(Vertragsärztliche Versorgung - Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) - Nachrangregelung des § 103 Abs 4c S 3 SGB 5 - keine Anwendung in einem Auswahlverfahren wegen partieller Entsperrung des Planungsbereichs)
Gesetze: § 103 Abs 4c S 3 SGB 5, § 103 Abs 4 S 4 SGB 5, § 103 Abs 4 S 5 SGB 5, § 103 Abs 4 S 7 SGB 5, § 101 Abs 1 S 8 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 9 SGB 5, § 13 Abs 6 ÄBedarfsplRL, § 26 Abs 1 ÄBedarfsplRL, § 26 Abs 4 ÄBedarfsplRL
Instanzenzug: Az: S 43 KA 10/21 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 12 KA 35/21 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten um eine Zulassung nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs.
2Nach Feststellung von Zulassungsmöglichkeiten im Umfang eines halben Versorgungsauftrags im Rahmen der Quotenregelung für die Gruppe der rheumatologischen Internisten (Beschluss des Landesausschusses für Ärzte und Krankenkassen in Bayern vom ) bewarben sich der zu 8. beigeladene Arzt und das medizinische Versorgungszentrum (MVZ) der Klägerin, letztere mit einem Antrag auf Genehmigung zur Beschäftigung der zu 9. beigeladenen Ärztin.
3Das MVZ der Klägerin wurde ursprünglich 2004 in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den Gesellschaftern H1 und H2 gegründet, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig waren (Beschluss des Zulassungsausschusses vom ). Seit Juli 2019 ist die klagende GmbH Trägerin des MVZ (Beschluss des Zulassungsausschusses vom ). Einzige Gesellschafterin der Klägerin ist die H1 GmbH, die als Erbringerin nichtärztlicher Dialyseleistungen zur Gründung von MVZ berechtigt ist. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der H1 GmbH ist wiederum der Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Nephrologie H1, welcher zudem als angestellter Arzt weiterhin in dem MVZ tätig und dessen ärztlicher Leiter ist.
4Der Zulassungsausschuss erteilte dem Beigeladenen zu 8. die beantragte hälftige Zulassung und lehnte den Antrag der Klägerin ab (Beschluss vom ). Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der beklagte Berufungsausschuss zurück (Beschluss vom /Bescheid vom ). Der Antrag der Klägerin sei nachrangig zu behandeln. Dies folge aus § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V, wonach bei der Auswahl eines Praxisnachfolgers ein MVZ, bei dem - wie hier - die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liege, die in dem MVZ selbst als Vertragsärzte tätig seien, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen sei. Diese Regelung sei auch auf die hier streitige Auswahlentscheidung aufgrund einer partiellen Entsperrung anwendbar. Dementsprechend sei die von der Klägerin zur Anstellung vorgesehene Ärztin nicht in die Auswahlentscheidung einzubeziehen.
5Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Beschluss des Beklagten und das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt (Urteil vom ). Zwar sei der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V auch im Rahmen von Zulassungsverfahren bei partieller Entsperrung entsprechend anwendbar sei. Insoweit bestehe eine planwidrige Regelungslücke. Zwischen Nachbesetzungsverfahren und Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung bestünden keine Unterschiede, die einen allein für das Nachbesetzungsverfahren geregelten Nachrang im Auswahlverfahren für eine bestimmte Gruppe von MVZ nahelegen würde. Vielmehr gehe es sowohl bei den Nachbesetzungsverfahren als auch bei den Zulassungsverfahren wegen partieller Entsperrung um Entscheidungen über Zulassungen in überversorgten Planungsbereichen. Insoweit verfolge der Gesetzgeber mit der Regelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V das Ziel, der Verdrängung freiberuflich tätiger Ärzte entgegen zu treten. Die Voraussetzungen des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V seien auch erfüllt. Da die H1 GmbH alleinige Gesellschafterin der Klägerin sei, würden die Geschicke der Klägerin nicht durch Vertragsärzte, sondern durch eine Kapitalgesellschaft beeinflusst. Dieses Ergebnis werde auch durch die Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf - BSGE 128, 125 = SozR 4-2500 § 103 Nr 27) gestützt, wonach die für MVZ im Nachbesetzungsverfahren geltende Regelung des § 103 Abs 4 Satz 10 SGB V (in der bis zum geltenden Fassung; vgl heute: § 103 Abs 4 Satz 5 Nr 9 SGB V) zur sogenannten "Konzeptbewerbung" auch für Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung entsprechend anwendbar sei. Allerdings habe der Beklagte die Nachrangregelung zu Unrecht als Ausschlussregelung verstanden. Er hätte die Klägerin vielmehr in die Auswahlentscheidung um den Quotensitz einbeziehen müssen. Denn die Nachrangregelung könne denklogisch nur eingreifen, wenn unter gleichwertigen Bewerbern zwischen einem freiberuflichen Bewerber und einem mehrheitlich von Kapitalinvestoren geführten MVZ eine Auswahlentscheidung zu treffen sei. Der "Nachrang" stelle nur ein Kriterium unter den übrigen Auswahlkriterien dar, die im Rahmen des Auswahlverfahrens von den Zulassungsgremien zu berücksichtigen seien.
6Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht sei das LSG davon ausgegangen, dass die Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V auch im Rahmen von Zulassungsverfahren bei partieller Entsperrung entsprechend anwendbar sei. Die Regelung sei bereits verfassungswidrig, da sie eine bestimmte Gruppe von MVZ im Nachbesetzungsverfahren benachteilige, wofür ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich sei. Die Regelung gelte zudem nach ihrem Wortlaut nur für Nachbesetzungsverfahren bei einer Praxisnachfolge. Sie sei auf ein Zulassungsverfahren wegen partieller Entsperrung - wie es hier streitig sei - nicht analog anzuwenden. Es fehle insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke.
8Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
9Zutreffend habe das LSG entschieden, dass die Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V auch im Rahmen von Zulassungsverfahren bei partieller Entsperrung entsprechend anwendbar sei.
10Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) stellt keinen Antrag. Sie hält das Urteil des LSG ebenfalls für zutreffend. Hinsichtlich der Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber verfolge den legitimen Zweck der Stärkung der Freiberuflichkeit von Vertragsärzten durch Schutz vor einem Verdrängungswettbewerb durch nicht überwiegend ärztlich geführte MVZ. Zutreffend habe das LSG auch eine analoge Anwendung der Nachrangregelung bejaht.
Gründe
11Die Revision der Klägerin hat Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zwar hat das LSG im Ergebnis zutreffend das erstinstanzliche Urteil und den Bescheid des Beklagten aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist jedoch die Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V, die nach ihrem Wortlaut allein für die Auswahl des Praxisnachfolgers in einem Nachbesetzungsverfahren gilt, in einem Auswahlverfahren wegen partieller Entsperrung eines Planungsbereichs nicht anwendbar. Das Urteil des LSG war deshalb zu ändern und der Beklagte zur erneuten Zulassungsentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu verpflichten.
12A. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Urteile des LSG und des SG sowie der Bescheid des Beklagten vom , der den Widerspruch der Klägerin gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses auch als unbegründet zurückwies und sich so den Entscheidungsausspruch des Zulassungsausschusses zu eigen machte (zum Bescheid des Beschwerdeausschusses als alleiniger Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zB - BSGE 126, 40 = SozR 4-2500 § 95 Nr 34, RdNr 20 mwN).
13Die Klägerin ist durch das angefochtene Urteil des LSG auch beschwert. Zwar hat das LSG den Beklagten zu einer Neubescheidung über den Widerspruch der Klägerin verurteilt und damit dem Klageantrag im Wesentlichen formal entsprochen. Bei dem Urteil des LSG handelt es sich allerdings um ein Bescheidungsurteil. In dem Sonderfall eines Bescheidungsurteils bestimmt die in den Entscheidungsgründen des Urteils als maßgeblich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Gerichts die Reichweite von dessen Rechtskraft ( - SozR 4-1500 § 141 Nr 4 RdNr 31 mwN). Die Bindungswirkung eines Bescheidungsurteils erfasst dabei nicht allein die Gründe, aus denen das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt als rechtswidrig aufhebt. Die materielle Rechtskraft erstreckt sich vielmehr auch auf alle Rechtsauffassungen, die das Bescheidungsurteil der Behörde zur Beachtung bei Erlass des neuen Verwaltungsakts vorschreibt (vgl - SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 14; ebenso 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157, 164 = NJW 1990, 2700, 2702). Aus diesem Grund kann ein Bescheidungsurteil auch den Kläger beschweren, nämlich dann, wenn - wie hier - die vom Gericht der Behörde zur Beachtung vorgegebene Rechtsauffassung sich nicht mit seiner eigenen deckt und für ihn ungünstiger ist (vgl - SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 22). Den Entscheidungsgründen ist klar zu entnehmen, dass das LSG die Anwendbarkeit des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V bei Auswahlentscheidungen der Zulassungsgremien zwischen mehreren Bewerbern um eine Zulassung bei partieller Entsperrung dem Grunde nach bejaht. In diesem Punkt bleibt das stattgebende Urteil hinter dem Begehren der Klägerin zurück, die im Rahmen ihrer Bescheidungsklage geltend gemacht hat, dass die Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V für das Zulassungsverfahren aufgrund partieller Entsperrung bereits keine Anwendung finde und ihre Bewerbung damit "gleichwertig" in der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen sei.
