Körperschaft-/Gewerbesteuer | Keine grenzüberschreitende Verlustverrechnung (BFH)
Eine grenzüberschreitende Verrechnung von Verlusten einer ausländischen Tochtergesellschaft bei der inländischen Muttergesellschaft setzt voraus, dass die "Organschaft" zuvor i. d. Sinne faktisch "gelebt" worden ist, dass die von der Tochtergesellschaft erwirtschafteten Verluste von der Muttergesellschaft nach den Vorgaben der anzuwendenden nationalen Regelungen tatsächlich getragen worden sind (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG setzt die Berücksichtigung der Verluste einer Tochtergesellschaft auf der Ebene der Muttergesellschaft ein zwischen beiden Unternehmen bestehendes Organschaftsverhältnis voraus. Dazu muss sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag i. S. des § 291 Abs. 1 AktG verpflichten, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, für das in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KStG weitere Voraussetzungen normiert sind (Organträger). Für andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG genannten Kapitalgesellschaften insbesondere für GmbH sieht § 17 KStG für die Begründung einer Organschaft modifizierte Anforderungen vor (s. zu den Motiven des Gesetzgebers auch ), die aber jedenfalls eine wirksame Verpflichtung zur Gewinnabführung an ein anderes Unternehmen und eine Vereinbarung über eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG erfordern. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gelten diese Voraussetzungen auch für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob in Frankreich entstandene Verluste einer französischen Tochtergesellschaft der Klägerin bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin für Zwecke der Körperschaft- und der Gewerbesteuer zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hatte sich auf den Standpunkt gestellt, die Berücksichtigung der Verluste der französischen Tochtergesellschaft bei der deutschen Muttergesellschaft sei europarechtlich geboten.
Wie sich aus einer Reihe von EuGH-Entscheidungen ergebe, sei die Berücksichtigung von Verlusten einer ausländischen Tochtergesellschaft bei der inländischen Muttergesellschaft - auch um dem Gesichtspunkt einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen - immer dann geboten, wenn - wie hier - feststehe, dass die Tochtergesellschaft die von ihr erwirtschafteten Verluste weder in der Vergangenheit habe steuerlich nutzen können, noch in der Zukunft dazu in der Lage sein werde, die Verluste also i. d. Sinne "final" seien. Die §§ 14 ff. KStG seien daher in der Weise geltungserhaltend zu reduzieren, dass auf den normierten doppelten Inlandsbezug und auf das GAV-Erfordernis vollständig verzichtet werde. Ausreichend sei es, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft eine "Organschaft auf faktischer Grundlage gelebt" hätten. Das FG folgte dem nicht (s. unsere Online-Nachricht v. 1.10.2019).
Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen:
Der Senat hatte bislang keinen Anlass, abschließend zu den Voraussetzungen für eine Verlustverrechnung "über die Grenze" bei einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) ansässigen (verlusterzielenden) Tochtergesellschaft und einer im Inland ansässigen Muttergesellschaft zu entscheiden. Auch im Streitfall ist nicht abschließend darüber zu entscheiden, ob die "kumulierten operativen Verluste", wie die Klägerin meint, über eine unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 14 ff. KStG (und des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) i. S. einer Restriktion des Tatbestandserfordernisses des Gewinnabführungsvertrags im Inland abzugsfähig sein könnten.
Aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des EuGH, (Urteil v. - C 446/03 "Marks & Spencer") sowie den in der Folge ergangenen EuGH-Entscheidungen lässt sich bei einer Übertragung auf die nationalen Organschaftsregelungen jedenfalls nicht entnehmen, dass die begehrte Verlustverrechnung ohne eine zumindest "faktisch gelebte Organschaft" möglich sein könnte, d. h. ohne dass die von der ausländischen Tochtergesellschaft jährlich erwirtschafteten Verluste von der inländischen Muttergesellschaft nach den Vorgaben der anzuwendenden nationalen Regelungen tatsächlich getragen worden sind.
Diese Grundvoraussetzung lag im Streitfall nicht vor; nach den bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG fehlte es vor der Geschäftseinstellung an einer den inländischen Organschaftsregelungen entsprechenden tatsächlichen Übernahme der jährlichen Verluste durch die Klägerin.
Die Entscheidung zur Verlustübernahme entsprechend dem nationalen Organschaftskonzept und der Umstand, dass die Klägerin letztlich nicht anders besteuert wird als eine Muttergesellschaft mit einer im Inland ansässigen abhängigen Kapitalgesellschaft, mit der eine Ergebnisabführung nicht vereinbart worden ist, weshalb es an einer Ungleichbehandlung fehlt, nötigt nach Maßgabe der Rechtsprechung des 283/81 "CILFIT") den Senat nicht zu einer Vorlage i. S. des Art. 267 AEUV an den EuGH wegen unionsrechtlicher Zweifel an dem nationalen Tatbestandserfordernis des Gewinnabführungsvertrags in § 14 Abs. 1 KStG. Eine Vorlage hätte nur dann erforderlich sein können, wenn es vor der Geschäftseinstellung zumindest tatsächlich oder auf Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung zu einer Übernahme der jährlichen Verluste gekommen wäre.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
LAAAJ-54969