Online-Nachricht - Montag, 18.12.2023

Einkommensteuer | Keine Bindungswirkung der Entscheidung der Ausländerbehörde über das Freizügigkeitsrecht für die Kindergeldfestsetzung (FG)

Kindergeld kann auch für solche Zeiträume gewährt werden, für die die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts bestandskräftig festgestellt hat (; Revision anhängig BFH-Az. III R 36/23).

Sachverhalt: Die Klägerin ist rumänische Staatsangehörige und lebt seit April 2019 in Deutschland. Hier wurden auch ihre beiden Kinder geboren, für die die Familienkasse zunächst Kindergeld festsetzte. Ab November 2021 war die Klägerin als Arbeitnehmerin beschäftigt, wobei sie in den Monaten November und Dezember 2021 einen deutlich geringeren Lohn als in den folgenden Monaten erhielt, weil sie sich zeitweise als Ungeimpfte in unbezahlter Quarantäne befand. Die Ausländerbehörde stellte im November 2021 den Verlust des Freizügigkeitsrechts der Klägerin fest, da sie sich weniger als fünf Jahre in Deutschland aufgehalten hat und keine Erwerbstätigkeit ausübt. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Familienkasse hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung ab Dezember 2021 gegenüber der Klägerin auf. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Nachdem die Ausländerbehörde den Bescheid über den Verlust des Freizügigkeitsrechts ab April 2022 wieder aufgehoben hatte, gewährte die Familienkasse ihr ab April 2022 wieder Kindergeld. Für die übrigen Zeiträume (November 2021 bis März 2022) wies sie den Einspruch zurück, da insoweit der Verlust der Freizügigkeit festgestellt worden ist und auch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG nicht vorgelegen haben.

Das FG Münster hat der Klage vollumfänglich stattgegeben:

  • Die Klägerin hat im Streitzeitraum einen inländischen Wohnsitz unterhalten, in dem auch ihre minderjährigen Kinder gelebt haben. Die Regelung in § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG, wonach der Anspruch auf Kindergeld entfällt, wenn kein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU vorliegt, steht dem nicht entgegen. Tatsächlich ist die Klägerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt gewesen, da sie sich als Arbeitnehmerin in Deutschland aufgehalten hat. Dies folgt aus ihrer tatsächlichen Beschäftigung als Arbeitnehmerin. Dies gilt unabhängig von der geringen Stundenzahl in den Monaten November und Dezember 2021, da die Klägerin lediglich aufgrund der Quarantäne zeitweise keiner Beschäftigung hat nachgehen können.

  • Die bestandskräftige Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts durch die Ausländerbehörde steht dem Kindergeldanspruch ebenfalls nicht entgegen, da die Familienkasse den Anspruch nach § 62 Abs. 1 Satz 4 EStG in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat. Auch wenn der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Regelung den Familienkassen die Möglichkeit einräumen wollte, die Zahlung von Kindergeld zu verweigern, ohne eine vorherige Entscheidung der Ausländerbehörde abwarten zu müssen, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde für die Familienkasse stets bindend ist.

Hinweis

Die vom BFH zugelassene Revision ist unter dem Az. III R 36/23 anhängig.

Quelle: FG Münster Newsletter Dezember (JT)

Fundstelle(n):
IAAAJ-55206