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BVerwG Beschluss v. - 2 B 39/22

Disziplinarklage gegen einen vorläufig vom Dienst enthobenen Beamten eines Postnachfolgeunternehmens

Leitsatz

1. Während einer vorläufigen Dienstenthebung bleibt ein einem Postnachfolgeunternehmen zugewiesener Beamter dort beschäftigt i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG und § 2 Abs. 1 Satz 1 PBNUBestV, weil er weiterhin im aktiven Beamtenverhältnis steht.

2. Bei der der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost nach § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 PostPersRG obliegenden Prüfung handelt es sich nicht um eine personelle Angelegenheit der Bundesanstalt i. S. v. § 27 Abs. 1 Nr. 1 BGleiG.

Gesetze: § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 BAPostG, § 112 Abs 1 S 1 Nr 2 BBG 2009, § 38 BDG, § 84 S 1 BDG, § 27 Abs 1 BGleiG 2015, § 1 Abs 1 S 1 PostPersRG, § 1 Abs 5 PostPersRG, § 86 Abs 2 VwGO, § 2 Abs 1 S 1 PBNUBestV, § 2 Abs 1 S 2 PBNUBestV

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 82 D 1/21 Urteilvorgehend Az: 85 K 6.18 OB

Gründe

1Der Rechtsstreit betrifft ein beamtenrechtliches Disziplinarklageverfahren.

21. Der ... geborene Beklagte stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand wegen des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze mit Ablauf des Monats Januar 2021 im Dienst der Klägerin, zuletzt als Posthauptsekretär. Seit Februar 1990 gehörte er der Deutschen Bundespost Postdienst an, ab Januar 1995 war er nach deren Umwandlung in die Deutsche Post AG bei dieser beschäftigt. Nach weiteren Verwendungen schloss sich im Jahr 2006 die Versetzung zur Deutschen Postbank AG an. Diese wurde in der Folgezeit auf die Deutsche Bank Privat- und Firmenkunden AG (später umfirmiert in Deutsche Bank Privat- und Firmenkundenbank AG) verschmolzen und letztere zum Postnachfolgeunternehmen bestimmt. Mit Wirkung vom Mai 2020 wurde die Deutsche Bank AG zum Postnachfolgeunternehmen bestimmt.

3Aufgrund von zuletzt 2015 festgestellten Inventurdifferenzen wurden in der Filiale, in der auch der Beklagte tätig war, im Zeitraum 7. bis Testkäufe durchgeführt. Hierbei kam es im Zusammenhang mit dem Verkauf von Paketmarken an der Kasse des Beklagten zu einem Fehlbetrag in Höhe von 129,80 € am sowie tags darauf in Höhe von 101,94 €. Entgegen der Kassenregeln unterließ es der Beklagte zudem am 7. und , einen Teamnachweis zum Vergleich von Soll- und Ist-Beständen durchzuführen. Dem Beklagten wurde daraufhin im November 2015 die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Im Januar 2016 wurde er vorläufig des Dienstes enthoben und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft nach Zahlung einer Geldbuße ein.

4Auf die im November 2018 von der Klägerin, vertreten durch den Vorstand der Deutsche Bank Privat- und Firmenkundenbank AG, erhobene Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Berufungsgericht hat - nach Ablehnung einer (weiteren) Zeugeneinvernahme - die Berufung des zwischenzeitlich im Ruhestand befindlichen Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, zuständig zur Erhebung der Disziplinarklage sei der Vorstand der DB Privat- und Firmenkundenbank AG gewesen. Die Prüfung durch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (Bundesanstalt) habe stattgefunden. Im Berufungsverfahren sei die Klägerin zulässigerweise durch den Vorstand der Deutschen Bank AG vertreten worden. Mit Eintritt des Beklagten in den Ruhestand sei die Vertretungsbefugnis wegen der spezielleren Regelung im Bundesdisziplinargesetz nicht auf die Bundesanstalt übergegangen; übergegangen sei jedoch das Dienstverhältnis des Beklagten, zunächst auf die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG. Denn ungeachtet des ihm gegenüber im November 2015 ausgesprochenen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte und der vorläufigen Dienstenthebung im Januar 2016 sei er weiterhin "beschäftigt" gewesen, wenngleich er für das Postnachfolgeunternehmen nicht (mehr) tätig gewesen sei.