14B. Die Revision ist auch begründet. Für Auswahlverfahren nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs (dazu 1.) findet die Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V, die einer bestimmten Gruppe von MVZ im Nachbesetzungsverfahren nicht die gleiche Stellung wie anderen geeigneten Bewerbern einräumt (dazu 2.), weder direkte noch analoge Anwendung (dazu 3.).
151. Gegenstand des Verfahrens ist die Besetzung eines (halben) Vertragsarztsitzes aufgrund einer partiellen Entsperrung des Planungsbereichs im Zusammenhang mit der Quotenregelung nach § 13 Abs 6 Satz 1, § 26 Abs 1 Halbsatz 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) für die Gruppe der rheumatologischen Internisten.
16Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vom (BGBl I 646) hat der GBA die Kompetenz erhalten, im Rahmen der vertragsärztlichen Bedarfsplanung innerhalb einzelner Arztgruppen differenzierte Mindest- oder Höchstversorgungsanteile für Ärzte mit bestimmten Facharztkompetenzen oder Schwerpunktkompetenzen festzulegen und damit die Zusammensetzung der Arztgruppen zu konkretisieren (§ 101 Abs 1 Satz 8 SGB V; vgl auch BT-Drucks 19/14871 S 97 zu Nr 5d Buchst a Doppelbuchst bb). Geregelt ist nunmehr zudem in § 95 Abs 2 Satz 9 und Abs 9 Satz 1 SGB V, dass Zulassungen oder Anstellungsgenehmigungen nicht erteilt werden dürfen, soweit der Zulassung oder der Anstellungsgenehmigung ein vom GBA festgelegter Höchstversorgungsanteil entgegensteht. Durch Beschluss vom (BAnZ AT B 6) hat der GBA ua in § 13 Abs 6 Nr 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie für die hier betroffene Gruppe der Fachinternisten differenzierte Höchstversorgungsanteile für bestimmte Schwerpunktkompetenzen sowie Teilgebietsbezeichnungen festgelegt. Danach ist sicherzustellen, dass mindestens ein Versorgungsanteil in Höhe von 8 Prozent der regionalen Verhältniszahl der Fachinternisten den Fachärzten für Innere Medizin und Rheumatologie sowie den Fachärzten für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie vorbehalten ist (Satz 1). Korrespondierend hierzu bestimmt § 26 Abs 1 Satz 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie, dass der Aufhebungsbeschluss des Landesausschusses hinsichtlich der Zulassungsbeschränkungen mit der Auflage zu versehen ist, dass Zulassungen nur in einem solchen Umfang erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten ist (sogenannte partielle Entsperrung). Dabei sind die Quotenregelungen nach den §§ 12, 13 und 25 Bedarfsplanungs-Richtlinie zu befolgen (§ 26 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Ergänzend regelt § 26 Abs 1 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie, dass soweit der Versorgungsgrad bereits mit einer hälftigen Zulassung überschritten wird, nur eine Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag oder eine hälftige Genehmigung in Betracht kommt. Nach diesen Vorgaben hat der Landesausschuss in seinem Beschluss vom für die Fachärzte für Innere Medizin und Rheumatologie und für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie eine Zulassungsmöglichkeit bzw einen Quotenplatz im Umfang eines halben Versorgungsauftrags für den Planungsbereich Raumordnungsregion Allgäu festgestellt und in diesem Umfang partiell entsperrt.
