BGH Beschluss v. - III ZB 9/23

Gesetze: § 511 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 7 U 23/22vorgehend LG Hof Az: 33 O 202/19

Gründe

I.

1Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erbfall nach E.     H.    (Erblasserin).

2Die am verstorbene Erblasserin war die Stiefmutter der Klägerin und mit deren Vater, der am vorverstarb, verheiratet. Die Klägerin ist alleinige Nacherbin nach ihrem Vater und der Erblasserin. Die Beklagte ist die Schwester der Erblasserin. Diese verfügte zu Lebzeiten über Bankkonten bei der VR-Bank Fichtelgebirge-Frankenwald eG und bei der VR-Bank Bayreuth-Hof eG. Seit dem war die Beklagte Inhaberin einer Bankvollmacht für alle Konten der Erblasserin.

3Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil vom verurteilt,

1. der Klägerin durch Vorlage einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben, einschließlich der dazugehörigen Belege, eine Abrechnung über die von ihr während der Zeit ihrer Bevollmächtigung für die am verstorbene Frau E.   H.    … getätigten Geschäfte ab dem bis zum Todestag zu erteilen,

2. der Klägerin Auskunft über den Bestand der Erbschaft … und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände zu erteilen durch Vorlage eines Verzeichnisses,

3. …

4. für den Fall, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die Abrechnung gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2 nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskunft nach bestem Wissen so vollständig erteilt hat, als sie dazu in der Lage war,

und den Streitwert auf 130.000 € festgesetzt.

4Die hiergegen von der Beklagten erhobene Berufung hat das Oberlandesgericht - nach entsprechender Ankündigung im (Hinweis-)Beschluss vom - durch Beschluss vom mit der Begründung als unzulässig verworfen, dass die erforderliche Beschwer gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht werde. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

5Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

6Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthafte (vgl. etwa Senat, Beschluss vom - III ZB 28/19, NJW-RR 2020, 189 Rn. 4 mwN) sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert.

7Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Durch den angefochtenen Verwerfungsbeschluss wird die Beklagte nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt, welches den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom - III ZB 18/22, NJW-RR 2023, 350 Rn. 3 und 6; vom aaO Rn. 5 und vom - III ZB 70/17, juris Rn. 6).

81. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beklagte zur Erteilung einer Abrechnung über die von ihr für die Erblasserin im Zeitraum vom bis getätigten Geschäfte sowie zur Auskunft über den Bestand der Erbschaft und den Verbleib der Erbschaftsgegenstände durch Vorlage eines Verzeichnisses verurteilt worden ist, und angenommen, dass insoweit - unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Zeitraum, für den die Auskunft hinsichtlich der getätigten Geschäfte erteilt werden solle, mit etwas über vier Monaten relativ kurz und nach § 20 JVEG ein Stundensatz von 4 € vorgesehen sei - die Beschwer 200 € betrage.

9Hinsichtlich der Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat es den Wert der Beschwer geringer angesetzt als beim Abrechnungs- und Auskunftsverlangen, weil die Auskunft - deren Richtigkeit "für den Fall, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die Abrechnung gemäß vorstehender Ziffern 1) und 2) nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde", zu Protokoll an Eides statt zu versichern ist - dann bereits erteilt sei; insoweit seien dann allenfalls Fahrtkosten für die Fahrt zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu berücksichtigen.

10Eine höhere Beschwer sei auch nicht deswegen anzunehmen, weil die Beklagte zur Erteilung der Auskunft anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Der Inhalt der Auskunftspflicht sei klar ersichtlich gewesen. Zur Erteilung der Auskunft sei anwaltliche Hilfe deshalb nicht erforderlich gewesen, so dass die Anwaltskosten nicht zu berücksichtigen seien.

11Insgesamt ergebe sich demnach eine Beschwer von deutlich weniger als 500 €.