5Das Disziplinarverfahren weise keine wesentlichen Mängel auf. Insbesondere sei die Gleichstellungsbeauftragte nicht zu beteiligen gewesen, weil das Bundesgleichstellungsgesetz auf die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost keine Anwendung finde. Das Dienstvergehen des Beklagten erfordere die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Die Entscheidung gelte als Aberkennung des Ruhegehalts, weil der Beklagte vor ihrer Unanfechtbarkeit in den Ruhestand getreten sei. Der Beklagte habe im Kernbereich seiner Pflichten als Mitarbeiter im Verkauf und Kassenverwalter versagt, weil er in zwei Fällen die von ihm verkauften Paketmarken und das dafür eingenommene Bargeld nicht verbucht, sondern das Bargeld an sich genommen habe, um es für eigene Zwecke zu verwenden. Zudem habe er es in zwei Fällen entgegen der Kassenregeln unterlassen, einen Teamnachweis durchzuführen. Milderungsgründe bestünden nicht.

62. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

7a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

8Dies ist nur dann der Fall, wenn die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m. w. N., vom - 2 B 38.19 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 99 Rn. 6 und vom - 2 B 3.22 - juris Rn. 7). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

9aa) Die von der Beschwerde bezeichneten Fragen,

ob die Deutsche Bank AG als Postnachfolgeunternehmen in einem auf die Entfernung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Klageverfahren klagebefugt ist, wenn der Beamte zum Zeitpunkt des Tags vor der Verschmelzung i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 PBNUBestV vorläufig dienstenthoben war,

bzw.

kann § 2 Abs. 2 Satz 1 PBNUBestV dahingehend ausgelegt werden, dass auch solche Beamte als bei der DB Privat- und Firmenkundenbank AG i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 PBNUBestV beschäftigt gelten, die am Tag vor der Eintragung der Verschmelzung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG auf die Deutsche Bank AG vorläufig des Dienstes enthoben waren, mit der Folge, dass solche Beamte ab diesem Datum bei der Deutschen Bank AG beschäftigt werden?,

vermögen die Zulassung der Revision nicht zu begründen. Sie lassen sich bei Auslegung der normativen Vorgaben im Sinne des Berufungsurteils eindeutig beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

10§ 1 der Verordnung zur Bestimmung der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG als Postnachfolgeunternehmen (- PBNUBestV 2018 -) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 618) bestimmte mit Wirkung vom die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG als Postnachfolgeunternehmen. § 2 Abs. 1 Satz 1 PBNUBestV 2018 sah vor, dass mit der Eintragung der Verschmelzung der Deutschen Postbank AG auf die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG in das Handelsregister des Sitzes der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG die Beamtinnen und Beamten, die am Tag zuvor bei der Deutschen Postbank AG beschäftigt waren, bei der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG beschäftigt werden.

11Den Begriff der Beschäftigung greift bereits § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG) vom (BGBl. I S. 2325, 2353), zuletzt geändert durch Art. 14 Abs. 1 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2250), auf, wonach die Postnachfolgeunternehmen ermächtigt werden, die dem Dienstherrn Bund obliegenden Rechte und Pflichten gegenüber den bei ihnen beschäftigten Beamten wahrzunehmen, soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt ist. Mit diesem Kriterium sollte ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch nur eine Unterscheidung zwischen Beamten im aktiven Beamtenverhältnis und Ruhestandsbeamten markiert werden (vgl. BR-Drs. 115/94 S. 91 und BT-Drs. 18/3512 S. 22). Eine Einführung des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsbegriffs (vgl. § 7 SGB IV) war hiermit offensichtlich nicht beabsichtigt.

12In Bezug auf § 2 Abs. 1 Satz 1 PBNUBestV 2018 kann nichts anderes gelten. Vielmehr bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 PBNUBestV 2018 folgerichtig, dass bei dem nach Eintragung der Verschmelzung entstehenden neuen Postnachfolgeunternehmen jene Beamte nicht (weiter-)beschäftigt sind, die mit Wirkung vom Tag der Eintragung versetzt worden sind oder deren Beamtenverhältnis mit Ablauf des Vortages geendet hat. Dies deckt sich mit der Zielrichtung des Verordnungsgebers, der eine Ausnahme vom Grundsatz der Weiterbeschäftigung nur für solche Beamten vorsehen wollte, deren Beschäftigungsverhältnis aus anderweitigen Gründen am Tag vor der Eintragung der Verschmelzung endete (vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf einer Verordnung zur Bestimmung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG als Postnachfolgeunternehmen [- PBNUBestV-E -], Stand: , S. 7).