172. Nach § 26 Abs 4 Nr 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie, der auch Anwendung findet, wenn nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen über einen Antrag auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem MVZ oder bei einem Vertragsarzt zu befinden ist ( - BSGE 128, 125 = SozR 4-2500 § 103 Nr 27, RdNr 31 ff), entscheidet der Zulassungsausschuss unter mehreren Bewerbern nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der beruflichen Eignung, der Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit, des Approbationsalters, der Dauer der Eintragung in die Warteliste, der bestmöglichen Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes und von Versorgungsgesichtspunkten (zB Fachgebietsschwerpunkt, Feststellungen nach § 35 Bedarfsplanungs-Richtlinie) sowie der Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung. Aus dem Charakter der Auswahlentscheidung als Ermessensentscheidung folgt, dass die gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde und der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist ( - SozR 4-2500 § 103 Nr 26 RdNr 26; - BSGE 119, 190 = SozR 4-2500 § 101 Nr 17, RdNr 42). Ausgehend von diesen Vorgaben liegt ein Ermessensfehler vor. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG findet die Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V hier keine Anwendung (dazu noch RdNr 24 ff). Der Beklagte durfte daher den Antrag der Klägerin bei der Auswahlentscheidung im Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung nicht unberücksichtigt lassen.
18a) Nach § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V ist bei der Auswahl eines Praxisnachfolgers ein MVZ, bei dem die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen. Nach diesen Vorgaben kann - von der hier nicht einschlägigen Ausnahme nach § 103 Abs 4c Satz 4 SGB V abgesehen - einem MVZ, bei dem die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, der Zuschlag für einen ausgeschriebenen Vertragsarztsitz nur dann erteilt werden, wenn sich hierauf keine anderen geeigneten Bewerber - also weder ein nicht nachrangiges MVZ noch ein Vertragsarzt - bewerben; das Auswahlermessen der Zulassungsgremien ist insoweit eingeschränkt (so auch - juris RdNr 54; - juris RdNr 25; Pawlita in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 103 RdNr 229, 334; Schnapp/Nolden, ZESAR 2012, 452, 453; Gerdts, Festschrift 20 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein, 2018, S 3, 13 f.; Klöck, NZS 2013, 368, 371; Kroel/Baron, GesR 2013, 647, 650; vgl dagegen Sproll in Krauskopf, SGB V, Werksstand 115 EL Juni 2022, § 103 RdNr 51; Ladurner, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2017, § 103 SGB V RdNr 114 - Nachrang nur bei Gleichwertigkeit der Abwägungsergebnisse mit anderen Bewerbern - sowie Jaeger/Baasch, MedR 2021, 390; Scholl-Eickmann, PFB 2023, 175, 176 - Nachrang lediglich ein zu berücksichtigendes Abwägungskriterium im Rahmen der Auswahlentscheidung).
19b) Bereits der Wendung "nachrangig zu berücksichtigen" lässt sich entnehmen, dass - soweit neben dem nicht mehrheitlich von Vertragsärzten getragenen MVZ andere geeignete Bewerber vorhanden sind - diese grundsätzlich dem MVZ vorzuziehen sind. "Nachrangig" bedeutet so viel wie zweitrangig bzw im Rang untergeordnet (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, www.duden.de, Stichwort "nachrangig"). Dass die nachrangige Berücksichtigung der nicht mehrheitlich von Vertragsärzten getragenen MVZ nur bei Gleichwertigkeit der Abwägungsergebnisse mit den anderen Bewerbern im Übrigen ("nur bei gleicher Eignung") zu geschehen hat, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen (vgl anders etwa § 8 Abs 1 Bundesgleichstellungsgesetz).
20Auch die Bezugnahme in § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V auf seinen Abs 4 ("Absatz 4 gilt mit der Maßgabe…") verdeutlicht die Rangfolge (vgl auch - juris RdNr 25). Nach § 103 Abs 4 Satz 4 SGB V hat der Zulassungsausschuss unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Hierfür gibt § 103 Abs 4 Satz 5 SGB V - überwiegend die Qualifikation des Bewerbers bzw dessen Eignung zur Versorgung der Patienten betreffende - verschiedene Auswahlkriterien vor, wie zB die berufliche Eignung (Nr 1), das Approbationsalter (Nr 2) und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit (Nr 3). Weitere Auswahlkriterien finden sich zB in § 103 Abs 5 Satz 3 SGB V (Dauer der Eintragung in die Warteliste) und § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V (die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte einer Berufsausübungsgemeinschaft). Darüber hinaus ist grundsätzlich auch die Berücksichtigung weiterer, im Gesetz nicht genannter Kriterien zulässig ( - SozR 4-2500 § 103 Nr 12 RdNr 50 mwN), wenngleich die in § 103 Abs 4 Satz 5 SGB V genannten Auswahlkriterien den Rahmen für die Auswahlentscheidung vorgeben (BSG aaO RdNr 53). § 103 Abs 4 Satz 5, Abs 5 Satz 3 und Abs 6 Satz 2 SGB V formulieren hinsichtlich der normierten Auswahlkriterien jeweils, dass diese "zu berücksichtigen" sind. Einen Vorrang einzelner Kriterien gibt es dabei nicht; es ist vielmehr Aufgabe der Zulassungsgremien, die Auswahlkriterien im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen abzuwägen. Dies ermöglicht eine an den besonderen Umständen jedes Einzelfalles orientierte Beurteilung ( - SozR 4-2500 § 103 Nr 12 RdNr 47; Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 4. Aufl 2021, RdNr 665).
