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BVerwG Beschluss v. - 2 B 9/23

Erstattung von Studienkosten bei vorzeitigem Ausscheiden aus der Bundeswehr

Leitsatz

Für die Anwendung der Vorschriften über die Rückforderung von Ausbildungskosten im Soldatengesetz ist der Status maßgebend, den der Soldat im Zeitpunkt der Entlassung innehat, nicht der Status im Zeitpunkt seiner Ausbildung.

Gesetze: § 49 Abs 4 S 1 § 56 Abs 4 S 1 § 97 Abs 1

Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 1 A 870/22 Beschlussvorgehend VG Darmstadt Az: 1 K 1042/14.DA Urteil

Gründe

1Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Studienkosten nach vorzeitiger Beendigung des Berufssoldatenverhältnisses infolge Kriegsdienstverweigerung.

21. Der Kläger wurde aufgrund einer von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung, zwölf Jahre Wehrdienst zu leisten, im Juli 1998 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes eingestellt und in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Er studierte von 1999 bis 2003 erfolgreich Sportwissenschaften an einer Universität der Bundeswehr. Anschließend absolvierte er in der Zeit von 2004 bis 2009 die von der Bundeswehr veranlasste und finanzierte Fachausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier. Währenddessen wurde er im Juli 2007 in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen. Ab November 2009 war er zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) beurlaubt worden. Im Februar 2011 beantragte er seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, wurde als solcher anerkannt und daraufhin im Mai 2011 aus dem Dienstverhältnis des Berufssoldaten entlassen. Mit Bescheid vom forderte die Beklagte die für die absolvierten Ausbildungen ersparten Aufwendungen in Höhe von 126 954,86 € vom Kläger zurück, zahlbar in verzinslichen monatlichen Raten.

3Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht den Leistungsbescheid und den Widerspruchsbescheid teilweise aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach entsprechender Zulassung der Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage gegen die Rückforderung der Ausbildungskosten insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Rückforderung der Kosten für das Studium sei zu Recht auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Entlassung geltenden Erstattungsvorschrift für frühere Berufssoldaten erfolgt. Die militärische Ausbildung des Klägers sei mit einem Studium verbunden gewesen, dessen Absolvierung - unabhängig von der Fachrichtung - zwingende Voraussetzung für die Ausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier der Luftwaffe gewesen sei. Die Höhe des Erstattungsbetrags sei von der Beklagten unter Berücksichtigung der Härtefallregelung ermessensfehlerfrei ermittelt worden.

42. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist ungeachtet dessen, ob sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt, jedenfalls unbegründet.

5Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom - 2 B 5.19 - NVwZ-RR 2020, 933 Rn. 6).

6a) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage,

"geht der Rückforderungsanspruch gerichtet auf Ausbildungskosten unter, wenn der ehemalige Soldat als Zeitsoldat eine Ausbildung absolvierte und nach Ende der ursprünglich festgesetzten Dienstzeit nunmehr im Status eines Berufssoldaten die Bundeswehr verlässt?"

7Die weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung lassen mit Blick auf die divergierenden vorinstanzlichen Entscheidungen darauf schließen, dass es der Beschwerde um die Klärung geht, ob die Regelung über die Erstattung der Ausbildungskosten von Soldaten auf Zeit gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1737 - SG 1995) im Sinne des Urteils des Verwaltungsgerichts (UA S. 10 vierter Absatz, S. 13 erster Absatz) dahin zu verstehen ist, dass es für die grundsätzliche Verpflichtung zur Kostenerstattung auf den Status des Soldaten im Zeitpunkt seiner Ausbildung und darauf ankommt, ob er vor Ablauf einer der eingegangenen Verpflichtung entsprechenden Dienstzeit auf eigene Veranlassung aus dem Dienst der Bundeswehr ausscheidet. Diese Rechtsfrage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie kann auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig im Sinne des Berufungsurteils beantwortet werden.

