Einheitlicher Sachverhalt im Sinne des § 1 Abs. 2 StAuskV und damit nur eine Gebühr gemäß § 89 Abs. 3 Satz 1 AO, wenn eine
verbindliche Auskunft im Rahmen von mehrstufigen Umstrukturierungsmaßnahmen eines Konzerns zur Herstellung einer einheitlichen
Beteiligungsstruktur eingeholt worden ist und sich die Rechtsfragen auf einzelne Übertragungen und unterschiedliche Gesellschaften
beziehen
Leitsatz
1. Für die Frage, wie viele einzelne Gebühren im Rahmen eines Auskunftsverfahrens nach § 89 Abs. 3 Satz 1 AO ausgelöst werden,
kommt es grundlegend auf die Zahl der gestellten Anträge an. Die Zahl der Anträge hängt zum einen von der Zahl der zum Gegenstand
der Auskunft gemachten „Sachverhalte” ab. Im gebührenrechtlichen Sinn handelt es sich jeweils um einen Antrag, soweit sich
die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts auf einen Steuerpflichtigen bezieht. Dieser Sachverhalt kann sich auf mehrere
Steuerarten auswirken. Werden mehrere sachlogisch zusammenhängende Rechtsfragen gestellt, so führt allein dies gebührenrechtlich
nicht zu einer Aufteilung des Auskunftsantrags in Teilanträge.
2. Enthält eine Antragsschrift hingegen mehrere voneinander abgrenzbare Sachverhalte und werden zu jedem Sachverhalt konkrete
Rechtsfragen gestellt, handelt es sich um mehrere Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, die lediglich in einem
Schriftsatz zusammengefasst sind und gleichwohl mehrere Gebühren auslösen können.
3. Die Zahl der Anträge hängt ggf. auch von der Zahl der antragstellenden Steuerpflichtigen ab. Ein einheitlicher (einziger)
Sachverhalt kann somit gleichwohl eine Mehrzahl von Gebühren zur Folge haben, wenn mehrere Antragsteller die Auskunft beantragt
haben. Gemäß dem durch das Steuermodernisierungsgesetz vom eingeführten § 89 Abs. 3 Satz 2 AO ist jedoch nur eine
Gebühr zu erheben, wenn eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt wird. Wann eine verbindliche
Auskunft in diesem Sinne einheitlich gegenüber mehreren Antragstellern erteilt wird, richtet sich nach § 1 Abs. 2 StAuskV.
4. Maßgeblich für die Abgrenzung eines (einzigen) Sachverhalts von einer Mehrheit von Sachverhalten ist bei einem Antrag auf
verbindliche Auskunft im Grundsatz das von den Antragsteller(n) geplante Vorhaben, nicht aber, ob das geplante Vorhaben eine
oder mehrere steuerliche Rechtsfragen (ggf. auch zu unterschiedlichen Steuerarten) aufwirft. Entscheidend ist nicht ein einzelner
Steuertatbestand, sondern die Reichweite des Sachverhalts. Alle Schritte, die der Steuerpflichtige zur Vorbereitung und Umsetzung
dieses Vorhabens vorzunehmen beabsichtigt, bilden zusammen einen Sachverhalt. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn zur Erreichung
des angestrebten Ziels mehrere Teilschritte vollzogen werden müssen. Eine separate Auskunft über einen einzelnen Teilschritt,
an dem der Steuerpflichtige isoliert kein wirtschaftliches Interesse hat, wäre dann wertlos.
5. Ein einziger Sachverhalt in diesem Sinne kann vorliegen, wenn in einem Konzern mehrstufige gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen
zur Vereinheitlichtung der Beteiligungsstruktur geplant werden, die aus einer anfänglichen Struktur über mehrere Teilschritte
in eine Zielstruktur münden sollen, und wenn durch die verbindliche Auskunft auf mehreren Beteiligungsebenen abgesichert werden
soll, dass die Umstrukturierungsmaßnahmen erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich nicht zu jungen Finanzmitteln führen.
6. Nicht erforderlich für die Einheit des Sachverhalts im Sinne des § 1 Abs. 2 AuskV ist es, dass bei einem mehrgliedrigen
Geschehen die einzelnen Teilschritte ihrerseits zwingend voneinander abhängig sind.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 09.06.2022 - 9 K 9084/21
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