21Dagegen ordnet § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V ausdrücklich die modifizierte Geltung des § 103 Abs 4 SGB V ("mit der Maßgabe") an und verwendet die Formulierung "nachrangig zu berücksichtigen". Die Nachrangregelung zielt damit nicht lediglich auf ein weiteres Auswahlkriterium iS des § 103 Abs 4 Satz 5 SGB V. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen grundsätzlich zu beachtenden Nachrang für nicht mehrheitlich von Vertragsärzten getragene MVZ statuiert. Dies hat zur Folge, dass diesen MVZ bei der Auswahl im Nachbesetzungsverfahren nicht die gleiche Stellung wie anderen geeigneten Bewerbern eingeräumt wird.
22c) Etwas anderes folgt - entgegen der Rechtsauffassung des LSG - auch nicht aus einem Vergleich mit den Vorgaben zur Nachbesetzung von Hausarztsitzen in § 103 Abs 4 Satz 7 SGB V. Dort ist bestimmt, dass - ab - für ausgeschriebene Hausarztsitze "vorrangig" Allgemeinärzte "zu berücksichtigen" sind. Da - so das LSG - nach der Gesetzesbegründung zu dieser Norm nicht ausgeschlossen sei, dass "in besonderen Fällen" auch andere hausärztlich tätige Ärzte berücksichtigt werden können (Hinweis auf BT-Drucks 15/1525, S 112) und § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V spiegelbildlich die Wörter "nachrangig zu berücksichtigen" verwende, sehe folglich auch die Nachrangregelung keinen grundsätzlichen Ausschluss von nichtvertragsärztlichen MVZ vor. Vielmehr stelle der Nachrang nur ein Kriterium unter den gleichrangig zu bewertenden Auswahlkriterien dar (so auch Jaeger/Baasch, MedR 2021, 390).
23Einen solchen Rückschluss vermag der Senat nicht zu ziehen. Unabhängig davon, dass sich die Zielrichtungen der beiden Regelungen unterscheiden, führt die Gesetzesbegründung zu § 103 Abs 4 Satz 7 SGB V als (einziges) Beispiel für einen "besonderen" Fall gerade die Konstellation auf, dass kein Allgemeinmediziner für die Nachbesetzung zur Verfügung steht (BT-Drucks 15/1525 S 112). Der Senat hat daher die Vorgabe in § 103 Abs 4 Satz 7 SGB V auch dahingehend verstanden, dass aus der Vorrangregelung im Umkehrschluss folgt, dass ausgeschriebene Hausarztsitze auch mit Internisten besetzt werden können, wenn sich keine geeigneten Allgemeinärzte um die Praxisnachfolge bewerben ( - BSGE 116, 173 = SozR 4-2500 § 103 Nr 14, RdNr 32; vgl auch Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 4. Aufl 2021, RdNr 645).
243. Die Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V ist jedoch in einem Verfahren zur Vergabe einer Zulassung bzw Anstellungsgenehmigung nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs nicht anwendbar. Weder kommen eine unmittelbare (dazu a) noch eine analoge Anwendung (dazu b) in Betracht. Auf die von der Klägerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nachrangregelung kommt es daher nicht an.
