Einziehung eines Bausparguthabens und eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück bei Einziehungsbeteiligtem
Gesetze: § 73b Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a StGB, § 73b Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst b StGB, § 73b Abs 2 StGB
Instanzenzug: Az: 3 KLs 18/19
Gründe
1Das Landgericht hatte den vormaligen Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in neun Fällen, banden- und gewerbsmäßigen Computerbetruges in drei Fällen sowie Computerbetruges sowohl zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheits- als auch zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Zudem hatte es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 136.864 €, überwiegend als Gesamtschuldner, angeordnet. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen. In dem gegen die Einziehungsbeteiligte nach Abtrennung verbliebenen Nachverfahren gemäß § 423 StPO hat das Landgericht die Einziehung eines Bausparguthabens und eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück abgelehnt. Die hiergegen zuungunsten der Einziehungsbeteiligten eingelegte, mit der Sachrüge begründete und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
21. Das Landgericht hat - soweit für die Einziehungsentscheidung von Bedeutung - die nachfolgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3Die Einziehungsbeteiligte und der Verurteilte, ihr Ehemann, waren seit dem Jahr 2009 hälftige Eigentümer eines bebauten Grundstücks in Essen; im gleichen Jahr errichtete der Verurteilte ein Bausparkonto bei einer Bausparkasse. Nach Begehung der verurteilungsgegenständlichen Taten im Jahr 2015 und nachfolgender Untersuchungshaft im Jahr 2018 übertrug er Anfang des Jahres 2019 der Einziehungsbeteiligten, die zu dieser Zeit monatliche Einkünfte von 100 € erzielte, seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück; das auf dem Bausparkonto befindliche Guthaben transferierte er auf ihren Bausparvertrag. In dem notariellen Grundstückskaufvertrag wurde ein Teil des Kaufpreises von insgesamt 153.000 € durch Verrechnung eines Darlehens der Einziehungsbeteiligten an ihren Ehemann in Höhe von 50.000 € getilgt, ohne dass - trotz Belehrung des beurkundenden Notars über die diesbezüglichen Risiken - der zugrundeliegende Darlehensvertrag als Anlage beigefügt worden wäre. Auch sollte der Notar hinsichtlich des bestehenden Grundpfandrechts eine Zustimmung der Gläubigerin zur Haftungsübernahme ausdrücklich nicht einholen. Der Saldo des Bausparguthabens betrug im Zeitpunkt der Übertragung an die Einziehungsbeteiligte 47.704,67 €. Die Anklage der Staatsanwaltschaft vom führte am zur Verurteilung des vormaligen Angeklagten.
4Das Landgericht hat sich an der Anordnung der Einziehung von Gegenständen, die dem Wert des Erlangten von 136.864 € entsprechen, gegen die Einziehungsbeteiligte gehindert gesehen. Nach seiner Auffassung haben die Voraussetzungen des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 StGB nicht vorgelegen. Es fehle an dem erforderlichen Bereicherungszusammenhang, weil die an die Einziehungsbeteiligte übertragenen Vermögenswerte bereits vor Tatbegehung durch den Verurteilten in dessen Vermögen vorhanden gewesen seien und eine Vermischung mit aus den Taten Erlangtem nicht stattgefunden habe.
52. Die in dem angefochtenen Urteil getroffene Einziehungsentscheidung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
6a) Zwar geht das Landgericht im Grundsatz zutreffend von dem Erfordernis eines Bereicherungszusammenhangs aus; seine Annahme, ein solcher sei vorliegend nicht gegeben, ist indessen nicht tragfähig belegt. Im Einzelnen:
7aa) Eine Einziehung nach § 73b Abs. 2 StGB setzt über den Wortlaut der Norm hinaus einen Bereicherungszusammenhang in dem Sinne voraus, dass die Übertragung des Vermögensgegenstands mit der Zielrichtung vorgenommen wurde, den Wertersatz dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder die Tat zu verschleiern. Die Einziehung nach § 73b Abs. 2 StGB findet danach ihre Grenzen, wenn ein Zusammenhang mit den ursprünglichen Tatvorteilen nicht mehr erkennbar ist und mit der Transaktion weder das Ziel verfolgt wird, das durch die Tat unmittelbar begünstigte Vermögen des Täters oder des Dritten dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, noch die Tat zu verschleiern (vgl. , BGHSt 66, 147 Rn. 140, 162 ff.; vom - 4 StR 156/20, wistra 2022, 293 Rn. 8).