13Aufgrund dieser Regelung war auch der Beklagte (vorübergehend) bei der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG beschäftigt. Denn er war mit Wirkung vom Tag der Eintragung weder versetzt worden noch endete sein Beamtenverhältnis mit Ablauf des Vortages (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 PBNUBestV 2018). Er befand sich auch zu diesem Zeitpunkt in einem aktiven Beamtenverhältnis.

14Dem steht die vorläufige Dienstenthebung des Klägers (vgl. § 38 BDG) ab Januar 2016 nicht entgegen. Diese hatte (lediglich) zur Folge, dass die aktive Dienstleistungspflicht des Beklagten ruhte. Denn der Zweck der Dienstenthebung besteht gerade darin, einem aktiven Beamten die weitere Erfüllung seiner Dienstgeschäfte zu untersagen (vgl. 2 B 58.12 - Buchholz 235.1 § 48 BDG Nr. 2 Rn. 11). Der Beamtenstatus des Betroffenen mit seinen übrigen Rechten und Pflichten bleibt von ihr unberührt (vgl. Urban, in: ders./Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 38 Rn. 4).

15Auf die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 PBNUBestV 2018, wonach beschäftigt i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 PBNUBestV 2018 auch solche Beamte sind, die durch Entscheidung der Deutschen Postbank AG beurlaubt oder abgeordnet worden sind oder denen eine Tätigkeit bei einem privaten Unternehmen oder einer Einrichtung ohne Dienstherrenfähigkeit zugewiesen worden ist, kommt es nach alledem nicht an. Der Vorschrift kommt lediglich klarstellende (vgl. PBNUBestV-E S. 7), nicht aber eine den weiten Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 1 PBNUBestV 2018 beschränkende Funktion zu. Fehl geht zudem der Einwand der Beschwerde, das Berufungsgericht habe das Fortbestehen der Beschäftigung über eine - nicht zulässige - analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1 PBNUBestV 2018 bejaht. Einer Analogie hat sich lediglich die erstinstanzliche Entscheidung bedient.

16Unabhängig davon ist mit der Klägerin darauf hinzuweisen, dass sich die Frage der Klagebefugnis der Deutschen Bank AG nicht stellt, weil diese nicht Klägerin des vorliegenden Verfahrens ist. Kläger eines Disziplinarklageverfahrens ist vielmehr der jeweilige Dienstherr des Beamten; der nachgeordnete Dienstvorgesetzte, auf den die Befugnis zur Erhebung der Disziplinarklage nach § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG übertragen worden ist, ist nicht Kläger, sondern - wie im Rubrum aufgeführt - lediglich Vertreter des klagenden Dienstherrn (vgl. 2 B 76.20 - Buchholz 235.1 § 34 BDG Nr. 7 Rn. 9).

17bb) Die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,

ob nicht die Deutsche Bank AG seit der Versetzung in den Ruhestand des Beklagten zur Wahrnehmung der dienstrechtlichen Befugnisse zuständig war, und damit auch im vorliegenden Verfahren zu beteiligen gewesen wäre, sondern die Bundesanstalt

bzw.

ob § 84 Satz 1 BDG gegenüber § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 BAPostG die speziellere Regelung ist mit der Folge, dass in einem Disziplinarverfahren gegenüber einem Ruhestandsbeamten, der zuletzt bei einem Postnachfolgeunternehmen beschäftigt war, nicht die Bundesanstalt zuständig ist, sondern das Postnachfolgeunternehmen?,

rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, denn sie lassen sich mit dem vorhandenen Normbestand eindeutig beantworten.

18Rechtsfehlerfrei ist die Annahme des Berufungsgerichts, § 84 Satz 1 BDG gehe § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (Bundesanstalt-Post-Gesetz - BAPostG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 2325), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 3372) als speziellere Norm mit der Folge vor, dass die Disziplinarbefugnisse durch die Deutsche Bank AG auszuüben sind.