8Für die Anwendung der Vorschriften über die Rückforderung von Ausbildungskosten im Soldatengesetz ist der Status maßgebend, den der Soldat im Zeitpunkt der Entlassung innehat, nicht aber der Status im Zeitpunkt seiner Ausbildung, die in der Vergangenheit liegen kann. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rückforderung der Ausbildungskosten von Berufssoldaten gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 (vgl. 6 C 105.74 - BVerwGE 52, 70 <73>, vom - 6 C 115.84 - Buchholz 238.4 § 46 SG Nr. 15 S. 20 <zur inhaltsgleichen Vorgängernorm des § 46 Abs. 4 Satz 1 SG 1968> und vom - 2 C 37.18 - Buchholz 449 § 49 SG Nr. 2 Rn. 9 <zu § 49 Abs. 4 SG 1995>). Nichts Anderes gilt für die Vorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 über die Rückforderung der Ausbildungskosten von Soldaten auf Zeit ( 2 C 16.16 - BVerwGE 158, 364 Rn. 12 und 20 m. w. N.). Nach der im Wortlaut verwendeten Zeitform stellt § 56 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 auf eine militärische Ausbildung ab, die mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden "war", und darauf, dass der Soldat auf Zeit auf seinen Antrag "entlassen worden ist". Die Maßgeblichkeit des im Entlassungszeitpunkt innegehabten Status entspricht auch dem mit dem Erstattungsanspruch verfolgten Sinn und Zweck. Die Regelung ist - ebenso wie die nunmehr geltende Regelung des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG i. d. F. des Art. 6 Nr. 21 Buchst. a des Gesetzes zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr (Bundeswehr-Einsatzbereitschaftsstärkungsgesetz - BwEinsatzBerStG) vom (BGBl. I S. 1147) - darauf gerichtet, einen billigen Ausgleich für den Fall zu schaffen, dass der Zeitsoldat aufgrund eigenen Entschlusses vorzeitig das Dienstverhältnis auf Zeit beendet hat. Der Anspruch soll der dadurch eingetretenen Situation Rechnung tragen, dass für den ausgeschiedenen Zeitsoldaten die für ihn auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Fachkenntnisse und Fähigkeiten im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil darstellen, während für den Dienstherrn die Kosten der Ausbildung insgesamt oder teilweise vergeblich aufgewendet worden sind. Die Gesetzessystematik bestätigt dieses Verständnis. Die generelle Rückzahlungsverpflichtung für Soldaten auf Zeit wurde durch Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung des Wehrrechts und des Zivildienstrechts vom (BGBl. I S. 179) in die Vorschrift des § 56 SG über die Folgen der Entlassung eines Soldaten auf Zeit aufgenommen und systematisch in den Zusammenhang mit den bestehenden Vorschriften über die Folgen der Entlassung eines Berufssoldaten und der dort geregelten Erstattung von Ausbildungskosten bei deren Entlassung gestellt. Für den letzteren Rückforderungsanspruch war zu dieser Zeit bereits höchstrichterlich geklärt, dass der Status maßgebend ist, den der Soldat im Zeitpunkt seiner Entlassung besitzt (vgl. 6 C 105.74 - BVerwGE 52, 70 <73> zur inhaltsgleichen Vorgängernorm des § 46 Abs. 4 Satz 1 SG 1968).

9Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat zutreffend angenommen, dass Rechtsgrundlage der Rückforderung § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 i. V. m. § 97 Abs. 1 SG i. d. F. der Neubekanntmachung vom (BGBl. I S. 1482 - SG 2005) ist. Im maßgebenden Zeitpunkt der Entlassung im Mai 2011 hatte der Kläger den Status eines Berufssoldaten inne. Das Soldatenverhältnis auf Zeit ist im Juli 2007 in das Soldatenverhältnis eines Berufssoldaten umgewandelt worden (vgl. § 39 Nr. 3 SG 2005). Gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 muss ein Berufssoldat, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er auf seinen Antrag vor Ablauf der in § 46 Abs. 3 Satz 1 SG 1995 genannten Dienstzeit entlassen worden ist oder - wie hier - als anerkannter Kriegsdienstverweigerer gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG 1995 als auf eigenen Antrag entlassen gilt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erfasst die Vorschrift auch die Kosten für eine Ausbildung, die der ehemalige Berufssoldat im vorangegangenen Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erhalten hat (vgl. 2 C 37.18 - Buchholz 449 § 49 SG Nr. 2 S. 1 Rn. 9, 35). Sie ist nicht auf Ausbildungen beschränkt, die erst im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten absolviert worden sind. Eine besondere Ausbildung im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten sieht das Gesetz nicht vor. In aller Regel erfolgt die Begründung des Dienstverhältnisses eines Berufssoldaten durch Umwandlung eines zuvor bestehenden Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit, über das der Soldat den Einstieg in die Bundeswehr genommen und in dem er typischerweise ein Studium oder eine Fachausbildung absolviert oder begonnen hat (vgl. 6 C 115.84 - Buchholz 238.4 § 46 SG Nr. 15 S. 19 f. <zur inhaltsgleichen Vorgängernorm des § 46 Abs. 4 Satz 1 SG 1968> und Beschluss vom - 1 WB 32.20 - BVerwGE 171, 357 Rn. 23).

10b) Der von der Beschwerde weiter aufgeworfenen Frage,

"kann von ehemaligen Soldaten Kostenerstattung für Fachausbildungen verlangt werden, von denen die Beklagte während der gesamten Dienstzeit keinen Gebrauch gemacht hat?"

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Die ihr zugrundeliegende Annahme widerspricht den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Danach setzt die Ausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier der Luftwaffe bei der Beklagten - anders als im zivilen Bereich - zwingend ein abgeschlossenes Studium - gleich welcher Fachrichtung - voraus.

113. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:151123B2B9.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 3
LAAAJ-55270