8bb) Dass das Landgericht das Bestehen eines derartigen Bereicherungszusammenhangs ohne nähere Prüfung und Begründung abgelehnt hat, stellt einen Erörterungsmangel dar. Den getroffenen Feststellungen sind mehrere Umstände zu entnehmen, die darauf hindeuten, dass die Beteiligten mit der Zielrichtung handelten, den Wertersatz dem Gläubigerzugriff zu entziehen. So fand der Beurkundungstermin nach Entlassung des Verurteilten aus der Untersuchungshaft und vor Durchführung der Hauptverhandlung statt; auf den Nachweis einer Darlehensverbindlichkeit des Verurteilten gegenüber der nur über geringe Einkünfte verfügenden Ehefrau wurde in dem Grundstückskaufvertrag ebenso verzichtet wie auf eine Anweisung an den Notar, die Zustimmung der Gläubigerin zur Haftungsübernahme einzuholen.
9b) Die weitere Annahme des Landgerichts, bei der Weiterreichung des Wertersatzes sei Begriffsmerkmal des vorausgesetzten Bereicherungszusammenhangs über das vorstehend Ausgeführte hinaus, dass der von dem Dritten unentgeltlich oder bösgläubig erlangte Gegenstand konkreten Ausgangstaten zuzuordnen sein müsste, ist hingegen unzutreffend (vgl. III-1 Ws 233-237/19, wistra 2020, 474, 475 [in dieser Sache]; NK-StGB/Saliger, StGB, 6. Aufl., § 73b Rn. 20; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert, Handbuch der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, Kap. 3, Rn. 141; Rettke, wistra 2020, 433; Korte, NZWiSt 2018, 231, 234; ders., wistra 2018, 1, 6; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 667). Insoweit hat das Landgericht seiner Prüfung einen zu strengen Maßstab zugrunde gelegt, zumal nicht nur der Gesetzeswortlaut keinen Anhalt für eine derartige Interpretation bietet, sondern auch die nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 18/9525 S. 67) beabsichtigte Regelung der „Weiterreichung des Wertersatzes“ einen solchen gegenständlichen Bezug zum Taterlangten nicht erfordert (vgl. auch Rettke, aaO, 435; Fleckenstein, wistra 2018, 444).
103. Das Urteil beruht auf den Rechtsfehlern. Die weiteren Voraussetzungen für eine Wertersatzeinziehung nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a oder b, Abs. 2 StGB bei der Einziehungsbeteiligten hat das Landgericht aus seiner Sicht folgerichtig nicht geprüft. Deren Vorliegen erscheint jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.
114. Mit dem Urteil sind die ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben. Die Aufrechterhaltung von Feststellungen freisprechender Urteile scheidet regelmäßig aus, weil der Angeklagte das Urteil insoweit nicht hätte anfechten können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 353 Rn. 15a mwN). Für das Absehen von der Einziehung im Nachverfahren nach § 423 StPO, bei dem sich die Anfechtung nach allgemeinen Regeln richtet (vgl. KK-StPO/Schmidt/Scheuß, 9. Aufl., § 423 Rn. 14), gilt - unbeschadet dessen Absatz 1 Satz 2 - nichts Anderes.
125. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
13Falls im zweiten Rechtsgang eine Einziehungsanordnung gemäß § 73b Abs. 2 StGB zu treffen sein sollte, wird sich das Landgericht mit der Frage zu beschäftigen haben, ob dieselbe auf konkrete Gegenstände - also vorliegend den Miteigentumsanteil und/oder die aus dem Bausparguthaben resultierende Forderung - oder aber bloßen Wertersatz - mithin einen Geldbetrag in Höhe des bei dem Angeklagten eingezogenen Wertes von Taterträgen - zu richten ist. Sollte sich die Einziehungsanordnung gemäß § 73b Abs. 2 StGB - was angesichts des Wortlauts der Vorschrift naheliegen könnte - auf die benannten Gegenstände beziehen, wird es notwendig sein, Feststellungen zu deren Wert zu treffen. Hierzu dürfte im Hinblick auf das Grundstück neben dessen Verkehrswert als solchem auch die Feststellung gehören, zu welchem Betrag die auf dem Miteigentumsanteil lastende Grundschuld im entscheidungserheblichen Zeitpunkt valutierte. Für die gegenteilige Annahme, auch die Einziehungsbeteiligte schulde im Ergebnis lediglich Wertersatz, könnte sprechen, dass bereits die gegen den Angeklagten ergangene Anordnung auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen lautete. Mit anderer Begründung könnte dasselbe Ergebnis daraus abzuleiten sein, dass die - gegebenenfalls vorgreifliche - gegenständliche Einziehung gegenüber der Einziehungsbeteiligten deswegen im Einzelfall nicht möglich ist, weil die konkreten Gegenstände den Einziehungsbetrag wertmäßig übersteigen mit der Folge, dass § 73c StGB - ebenso wie gegenüber dem Angeklagten - in einem zweiten Schritt (teilweise) auch auf die Einziehungsbeteiligte anzuwenden wäre.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:161123U3STR72.23.0
Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 1205 Nr. 17
wistra 2024 S. 166 Nr. 4
wistra 2024 S. 3 Nr. 3
UAAAJ-56615