19Aufgrund von § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Deutschen Bank AG als Postnachfolgeunternehmen (- PBNUBestV 2020 -) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1208) ist die Deutsche Bank AG zum Postnachfolgeunternehmen bestimmt worden. Sie nimmt die Dienstherrenbefugnisse grundsätzlich jedoch nur für die Beamten wahr, die bei ihr beschäftigt sind, mithin in einem aktiven Beamtenverhältnis stehen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG). Demgegenüber fallen der Bundesanstalt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAPostG für den Personenkreis der Ruhestandsbeamten die dem Dienstherrn Bund obliegenden Aufgaben und Befugnisse zu.

20In Abweichung hierzu bestimmt § 84 Satz 1 BDG, dass bei Ruhestandsbeamten die Disziplinarbefugnisse durch die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand zuständige oberste Dienstbehörde ausgeübt werden, die - Satz 2 Halbs. 1 - ihre Befugnisse wiederum durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen kann. Die Disziplinarbefugnis übt folglich die Behörde aus, die für den Ruhestandsbeamten vor dessen Eintritt in den Ruhestand zuständig war (ausführlich Weiß, in: GKÖD, Stand Januar 2013, § 84 BDG Rn. 2 ff., 10). § 84 Satz 1 BDG hindert - bezogen auf die Ausübung der Disziplinargewalt - den mit dem Eintritt in den Ruhestand im Übrigen einhergehenden Zuständigkeitswechsel.

21cc) Nicht zur Zulassung der Revision führen die ebenfalls benannten Fragen,

ob das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil berücksichtigen durfte, dass der Beklagte in den Jahren 1981, 1984 und 2011 wegen angeblicher Kassenfehlbestände in Regress genommen worden war, obgleich der Beklagte die Tilgung dieser ihn betreffenden nachteiligen personenbezogenen Daten aus der Personalakte beantragt hatte,

bzw.

darf das Gericht in einem Disziplinarverfahren Vorgänge aus der Personalakte des beschuldigten Beamten berücksichtigen, wenn diese bereits mehr als zwei Jahre alt sind und der Beamte die Entfernung aus der Personalakte beantragt hat, also die Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG vorliegen?

22Diese Fragen begründen mangels Entscheidungserheblichkeit nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

23Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme allein daran orientiert, dass der Beklagte in zwei Fällen die von ihm verkauften Paketmarken und das dafür eingenommene Bargeld nicht verbucht und das Bargeld an sich genommen hat, um es für eigene Zwecke zu verwenden. Der Umstand, dass der Beklagte im Jahr 1981, 1984 und 2011 wegen angeblicher Kassenfehlbestände in Regress genommen worden war, ist bei der Bemessungsentscheidung nicht zum Nachteil des Beklagten berücksichtigt worden.

24dd) Schließlich bedarf auch die Beantwortung der weiteren mit der Beschwerde bezeichneten Fragen,

ob die Gleichstellungsbeauftragte der Bundesanstalt vor Erhebung der Disziplinarklage nach § 27 Abs. 1 BGleiG zu beteiligen gewesen wäre, weil die Mitteilung des Ergebnisses der Prüfung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 PostPersRG durch die Bundesanstalt an den Vorstand des Postnachfolgeunternehmens eine personelle Angelegenheit i. S. d. § 27 Abs. 1 BGleiG ist,

bzw.

ist vor der Erhebung einer Disziplinarklage die Bundesanstalt verpflichtet, vor Abgabe ihrer Erklärung über die Prüfung nach § 1 Abs. 5 PostPersRG an den Vorstand des Postnachfolgeunternehmens die bei ihr gebildete Gleichstellungsbeauftragte gemäß § 27 Abs. 1 BGleiG zu beteiligen?

nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie sich anhand von Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelungen beantworten lassen. Das Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 642, 643), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 3311), findet auf das privatrechtlich organisierte Unternehmen Deutsche Bank AG keine Anwendung. Es gilt nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 Nr. 5 BGleiG nur für Bundesgerichte, für Behörden und Verwaltungsstellen der unmittelbaren Bundesverwaltung sowie für Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts des Bundes (vgl. 2 B 35.22 - juris Rn. 13).