25a) Die Anknüpfung der Nachrangregelung an die Begrifflichkeit eines Nachfolgeverfahrens iS des § 103 Abs 4 SGB V ergibt sich bereits daraus, dass die Norm auf die "Auswahl des Praxisnachfolgers" und auf das Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs 4 SGB V ("Absatz 4 gilt mit der Maßgabe") Bezug nimmt. Ein solches Nachbesetzungsverfahren steht hier nicht in Streit. Da der eindeutige Wortlaut der Norm eine Auslegungsgrenze bildet ( ua - BVerfGE 57, 361, 388 = juris RdNr 80; - BVerfGE 138, 64 RdNr 86; - BVerfGE 153, 1 RdNr 118), und auch ein entsprechender - davon abweichender - gesetzgeberischer Wille in den Gesetzesmaterialien nicht festzustellen ist (zur Verbindlichkeit des dokumentierten Willens des Gesetzgebers, soweit er im Normwortlaut einen Anknüpfungspunkt gefunden hat (vgl ua - BVerfGE 11, 126, 129 ff = juris RdNr 19 ff; - BVerfGE 13, 261, 268 = juris RdNr 42; - SozR 4-4300 § 131a Nr 1 RdNr 20; - juris RdNr 66; dazu vgl auch zusammenfassend Burkiczak, Rechtstheorie 2021, 23 ff.), kommt hier eine unmittelbare Anwendung der Norm nicht in Betracht. Hiervon gehen auch die Beteiligten des Verfahrens übereinstimmend aus.
26b) Die Vorschrift ist entgegen der Ansicht des Beklagten und der Vorinstanzen auch nicht entsprechend anzuwenden. Für eine Rechtsfortbildung im Wege der hier allein in Betracht kommenden Analogie (dazu aa) fehlt es bereits an einer planwidrigen Lücke (dazu bb).
27aa) Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber vom Gesetzgeber nicht geregelten Sachverhalt. Ein Analogieschluss setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz nach der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen ( - SozR 4-7837 § 2 Nr 34 RdNr 28; - BSGE 130, 171 = SozR 4-5075 § 1 Nr 10, RdNr 65; - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 29). Eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie ist nicht bereits dann gegeben, wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt oder eine gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird (vgl - BSGE 112, 43 = SozR 4-2700 § 90 Nr 2, RdNr 38 mwN; - BSGE 123, 205 = SozR 4-2600 § 48 Nr 6, RdNr 25). Eine Regelungslücke liegt nur dort vor, wo das Gesetz eine Regelung weder ausdrücklich noch konkludent getroffen hat und es deshalb nach dem zugrunde liegenden Konzept, dem "Gesetzesplan", unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist ( - BSGE 134, 237 = SozR 4-1300 § 63 Nr 32, RdNr 38; - BSGE 134, 73 = SozR 4-2400 § 7a Nr 14, RdNr 20). Eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Lücke muss dabei aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden können, weil sonst jedes Schweigen des Gesetzgebers - und das ist der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will - als planwidrige Lücke im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden könnte ( - BSGE 123, 205 = SozR 4-2600 § 48 Nr 6, RdNr 25; - SozR 4-4300 § 131a Nr 1 RdNr 24; - juris RdNr 22). Die Regelungsabsicht des Normgebers ist anhand der Gesetzgebungsmaterialien zu bestimmen (vgl - juris RdNr 17 ff; - SozR 4-4300 § 131a Nr 1 RdNr 24; 5 C 10.18 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr 132 = juris RdNr 16 f; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band 1, 11. Aufl 2013, RdNr 371; vgl auch Kudlich/Christensen, JZ 2009, 943, 945, 947).
28bb) Nach diesen Maßstäben liegt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht vor. Bereits die Entstehungsgeschichte der Nachrangregelung gibt hierfür keinen Anhalt.
29 (1) § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V ist im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom (BGBl I 2983) mit Wirkung zum in Kraft getreten. Anstelle der Nachrangregelung sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom zunächst ein Vorkaufsrecht an der Arztpraxis für die KÄV vor, wenn der Zulassungsausschuss einen Nachfolger ausgewählt hat (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906, S 23; dort als Abs 4c vorgesehen). Zudem war ein Praxisvorkaufsrecht für die übrigen Bewerber geplant, soweit bei der Auswahlentscheidung in einem Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs 4 SGB V ein MVZ den Zuschlag erhält, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig sind (BT-Drucks 17/6906, S 23; dort als Abs 4d Satz 3 bis 14 vorgesehen). Mit diesen Regelungen sollte die Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit geschützt und verhindert werden, dass im Nachbesetzungsverfahren Vertragsärzte sowie Ärzte, die sich auf einem frei werdenden Vertragsarztsitz niederlassen wollen, durch MVZ verdrängt werden, deren Geschäftsanteile und Stimmrechte nicht mehrheitlich in der Hand von Vertragsärzten liegen, die in dem MVZ tätig sind (BT-Drucks 17/6906, S 77). Hintergrund sei - so die Begründung des Gesetzentwurfs - die besonders in kapitalintensiven Bereichen der Medizin zu beobachtende Übernahme von Vertragsarztsitzen durch Kapitalgesellschaften, die die Voraussetzungen für die Gründung eines MVZ durch den Ankauf eines Leistungserbringers, wie zB eines Pflegedienstes erfüllten. Als besonders nachteilig sei diese Entwicklung zu beurteilen, wenn Vertragsarztsitze in überversorgten Gebieten, in denen freiberuflich tätige Ärzte zur Verfügung stünden, von Kapitalgesellschaften übernommen würden, deren Geschicke aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht maßgeblich von Vertragsärzten beeinflusst werden könnten. Es gelte die Verdrängung freiberuflich tätiger Ärzte durch solche Kapitalgesellschaften in überversorgten Planungsbereichen zu vermeiden (BT-Drucks 17/6906 S 77). Diese ursprünglich geplanten Vorkaufsrechte zielten offenkundig allein auf Vorgaben für Nachbesetzungsverfahren (§ 103 Abs 4 SGB V) ab. Bei Zulassungsverfahren aufgrund partieller Öffnung des Planungsbereichs spielen solche Vorkaufsrechte dagegen keine Rolle, da keine bestehenden Praxissitze übernommen bzw fortgeführt werden.
