Einkommensteuer | Abzugsbeschränkung für Verluste von Kapitalgesellschaften aus stillen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (FG)
Die Verlustverwertungsbeschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 6 bis 8 EStG ist verfassungsgemäß. Die Beschränkung des Verlustausgleichs auf positive Einkünfte aus derselben stillen Beteiligung als solche verstößt ungeachtet der hierdurch ausgelösten Zins- und Liquiditätsnachteile nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (; Revision anhängig, BFH-Az. XI R 20/23).
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GmbH, die sich im Jahr 2010 an der E-GmbH in D als atypisch stille Gesellschafterin beteiligte. Die E-GmbH erzielte bis einschließlich des Streitjahres 2017 Verluste. Die Einkünfte aus der atypisch stillen Beteiligung stellte das Finanzamt D gesondert und einheitlich fest. Dieses teilte dem beklagten Finanzamt im Jahre 2018 die (geänderten) Besteuerungsgrundlagen 2015 bis 2017 der atypisch stillen Beteiligung mit. Nach Anhörung der Klägerin berücksichtigte das beklagte Finanzamt die Verluste aus der stillen Beteiligung nach § 15 Abs. 4 Einkommensteuergesetz nicht mehr. Mit Bescheiden vom wurde der verbleibende Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 Einkommensteuergesetz für Einkünfte aus stillen Beteiligungen i.S. des § 15 Abs. 4 Einkommensteuergesetz gesondert festgestellt. Die Klägerin hat hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben. Sie begehrte, die Verluste aus der atypisch stillen Beteiligung an der E-GmbH unmittelbar zum Abzug zuzulassen.
Die Richter des FG Baden-Württemberg wiesen die Klage ab:
Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für die Einkünfte aus stillen Beteiligungen i.S. des § 15 Abs. 4 EStG zum Schluss der Veranlagungszeiträume 2015, 2016 und 2017 sind rechtmäßig. Die einfachgesetzlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 Satz 6 bis 8 EStG liegen vor.
Bei den streitgegenständlichen Verlusten handele es sich um Verluste der Klägerin, einer Kapitalgesellschaft, aus einer mitunternehmerischen atypisch stillen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, deren Abzug nach Maßgabe der Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 6 und 8 EStG beschränkt ist. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Die Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 6 bis 8 EStG verstößt im Hinblick auf den dem Gesetzgeber zukommenden weitreichenden Entscheidungsspielraum nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Vorschrift beschränkt den Verlustausgleich und -abzug von Innengesellschaften in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft dahingehend, dass Verluste über die Vorschrift des § 15a EStG hinaus nicht mit Gewinnen aus anderen Einkunftsquellen ausgeglichen und auch nicht vor- oder zurückgetragen werden können. Sie werden jedoch nicht vollständig von einer Verrechnung ausgeschlossen, sondern mindern nach Maßgabe des § 10d EStG Gewinne aus derselben stillen Beteiligung vorangegangener oder folgender Wirtschaftsjahre.
Das Verlustverrechnungsverbot betrifft nur den Verlustanteil der im Innenverhältnis mitunternehmerisch still beteiligten Kapitalgesellschaft, nicht den der im Außenverhältnis auftretenden Kapitalgesellschaft und - im Hinblick auf die Anwendung von § 15a EStG - Verluste des atypisch stillen Beteiligten bis zur Höhe der Vermögenseinlage.
Die in § 15 Abs. 4 Satz 6 bis 8 EStG geregelte Beschränkung des Verlustausgleichs bzw. der Verlustverrechnung auf positive Einkünfte aus derselben stillen Beteiligung als solche verstößt ungeachtet der hierdurch ausgelösten Zins- und Liquiditätsnachteile nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Vorschrift beschränkt die Verlustverrechnungsmöglichkeiten von Kapitalgesellschaften, die sich als stille Gesellschafter mit einer Vermögenseinlage, Unterbeteiligungen oder sonstigen Innengesellschaften an Kapitalgesellschaft beteiligen. Diese Mitunternehmer werden somit stärker belastet als andere Mitunternehmer, die dieser Beschränkung nicht unterliegen. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch bei Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes gerechtfertigt.
Als besondere sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermögen, sind die Bekämpfung missbräuchlicher Gestaltungen sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Regelung das Ziel, die Abschaffung der Mehrmütterorganschaft abzusichern. Trotz der bestehenden erheblichen rechtlichen Unterschiede zwischen der Mehrmütterorganschaft und der atypisch stillen Gesellschaft erachtet es der Senat nicht als willkürlich, wenn der Gesetzgeber mit Rücksicht darauf, dass die mit Mehrmütterorganschaften verfolgten Ziele von Verlustzuweisungen faktisch auch durch Innengesellschaften erreicht werden können, Vorschriften zum Ausschluss von Umgehungsmöglichkeiten für erforderlich gehalten hat.
Soweit die Verfassungswidrigkeit in der unterschiedlichen Behandlung von im Innenverhältnis an Kapitalgesellschaften beteiligten Kapitalgesellschaften einerseits und anderen Mitunternehmerschaften andererseits gesehen wird, ist darauf zu verweisen, dass der Gesetzgeber mit der tatbestandlichen Begrenzung der Vorschrift auf Kapitalgesellschaften und mitunternehmerische Innengesellschaften nicht Kapitalgesellschaften gegenüber natürlichen Personen bzw. Außengesellschaften benachteiligen, sondern den Tatbestand der Umgehungsschutzbestimmungen typisierend auf den für bedeutsam erachteten Fall des Kapitalgesellschaftskonzerns beschränken wollte. Hiermit hat er seine Befugnis zur Typisierung nicht überschritten.
Soweit der Anwendungsbereich der Vorschrift als zu weitgehend angesehen wird, da auch nicht beherrschende Beteiligungen erfasst werden und damit das Kernanliegen des Gesetzgebers überschritten wird, so ist dies dem mit jeder Typisierung verbundenen Ziel der Vereinfachung und einem möglichst praktikablen Gesetzesvollzug geschuldet.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 2/2023 v. (il)
Fundstelle(n):
SAAAJ-55862