25Danach gilt das Bundesgleichstellungsgesetz für die Bundesanstalt als solche. Geht es um einen Beamten der Bundesanstalt, ist deren Gleichstellungsbeauftragte bei der Einleitung und dem Abschluss eines Disziplinarverfahrens nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d BGleiG frühzeitig zu beteiligen. Durch die gesetzlich geregelte Mitwirkung der Bundesanstalt vor Erhebung einer Disziplinarklage durch den Vorstand eines Postnachfolgeunternehmens oder eines ihm nachgeordneten Stelleninhabers mit den Befugnissen eines Dienstvorgesetzten gegen einen bei einem Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamten nach § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 PostPersRG werden aber der Anwendungsbereich des Bundesgleichstellungsgesetzes und der Tätigkeitsbereich der Gleichstellungsbeauftragten der Bundesanstalt nicht auf Vorgänge in dem vom Bundesgleichstellungsgesetz nicht erfassten privatrechtlich organisierten Postnachfolgeunternehmen erweitert. Bei der der Bundesanstalt nach § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 PostPersRG obliegenden Prüfung handelt es sich nicht um eine personelle Angelegenheit der Bundesanstalt i. S. v. § 27 Abs. 1 Nr. 1 BGleiG.

26Beabsichtigt der Vorstand des Postnachfolgeunternehmens oder ein ihm nachgeordneter Stelleninhaber mit den Befugnissen eines Dienstvorgesetzten, durch Disziplinarverfügung eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen oder einem Beamten in einer Einstellungsverfügung ein Dienstvergehen zur Last zu legen, hat er nach § 1 Abs. 5 Satz 1 PostPersRG die Verfügung vor ihrem Erlass unverzüglich unter Vorlage der Akten von der Bundesanstalt auf Rechtmäßigkeit und sachgerechte Ausübung des Ermessens prüfen zu lassen. Entsprechendes gilt nach § 1 Abs. 5 Satz 2 PostPersRG vor Erhebung der Disziplinarklage.

27Aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Prüfverfahrens ergibt sich, dass die Bundesanstalt erst nach Abschluss des gesamten Verfahrensganges vor Einreichung der Disziplinarklageschrift bei Gericht einzuschalten ist. Zweck des Prüfverfahrens ist es, im Bereich der privatisierten Postunternehmen das Vertrauen der Beamten in die Rechtmäßigkeit des Disziplinarverfahrensganges und in die sachgerechte Ausübung des disziplinarischen Ermessens dadurch zu stärken, dass diese in jedem Einzelfall vorab von der Bundesanstalt als einer unabhängigen Behörde geprüft werden (vgl. BT-Drs. 12/8060 S. 184). Um dem gerecht werden zu können, hat die Bundesanstalt den gesamten bisherigen Disziplinarverfahrensgang auf Rechtmäßigkeit in formeller und materieller Hinsicht sowie auf sachgerechte Ermessensausübung zu überprüfen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn zuvor alle Verfahrensabschnitte einschließlich des Beteiligungsverfahrens abgeschlossen sind; erst dann sind die Akten und der Entwurf der Klageschrift der Bundesanstalt vorzulegen (vgl. 2 C 11.05 - Buchholz 235.1 § 34 BDG Nr. 2 Rn. 22 m. w. N.; - juris Rn. 81).

28b) Die Revision ist nicht wegen den von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

29aa) Mit dem Vorbringen zu einem "Verfahrensmangel wegen fehlender Klagebefugnis der Deutschen Bank AG" wird kein Verfahrensmangel i. S. v. § 69 BDG und § 133 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargelegt.

30Denn, wie oben ausgeführt, geht es in Bezug auf die Erhebung der Disziplinarklage gegen den Beklagten nicht um die Frage, ob die Klagebefugnis der Deutschen Bank AG oder der Bundesanstalt zusteht. Zur Erhebung der Disziplinarklage ist allein der Dienstherr des Beamten befugt. Auch kann die Relevanz des - behaupteten - Verfahrensmangels nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die Bundesanstalt unter Umständen einen anderen Antrag gestellt hätte als die Deutsche Bank AG. Im gerichtlichen Disziplinarverfahren kommt es bei Erhebung einer Disziplinarklage nicht auf den Sachantrag des Dienstherrn an, weil die Disziplinargerichte bei der Ausübung der ihnen obliegenden Disziplinarbefugnis nicht an die Wertungen und Einschätzungen des Dienstherrn gebunden sind (vgl. 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 20).

