BVerwG Beschluss v. - 5 B 5/23

Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist; Verbindung zweier Verfahren

Gesetze: § 67 Abs 4 VwGO, § 67 Abs 6 S 5 VwGO, § 93 S 1 VwGO, § 81 ZPO, § 83 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 12 A 2447/20 Beschlussvorgehend VG Minden Az: 6 K 295/19

Gründe

11. Die allein auf die Rüge eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt.

2Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 28.14 - juris Rn. 8 m. w. N. und vom - 5 B 17.15 - juris Rn. 3). Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m. w. N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

3Die Beschwerde rügt der Sache nach, dass das Oberverwaltungsgericht die von dem Kläger in dem Parallelverfahren 12 A 2449/20 unter dem beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht auch auf das vorliegende Verfahren bezogen habe. Hiervon habe er ausgehen können, weil er mit einer Verbindung beider Verfahren habe rechnen dürfen. Zumindest sei das Oberverwaltungsgericht gehalten gewesen, Zweifeln hinsichtlich des Inhalts des Verlängerungsantrags durch Rückfragen - auch bei dem Kläger persönlich - nachzugehen. Damit ist ein Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt.

4Eine fehlerhafte Auslegung von Prozesshandlungen - hier eines Antrags nach § 124a Abs. 6 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 3 VwGO - kann zwar einen Verstoß gegen prozessuale Vorschriften darstellen und insofern als möglicher Verfahrensmangel der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegen (vgl. 5 B 5.22 - juris Rn. 5). Die Beschwerde zeigt jedoch schon deshalb nicht auf, dass die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts den Gehalt der Erklärung des Klägers unter Berücksichtigung seiner Interessenlage (vgl. 5 B 13.19 - juris Rn. 7) verkannt hat, weil sie weder die fragliche Erklärung in ihrem Wortlaut sowie ihrem Kontext mitteilt, noch erläutert, inwiefern hiervon ausgehend die Sachbehandlung durch das Oberverwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft gewesen sein sollte.

5Soweit sich die Beschwerde ferner darauf beruft, der Kläger habe mit einer Verbindung der beiden hier in Rede stehenden Verfahren rechnen dürfen, führt dies für sich allein nicht auf einen beachtlichen Verfahrensfehler, weil die Nichtverbindung von Verfahren als solche nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ( 5 B 3.22 - juris Rn. 13 m. w. N.). Unabhängig davon steht die Verbindung zweier Verfahren nach § 93 Satz 1 VwGO im Ermessen des Gerichts, sodass der Kläger ohne entsprechende Hinweise des Gerichts hier grundsätzlich nicht mit einer Verbindung rechnen durfte. Eine Ermessensreduzierung besteht nur insoweit, als eine einheitliche Entscheidung ergehen muss, insbesondere in den Fällen einer notwendigen Streitgenossenschaft (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: März 2023, § 93 VwGO Rn. 12 m. w. N.). Dass eine derartige Fallkonstellation hier vorgelegen haben könnte, legt die Beschwerde nicht dar.

6Soweit die Beschwerde sich außerdem auf eine Rückfragepflicht des Oberverwaltungsgerichts bezieht, geht dies von vornherein ins Leere, weil nach den Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung dem Kläger in dem Parallelverfahren noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gerade ein Hinweis auf die nur dort beantragte Verlängerung erteilt wurde, auf den dieser aber nicht rechtzeitig reagiert hat. Dies stellt die Beschwerde nicht in Abrede. Ungeachtet dessen war das Oberverwaltungsgericht - anders als die Beschwerde meint - diesbezüglich nicht gehalten, persönlich mit dem anwaltlich vertretenen Kläger Kontakt aufzunehmen, da es dazu nach § 67 Abs. 4 und 6 Satz 5 VwGO schon nicht befugt war und außerdem der gesetzliche Umfang der Prozessvollmacht (vgl. § 81 ZPO) im Anwaltsprozess abgesehen von den Fällen des § 83 Abs. 1 ZPO auch gegenüber dem Gericht durch den Mandanten nicht beschränkt werden kann. Im Übrigen hätte der Kläger persönlich mangels Postulationsfähigkeit ohnehin einen Antrag nach § 124a Abs. 6 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht wirksam stellen können (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO).

72. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

83. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:021123B5B5.23.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-55948