Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 3 KLs 5127 Js 32775/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug der Strafe angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der Unterbringungsentscheidung; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken. Der Senat hat seiner Entscheidung die am in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB zugrunde zu legen (§ 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO; vgl. Rn. 6; Beschluss vom – 5 StR 246/23 Rn. 2; Urteil vom – 4 StR 136/23 Rn. 14). Die Neufassung stellt strengere Anforderungen an die Annahme sowohl eines Hangs als auch eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen diesem und einer Anlasstat sowie an die Erfolgsprognose.
3Diesem Anforderungsmaßstab, den das Landgericht zum Zeitpunkt seiner Urteilsfassung noch nicht anwenden konnte, werden die Erwägungen zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht gerecht. Es ist weder festgestellt noch belegt, dass die bei ihm bestehende Abhängigkeitserkrankung eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit mit sich bringt und daher die Voraussetzungen eines Hangs nach § 64 Satz 1 StGB nF erfüllt. Auch ein symptomatischer Zusammenhang dergestalt, dass die Anlasstat „überwiegend“ auf den Hang zurückgeht, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte mit dem Betäubungsmittelhandel seinen Eigenkonsum gewährleistet. Damit ist zwar eine – zum Urteilszeitpunkt für die Unterbringung nach § 64 Satz 1 StGB aF ausreichende – Mitursächlichkeit seines Konsums für die Anlasstat gegeben, jedoch fehlt eine Aussage zu der nunmehr entscheidenden Frage, inwieweit sein Betäubungsmittelkonsum das ausschlaggebende („überwiegende“) Motiv für den von ihm betriebenen „florierenden Handel mit mehreren Drogen“ war (vgl. Rn. 3). Schließlich genügt die Prognoseentscheidung des Landgerichts nicht dem Prüfungsmaßstab der gesetzlichen Neufassung. Nunmehr setzt § 64 Satz 2 StGB voraus, dass der Behandlungserfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ ist. Durch die Neufassung der Vorschrift sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden (vgl. Rn. 11). Gemessen daran sind im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung die vom Landgericht festgestellten prognoseungünstigen Gesichtspunkte, namentlich die mangelnden Sprachkenntnisse des Angeklagten, sein verfestigter und langjähriger Rauschmittelkonsum und seine vollziehbare Ausreisepflicht, stärker zu gewichten als geschehen (vgl. näher BT-Drucks. 20/5913 S. 70 f.).
4Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit – wiederum unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
52. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:121223B4STR373.23.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-56115