BGH Beschluss v. - 4 StR 206/23

Instanzenzug: Az: 4 StR 206/23 Beschlussvorgehend Az: 9 KLs 28/22nachgehend Az: 4 StR 206/23 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 277 € in gesamtschuldnerischer Haftung angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zum Absehen von der Einziehungsentscheidung in Höhe von 250 € und zu einer entsprechenden Änderung des Einziehungsausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts aus Gründen der Prozessökonomie von einer Wertersatzeinziehung abgesehen, soweit sie den Wert des Erlangten in Höhe von 27 € in gesamtschuldnerischer Haftung übersteigt (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO) und die Einziehungsanordnung des Landgerichts insoweit aufgehoben.

32. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

43. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hat das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB im Ergebnis zu Recht verneint. Denn die Urteilsgründe ergeben nicht, dass die Voraussetzungen der seit dem geltenden und nach § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO auch für Altfälle maßgeblichen Neufassung des § 64 StGB vorliegen (vgl. Rn. 6; Beschluss vom – 5 StR 246/23 Rn. 2; Urteil vom – 4 StR 136/23 Rn. 14). Die Neuregelung stellt strengere Anforderungen an die Annahme sowohl eines Hangs als auch eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen diesem und einer Anlasstat sowie an die Erfolgsprognose. Gemessen daran erfüllt der vom Landgericht festgestellte missbräuchliche Konsum des Angeklagten von Cannabis und Amphetamin schon nicht das von der Neufassung des § 64 Satz 1 StGB vorausgesetzte Merkmal der „Substanzkonsumstörung“ (vgl. näher BT-Drucks. 20/5913 S. 69). Ferner fehlt es nach den getroffenen Feststellungen am symptomatischen Zusammenhang zwischen „Hang“ und Anlasstat im Sinne der Neuregelung. Mit der Ergänzung des Wortes „überwiegend“ hat der Gesetzgeber das Kausalitätserfordernis zwischen „Hang“ und „Anlasstat“ konkretisiert, sodass Personen, bei denen die Straffälligkeit nicht überwiegend auf den Hang, sondern (auch) auf andere Ursachen zurückzuführen ist, künftig nicht mehr die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 64 StGB erfüllen (vgl. Rn. 8; Beschluss vom – 5 StR 246/23 Rn. 3; BT-Drucks. 20/5913 S. 69). Hieran gemessen halten die den symptomatischen Zusammenhang verneinenden Erwägungen des Landgerichts revisionsgerichtlicher Prüfung stand. Danach ist der Suchtmittelkonsum des Angeklagten (lediglich) eine Begleiterscheinung seines dissozialen Lebenswandels.

5Der Senat ist an der Beschlussverwerfung gemäß § 349 Abs. 2 StPO nicht gehindert. Denn der – vor der Gesetzesänderung gestellte – Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts hinsichtlich der Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB wirkt zu Lasten und nicht zugunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 4 mwN; Beschluss vom ‒ 3 StR 440/92, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 3).

64. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Aus demselben Grund ist unter Billigkeitsgesichtspunkten eine Änderung der Kostengrundentscheidung des erstinstanzlichen Urteils wegen der Teilbeschränkung innerhalb der Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO nicht veranlasst (vgl. Rn. 15; Beschluss vom – 3 StR 381/21 Rn. 25; Beschluss vom – 5 StR 458/20 Rn. 4 f. mwN). Ferner hat der Angeklagte die notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Revisionsverfahren zu tragen (§ 472 Abs. 1, § 473 Abs. 1 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:121223B4STR206.23.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-56429