30 (2) Die im Entwurf vorgesehenen Vorkaufsrechte fanden zwar letztendlich keinen Eingang in das Gesetz. An ihre Stelle trat vielmehr im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens - insoweit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) vom folgend - die heutige Nachrangregelung des § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V. Dieser nunmehr gewählte Weg des Nachrangs von bestimmten MVZ ist allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass der gewählte Anwendungsbereich der Regelung mit ihrer Geltung "allein" für das Nachbesetzungsverfahren als zu eng angesehen wurde, sondern lediglich darauf, dass sich die praktische Umsetzung der Vorkaufsregelungen als zu aufwändig und zeitintensiv darstellte und der Gesetzgeber die Gefahr sah, dass am Ende eines langen Verfahrens keine fortführungsfähige Praxis mehr existiert. Dementsprechend sollte der Nachrang der MVZ "bereits bei der Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses um die Praxisnachfolge nach [§ 103] Absatz 4 [SGB V] berücksichtigt werden" (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 17/8005, S 114). Auch in diesem Zusammenhang wird damit weiterhin auf das Nachbesetzungsverfahren ("Praxisnachfolge") abgestellt. Eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Lücke in Bezug auf Zulassungsverfahren wegen partieller Entsperrung lässt sich mithin nicht positiv feststellen.
31 (3) Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Senats vom (B 6 KA 5/18 R - BSGE 128, 125 = SozR 4-2500 § 103 Nr 27). Zutreffend ist allerdings, dass der Senat dort die Regelung zur Ermöglichung einer Konzeptbewerbung im Nachbesetzungsverfahren (vgl § 103 Abs 4 Satz 10 SGB V aF <idF des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom , BGBl I 1211> bzw heute § 103 Abs 4 Satz 5 Nr 9 SGB V <idF des TSVG vom , BGBl I 646>) im Auswahlverfahren nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs für entsprechend anwendbar erklärt hat. Der Senat hat dabei betont, dass das Fehlen jeglicher, insbesondere auch abgrenzender Hinweise in Bezug auf das - dem Nachbesetzungsverfahren ähnliche - Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung gerade darauf hindeute, dass diese Konstellation im Gesetzgebungsverfahren nicht bedacht worden sei und somit eine "unbewusste" Lücke vorliege. Das gelte umso mehr, als sowohl der in der Gesetzesbegründung beschriebene Anlass für die Neuregelung ("In der Realität ist es häufig der Fall, dass MVZ erst dann eine Ärztin bzw. einen Arzt akquirieren, wenn sie tatsächlich auch eine Zulassung bzw. Anstellungsgenehmigung haben.") als auch der damit verfolgte Zweck (um "zu Gunsten der Patientenversorgung" dem Versorgungszweck "Versorgung unter einem Dach" besser Rechnung zu tragen) nicht auf ein spezielles Zulassungsverfahren, sondern allgemein auf einen "ausgeschriebenen Vertragsarztsitz" bzw eine "ausgeschriebene Zulassung" Bezug nehmen (BSG aaO RdNr 40).
