dementsprechend einer wirksamen Antragsänderung (Senatsbeschluss vom - XII ZB 299/18 - FamRZ 2019, 1535 Rn. 44 mwN).

13Daran ändert sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nichts dadurch, dass auch der Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich in der vorliegenden Fallkonstellation auf den Stichtag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bezogen zu ermitteln ist. Da die Scheidung der Ehe rechtskräftig ist und der Antrag auf vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft erst nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags gestellt worden ist, ist die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zwar auch Stichtag für die Ermittlung des vorzeitigen Zugewinnausgleichs (vgl. OLG Hamm FamRZ 1982, 609; Erman/Budzikiewicz BGB 17. Aufl. § 1384 Rn. 6 mwN). Gleichwohl bleibt es bei der Verschiedenheit der Ansprüche auf vorzeitigen Zugewinnausgleich und Zugewinnausgleich nach der Scheidung, die nicht nur parallel rechtshängig gemacht werden können, sondern auch hinsichtlich der Verfahrensbeendigung selbständig zu betrachten sind.

14b) Aus dem rechtskräftigen Ausspruch der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft folgt indessen, dass der Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die Entscheidung über den vorzeitigen Zugewinnausgleich als davon abweichenden Streitgegenstand ist nicht gemäß § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG für den Fall der Scheidung, sondern unabhängig von dieser zu treffen. Der von dem Ehegatten schon mit dem Stufenantrag rechtshängig gemachte Antrag auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung wird zwar entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht bereits unzulässig. Denn der Zugewinnausgleich kann als Scheidungsfolge im Verbundverfahren bei unterbliebener Antragsänderung nach wie vor in zulässiger Weise geltend gemacht werden. Der Antrag wird aber unbegründet, weil aufgrund der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft ein Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung nicht mehr entstehen kann. Der Anspruchsteller kann jedoch ungeachtet der näheren Unterscheidung das Verfahren in beiden Fällen für erledigt erklären.

15c) Zwar besteht neben der Erledigungserklärung auch die Möglichkeit einer Antragsänderung dahin, dass nunmehr der vorzeitige Zugewinnausgleich geltend gemacht wird (Senatsbeschluss vom - XII ZB 299/18 - FamRZ 2019, 1535 Rn. 44 mwN). Dies müsste eine Abtrennung der Folgesache nach sich ziehen, weil der Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich nicht in zulässiger Weise im Verbundverfahren geltend gemacht werden kann (vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 544/18 - FamRZ 2019, 1045 Rn. 9 sowie Senatsurteil vom - XII ZR 277/95 - FamRZ 1997, 811, 812 zum isolierten Auskunftsanspruch). Ob der Anspruchsteller von der Möglichkeit der Antragsänderung Gebrauch macht oder eine Erledigungserklärung abgibt, unterliegt indes seiner freien Entscheidung. Eine Erledigungserklärung wird zudem insbesondere dann naheliegen, wenn der Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich - wie vorliegend - bereits in einem anderen Verfahren rechtshängig ist. Denn durch Antragsänderung würde eine doppelte Rechtshängigkeit begründet und wäre der geänderte Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig, worauf das Beschwerdegericht zutreffend hingewiesen hat.

16d) Auch die weiteren von der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Beanstandungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere ergeben sich keine Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis. Dieses hat jedenfalls ursprünglich vorgelegen und ist auch durch das Parallelverfahren zum vorzeitigen Zugewinnausgleich nicht entfallen. Dem Umstand, dass der Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung durch die vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft unbegründet geworden ist, ist durch die Erledigungserklärung Rechnung getragen worden. Soweit sich der Einwand auf das Rechtsschutzbedürfnis für den Zahlungsantrag im Parallelverfahren bezieht, ist darüber im vorliegenden Verfahren ohnedies nicht zu entscheiden. Das gilt schließlich auch für das von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Risiko der doppelten Kostenbelastung, obwohl nur ein Anspruch auf Zugewinnausgleich bestehen könne. Abgesehen von der grundsätzlichen Zulässigkeit der parallelen Anspruchsverfolgung hat die Ehefrau die im vorliegenden Verfahren entstehenden Kosten durch die Erledigungserklärung gerade reduziert, weil diese - vom Beschwerdegericht berücksichtigt - zu einer Verringerung des Streitwerts geführt hat. Im Übrigen bestehen keine Anzeichen für den von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Rechtsmissbrauch sowohl hinsichtlich des ursprünglich anhängig gemachten Stufenantrags als auch bezüglich der Erledigungserklärung.

173. Das Amtsgericht hat mithin zutreffend die Erledigung der Folgesache Zugewinnausgleich festgestellt. Der Ehemann hat nicht in Frage gestellt, dass grundsätzlich ein Anspruch der Ehefrau auf Zugewinnausgleich besteht, sodass das Beschwerdegericht die amtsgerichtliche Entscheidung zutreffend bestätigt hat.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:221123BXIIZB386.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 8 Nr. 8
NJW 2024 S. 971 Nr. 14
NJW 2024 S. 973 Nr. 14
WAAAJ-58350