122. Diese Bewertung, die der Senat nur darauf überprüfen kann, ob das Berufungsgericht dabei die Grenzen des ihm eröffneten Ermessens (§§ 2, 3 ZPO) überschritten oder dieses fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom - III ZB 57/22, ZEV 2023, 701 Rn. 9; vom aaO Rn. 7; vom aaO Rn. 10 und vom - III ZB 37/16, NJW-RR 2017, 1407 Rn. 7; jew. mwN), ist nicht zu beanstanden.

13a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Wert der durch eine erstinstanzliche Verurteilung zur Auskunftserteilung oder Rechnungslegung verursachten Beschwer sich an dem Interesse der verurteilten Partei orientiert, die in Rede stehende Auskunft oder Abrechnung nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, der für die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs erforderlich ist (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom aaO Rn. 10; vom aaO Rn. 8; vom aaO Rn. 9 und vom aaO Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom - X ZR 51/09, NJW 2010, 2812 Rn. 4; vom - II ZR 75/09, NJW-​RR 2010, 786 Rn. 2; vom - IV ZB 27/07, NJW-RR 2009, 80 Rn. 4 und vom - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87 ff; jew. mwN). Außer Betracht bleibt das Interesse des Beklagten, die vom Kläger erstrebte und mit der Auskunfts- oder Rechnungslegung vorbereitete Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern oder zu erschweren (Senat, Beschlüsse vom und vom ; jew. aaO; BGH, Beschlüsse vom aaO und vom aaO, S. 87 mwN). Zur Bewertung des Zeitaufwands kann grundsätzlich - wie vom Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen - auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zurückgegriffen werden (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom aaO; vom - III ZR 15/20, juris Rn. 7 und vom - III ZB 55/11, ZEV 2012, 270 Rn. 7; , NJW-​RR 2021, 451 Rn. 11). Der Ansatz von 4 € pro Arbeitsstunde entsprechend § 20 JVEG unterliegt daher keinen Bedenken. Die Bemessung des Zeitaufwands mit 50 Arbeitsstunden für die Abrechnungs- und Auskunftserteilung und der Ansatz eines geringeren Betrages hinsichtlich der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung überschreiten die Grenzen des dem Berufungsgericht eröffneten Ermessens ebenfalls nicht. Auch die Rechtsbeschwerde meint, dass dies "grundsätzlich nicht zu beanstanden" ist.

14b) Kosten in Höhe von 2.611,93 €, die der Beklagten für die Einschaltung des Rechtsanwalts W.   entstanden sind, bleiben bei der Bemessung der Beschwer außer Ansatz, weil es sich um Aufwand handelt, der schon vor dem angefallen ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom aaO Rn. 15; vom aaO Rn. 9 und vom - III ZR 76/14, juris Rn. 6).

15c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist die unter Buchstabe b zitierte Rechtsprechung auch im vorliegenden Fall anwendbar. Dass eine Anzeige der Klägerin zu einem Strafverfahren gegen die Beklagte geführt hat, in dem diese "letztlich freigesprochen worden ist", ist hierfür ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein etwaiger Auskunftsanspruch durch ein Schreiben des Rechtsanwalts W.    vom bereits als erfüllt angesehen werden kann. Der letztgenannte Umstand führt jedenfalls nicht zu einer Erhöhung der Beschwer; vielmehr vermindert sich diese, je mehr die Beklagte bei der Erfüllung der Abrechnungs- und Auskunftsverpflichtung, zu der sie verurteilt worden ist, auf die (Vor-)Arbeit dieses Rechtsanwalts zurückgreifen kann (vgl. Senat, Beschluss vom aaO).

163. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung über eine Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO pflichtwidrig nicht nachgeholt. Das verhilft der Rechtsbeschwerde allerdings ebenfalls nicht zum Erfolg, weil eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht gekommen wäre. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Dafür ist auch nichts ersichtlich (vgl. Senat aaO Rn. 19; , juris Rn. 30 f).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:211223BIIIZB9.23.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-57781