32Auf die vorliegende Konstellation kann diese Rechtsprechung nicht übertragen werden. Die Regelungslücke im Hinblick auf die Konzeptbewerbung war im Ergebnis deshalb zu bejahen, weil nach § 26 Abs 4 Nr 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie im Rahmen der in einem Zulassungsverfahren wegen partieller Entsperrung zu treffenden Auswahlentscheidung im Kern dieselben Kriterien zu berücksichtigen sind wie bei einer Auswahlentscheidung in Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs 4 SGB V ( - BSGE 128, 125 = SozR 4-2500 § 103 Nr 27, RdNr 43; s auch schon - BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 24; - SozR 4-2500 § 103 Nr 26 RdNr 24). Die Übertragbarkeit der für die Praxisnachfolge geltenden Vorgaben auf Zulassungsentscheidungen nach partieller Öffnung eines zuvor gesperrten Planungsbereichs folgt im Grundsatz - eben weil das Gesetz Kriterien für die Auswahlentscheidung ausdrücklich nur für die Praxisnachfolge (§ 103 Abs 4 SGB V) regelt - bereits aus dem Erfordernis, das Besetzungsverfahren auch hier in Übereinstimmung mit den aus Art 12 Abs 1 GG abzuleitenden Anforderungen auszugestalten ( - BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 33; - SozR 4-2500 § 103 Nr 26 RdNr 24). Wenn zu diesen Kriterien seit Inkrafttreten des GKV-VSG am auch die Verbesserung der Patientenversorgung durch das Konzept eines MVZ zur "Versorgung unter einem Dach" gehört und den MVZ zu diesem Zweck die Bewerbung mit einem Versorgungskonzept ohne Benennung eines Arztes ermöglicht werden sollte (vgl § 103 Abs 4 Satz 10 SGB V aF bzw § 103 Abs 4 Satz 5 Nr 9 SGB V nF), spricht alles dafür, dass auch im Auswahlverfahren nach partieller Entsperrung eine solche Konzeptbewerbung möglich sein soll ( - BSGE 128, 125 = SozR 4-2500 § 103 Nr 27, RdNr 43). Dies gilt insbesondere deswegen, weil auch nach § 26 Abs 4 Nr 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie das Kriterium der "bestmöglichen Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes" zu berücksichtigen ist.
33Eine solche Vergleichbarkeit besteht hinsichtlich der Nachrangregelung nicht. Es geht hier nicht um die Modifikation eines (weiteren) Eignungskriteriums iS von § 103 Abs 4 Satz 5 SGB V, welche - wie die Konzeptbewerbung - der Zielrichtung eines in § 26 Bedarfsplanungs-Richtlinie bereits enthaltenen Auswahlkriteriums zugeordnet werden kann. Es handelt sich vielmehr um eine Regelung, nach welcher einer bestimmten Gruppe von MVZ bei der Auswahl im Nachbesetzungsverfahren nicht die gleiche Stellung wie den übrigen geeigneten Bewerbern eingeräumt wird.
34 (4) Dieses Ergebnis wird durch die zu beachtenden Grenzen der analogen Normanwendung im öffentlichen Recht (insbesondere Art 20 Abs 3 GG) gestützt. Grundsätzlich dürfen die Gerichte ohne Grundlage in Recht und Gesetz keine (den Bürger belastende) Entscheidung treffen (Vorbehalt des Gesetzes; vgl - BVerfGE 49, 304, 320 ff = juris RdNr 30 ff; - BVerfGE 57, 220, 247 f = juris RdNr 68; ua - BVerfGE 69, 315, 371 f = juris RdNr 110; - juris RdNr 13). Die Gerichte haben bei der Auslegung und der Anwendung des Gesetzes die Bedeutung des betroffenen Grundrechts und den Umfang seines Schutzbereichs zu beachten. Soweit die vom Gericht im Wege der Rechtsfortbildung gewählte Lösung dazu dient, der Verfassung, insbesondere verfassungsmäßigen Rechten des Einzelnen, zum Durchbruch zu verhelfen, sind die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung dementsprechend weiter, da insoweit eine auch den Gesetzgeber treffende Vorgabe der höherrangigen Verfassung konkretisiert wird. Umgekehrt sind die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung bei einer Verschlechterung der rechtlichen Situation des Einzelnen enger gesteckt ( - BVerfGE 138, 377 RdNr 41 mwN). Eine Erstreckung der in § 103 Abs 4c Satz 3 SGB V vorgesehenen Rechtsfolge auf die Auswahl in anderen Zulassungsverfahren, die das Gesetz selbst nicht vorsieht, kommt dementsprechend aufgrund des mit der Regelung verbundenen grundrechtsrelevanten Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit der Träger von MVZ nicht in Betracht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:251023UB6KA2622R0
Fundstelle(n):
FAAAJ-58065