Suchen
BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 10/23

Pflicht zur Schriftsatzeinreichung in elektronischer Form

Gesetze: § 55a Abs 3 S 1 VwGO, § 55d S 1 VwGO, § 55d S 3 VwGO, § 55d S 4 VwGO, § 67 Abs 4 VwGO, § 102 Abs 2 VwGO, § 112c Abs 1 S 1 BRAO, § 112c Abs 1 S 2 BRAO, Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Schleswig Az: 1 AGH 3/22 Urteil

Gründe

I.

1Der Kläger ist seit Mai 2021 (wieder) im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom , dem Kläger zugestellt am , widerrief die Beklagte seine Zulassung wegen Verletzung der Kanzleipflicht (§ 14 Abs. 3 Nr. 4 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete, nicht als elektronisches Dokument, sondern nur auf dem Postweg am durch den Kläger eingereichte Klage als unzulässig abgewiesen, weil die gemäß § 112c Abs. 1 BRAO i.V.m. § 55d VwGO erforderliche Form nicht gewahrt sei. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO) und fristgerecht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 1 bis 5 VwGO) durch den Kläger als elektronisches Dokument eingereicht und begründet worden.

3Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

41. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

5Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 6 mwN).

6Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung.

7a) Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger sie entgegen § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 55d Satz 1 VwGO nicht als elektronisches Dokument, sondern auf dem Postweg eingereicht hat, ohne bei der Einreichung oder unverzüglich danach eine vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung glaubhaft zu machen (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 55d Satz 3 und 4 VwGO).

8Dabei ist der Anwaltsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger, der die Klage ausweislich der Klageschrift unter Verwendung seines anwaltlichen Briefkopfs und des Unterschriftzusatzes "Rechtsanwalt" mit der Einleitung "namens und in Vollmacht des Klägers" als sich selbst vertretender Rechtsanwalt in einem Verfahren mit Anwaltszwang gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAO, § 67 Abs. 4 Satz 8 und 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 VwGO eingereicht hat, als Rechtsanwalt der Pflicht zur Einreichung von vorbereitenden Schriftsätzen sowie schriftlich einzureichenden Anträgen und Erklärungen in elektronischer Form gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO unterlag. Dass die Beklagte die Zulassung des Klägers mit dem angefochtenen Widerrufsbescheid mit Wirkung vom Tag der Zustellung an widerrufen hat, ändert daran nichts, weil die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft erst erlischt, wenn der Widerruf seiner Zulassung bestandskräftig geworden ist (§ 13 BRAO).

9Dass ihm eine elektronische Übermittlung der Klage vorübergehend technisch unmöglich gewesen sei (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 55d Satz 3 und 4 VwGO), hat der Kläger weder mit der postalischen Klageeinreichung noch unverzüglich danach geltend gemacht, geschweige denn glaubhaft gemacht.

10b) Die verfassungsrechtlichen Einwände des Klägers greifen nicht durch. Insoweit macht der Kläger ohne Erfolg geltend, dass beim Anwaltsgerichtshof auch Klagen von Rechtsassessoren mit dem Begehren auf Zulassung oder von ehemaligen Rechtsanwälten mit sonstigen Begehren (wie etwa die Berechtigung, sich im Ruhestand als Rechtsanwalt bezeichnen zu dürfen) erhoben werden könnten, die mangels eines Zugangs zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) nur die Möglichkeit einer Einreichung in Schriftform hätten; dies stelle eine grundrechtsverletzende Ungleichbehandlung dar.