31bb) Dem Berufungsgericht ist auch hinsichtlich der Ablehnung der vom Beklagten gestellten Beweisanträge kein Verfahrensmangel vorzuwerfen.

32(1) Ein solcher ist zunächst nicht darin zu sehen, dass das Berufungsgericht über die beiden in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Beklagten in (nur) einem Beschluss entschieden hat.

33Nach § 86 Abs. 2 VwGO kann ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden. Ziel des § 86 Abs. 2 VwGO ist es, einerseits das Gericht zu veranlassen, sich vor dem Erlass der Sachentscheidung über die Entscheidungserheblichkeit eines Beweisantrags schlüssig zu werden. Andererseits sollen die Beteiligten auf die durch die Ablehnung eines Beweisantrags entstandene prozessuale Lage hingewiesen werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 77.07 - NVwZ 2008, 1025 Rn. 16, vom - 2 B 29.14 - Buchholz 449.4 § 53 SVG Nr. 3 Rn. 17 und vom - 1 B 74.22 - juris Rn. 5). Die Beteiligten sollen sich nach der Entscheidung über die Beweisanträge auf die dadurch gegebene neue Prozesssituation einstellen und neue Tatsachen vortragen und Anträge stellen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 823/86 - NVwZ 1987, 785 und vom - 5 B 59.08 - juris Rn. 4; .A - juris Rn. 41). Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Ziel durch die Zusammenfassung der Ablehnung mehrerer unbedingter Beweisanträge in einem Beschluss bei Gleichheit des Ablehnungsgrundes vereitelt oder wesentlich erschwert wird.

34(2) Im Übrigen genügen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 69 BDG und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn die Beschwerdebegründung setzt sich jeweils nicht ausreichend mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung für die Ablehnung der Beweisanträge auseinander.

35Im Hinblick auf den Beweisantrag zu 1 des Schriftsatzes vom hat das Oberverwaltungsgericht insbesondere ausgeführt, dass der Beklagte die vorgetragene übliche Praxis des "Austauschs von Postwertzeichen und Geldern" zwischen den Kassenmitarbeitern im Verfahren bisher nicht geltend gemacht hatte, eine solche Praxis der zeitverzögerten Buchung und Einlegung an einer anderen Kasse gegen Nr. 2 d der "Goldenen Regeln der Kassenführung" verstieße, wonach jede Einnahme und Ausgabe unverzüglich verbucht werden muss, und es zudem auf den konkreten Vorgang und nicht auf eine "übliche Praxis" ankomme.

36In Bezug auf den Beweisantrag zu 2 des Schriftsatzes vom hat das Berufungsgericht die Einschätzung, der Antrag sei "ins Blaue hinein" gestellt, damit begründet, es werde nicht ansatzweise ersichtlich, wie es dazu gekommen sei, dass die vom Beklagten bei den Testeinkäufen eingenommenen Beträge in einer anderen Kasse nicht genannter Kollegen verbucht worden seien.

37Mit diesen konkreten Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts befasst sich die Beschwerdebegründung (S. 31 bis 34) nicht ausreichend.

38cc) Schließlich beanstandet die Beschwerde, das Berufungsgericht habe keinen Hinweis erteilt, dass es - anders als die Staatsanwaltschaft - nicht von einer geringen Schuld des Beklagten ausgehe. Der damit erhobene Vorwurf einer Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO) geht fehl.

39Lediglich die tatsächlichen Feststellungen eines - soweit hier von Relevanz - rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren sind im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG). Aus der Begrenzung auf "tatsächliche Feststellungen" folgt, dass Wertungen im Strafurteil nicht bindend sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 37.12 - juris Rn. 39 und vom - 2 B 59.17 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 11 Rn. 19). Demnach kommt einer im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einstellung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens stehenden Wertung der Staatsanwaltschaft, wonach die Schuld des Beklagten "nicht als schwer" zu bewerten sei, hinsichtlich des Disziplinarklageverfahrens ebenfalls keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Einer hierauf bezogenen Gewährung rechtlichen Gehörs bedurfte es daher nicht.

403. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:141223B2B39.22.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-57465