11Soweit der Kläger danach davon ausgehen sollte, dass Zulassungsklagen von Rechtsassessoren oder Klagen von ehemaligen Rechtsanwälten beim Anwaltsgerichtshof keinem Vertretungszwang unterliegen und deswegen auch postalisch eingereicht werden könnten, trifft diese Annahme nicht zu. Der nach § 112c Abs. 1 Satz 2 BRAO, § 67 Abs. 4 VwGO in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen bestehende Vertretungszwang gilt auch in diesen Fällen. Infolge des nach § 67 Abs. 4 Satz 8 VwGO bestehenden Selbstvertretungsrechts zugelassener Rechtsanwälte führt dies gerade dazu, dass (nur) Beteiligten, die (wie Rechtsassessoren) noch nicht oder (wie ehemalige Rechtsanwälte) nicht mehr zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind, die Postulationsfähigkeit fehlt (vgl. RegE zum BRAO-Reformgesetz, BT-Drucks. 16/11385, S. 30; Weyland/Kilimann, BRAO, 10. Aufl., § 112c Rn. 131; Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl., § 112c Anhang § 67 VwGO Rn. 1; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken,Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 112c BRAO Rn. 143).

12Dieser Vertretungszwang begegnet verfassungsrechtlich keinen Bedenken. Das gilt sowohl hinsichtlich der Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG als auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG, und dem vom Kläger angeführten Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar beschränkt der Vertretungszwang das Recht des Betroffenen, seine Rechte im Prozess selbständig wahrzunehmen, und hat ggf. auch finanzielle Belastungen zur Folge. Er dient jedoch dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege, namentlich einem geordneten und konzentrierten Gang des Verfahrens, und ist damit sachlich hinreichend legitimiert (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 15/18, NJW-RR 2018, 1211 Rn. 14;BVerfGE 74, 78, 93 f.; BVerwG, NJW 1980, 1706; Deckenbrock in Henssler/ Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 112c Rn. 47 mwN). Auch die für Rechtsanwälte gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1, § 55d VwGO bestehende Pflicht, vorbereitende Schriftsätze sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen in elektronischer Form zu übermitteln, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, NJW 2018, 288 Rn. 8 ff.).

132. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Insbesondere ist die vom Kläger aufgeworfene Frage, "ob die Klage gemäß § 55d VwGO i.V.m. § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO über beA in elektronischer Form einzureichen ist oder auch per Post zulässig ist", in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur bereits hinreichend geklärt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

143. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensmangel unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Entgegen der Annahme des Klägers konnte der Anwaltsgerichtshof trotz des Ausbleibens des Klägers gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1, § 102 Abs. 2 VwGO im Termin am verhandeln und entscheiden. Soweit der Kläger seine ordnungsgemäße Ladung zu diesem Termin bestreitet, ergibt sich aus der in der Gerichtsakte befindlichen Postzustellungsurkunde, dass ihm die Ladung zum durch Niederlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten unter der Anschrift E.       N.        ,      E.      am ordnungsgemäß zugestellt worden ist (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 56 Abs. 2 VwGO, § 180 ZPO). Ausweislich der in der Akte befindlichen Ladungsverfügung enthielt die Ladung auch den nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 102 Abs. 2 VwGO erforderlichen Hinweis auf die Möglichkeit einer Verhandlung und Entscheidung auch bei Ausbleiben einer Partei. Da in der Ladung außerdem bereits darauf hingewiesen wurde, dass die Klage nach derzeitigem Stand mangels Wahrung der nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 55d VwGO gebotenen Form unzulässig sein durfte, ist auch ein möglicher Gehörsverstoß durch eine Überraschungsentscheidung nicht gegeben (vgl. dazu Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023 § 102 VwGO Rn. 22a mwN).

154. Andere Zulassungsgründe hat der Kläger nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich.

165. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, nachdem die vom Kläger beantragte Gewährung von Akteneinsicht über den von ihm als bevollmächtigt angegebenen Rechtsanwalt B.          in H.       nicht möglich war, da Rechtsanwalt B.         auf wiederholte Anschreiben des Senats nicht geantwortet und sich nicht für den Kläger bestellt hat. Auch von Seiten des vom Kläger nachträglich als "vorsorglich … ebenfalls" bevollmächtigt angegebenen Rechtsanwalts Bi.     aus H.      ist keine Bestellung erfolgt. Die dem Kläger selbst gewährte Möglichkeit der Einsichtnahme in die Akten auf der Geschäftsstelle des Senats hat er nicht wahrgenommen.

III.

17Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:151223BANWZ.BRFG.10.23.0

Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2024 S. 12 Nr. 16
CAAAJ-57901