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BGH Beschluss v. - 2 ARs 386/23

Gründe

I.

1Die Jugendrichter der Amtsgerichte Siegburg und Krefeld streiten um die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung in einer Jugendstrafsache.

2Der Jugendstrafsache liegt eine Anklage der Staatsanwaltschaft Bonn gegen den heute 19-jährigen Angeklagten F.             und der erwachsenen Mitangeklagten A.               wegen gefährlicher Körperverletzung und weiterer Straftaten zugrunde. Die Jugendrichterin des Amtsgerichts Siegburg hat die am eingegangene Anklage mit Beschluss vom zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.

3Da der vormals in S.           wohnhafte Angeklagte F.           seit dem mit Wohnsitz in K.     gemeldet ist, hat das Amtsgericht Siegburg den für den vorgesehenen Hauptverhandlungstermin aufgehoben und das Verfahren gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG an das Amtsgericht Krefeld abgegeben, da „die Angeklagten […] sich im Bezirk dieses Gerichts“ aufhielten.

4Das Amtsgericht Krefeld hält die Verfahrensabgabe für rechtsfehlerhaft und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

II.

51. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht des Amtsgerichts Siegburg (Bezirk des Oberlandesgerichts Köln) und des Amtsgerichts Krefeld (Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf) aufgrund der zulässigen Vorlage des letztgenannten Gerichts gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen.

62. Der Abgabebeschluss des Amtsgerichts Siegburg vom ist aufzuheben. Die Voraussetzungen für eine Abgabe nach § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG liegen nicht vor, weil der Angeklagte F.           seinen Aufenthaltsort nicht nach, sondern allenfalls zeitgleich mit der Erhebung der Anklage gewechselt hat (vgl. dazu , juris Rn. 1 mwN). Der Angeklagte F.           ist erst seit dem mit Wohnsitz in K.     gemeldet; an diesem Tag ist auch die Anklageschrift bei dem Amtsgericht Siegburg eingegangen. Bei dieser Sachlage ist eine Verfahrensabgabe nicht zulässig.

7Die Abgabe, die im richterlichen Ermessen steht („kann“), erwiese sich im vorliegenden Fall zudem als unzweckmäßig. Der Grundsatz, dass sich Jugendliche bzw. Heranwachsende vor dem für ihren Aufenthaltsort zuständigen Gericht verantworten sollen, das regelmäßig über die größte Sachnähe verfügt, kann zur Vermeidung erheblicher Verfahrenserschwernisse durchbrochen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 ARs 96/03, juris Rn. 2; vom – 2 ARs 424/13, juris Rn. 1; vom – 2 ARs 142/15, juris Rn. 1; vom – 2 ARs 58/20, juris Rn. 3, und vom – 2 ARs 131/21, juris Rn. 5).

8Eine Abgabe des Verfahrens an das für den neuen Wohnsitz des Angeklagten F.           zuständige Amtsgericht Krefeld wäre aus verfahrensökonomischer Sicht nicht vertretbar. Die Jugendrichterin des Amtsgerichts Siegburg hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden und ist damit bereits in die Sache eingearbeitet, während sich der Jugendrichter des Amtsgerichts Krefeld zunächst noch einarbeiten müsste. Dies würde zu weiterer, nicht hinnehmbarer Verzögerung des Verfahrens führen. Eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Siegburg hätte nur für den Angeklagten selbst einen erhöhten Reiseaufwand zur Folge, der ihm ohne Weiteres zugemutet werden kann, zumal er inzwischen 19 Jahre alt ist. Bei dieser Sachlage tritt der erzieherisch relevante Gesichtspunkt der Entscheidungsnähe des für den Wohnsitz zuständigen Gerichts zurück (vgl. , juris Rn. 3 mwN).

Auf den Wohnsitz der erwachsenen Mitangeklagten A.            , die bei Tatbegehung weder Jugendliche noch Heranwachsende war und die überdies nicht nach K.      verzogen, sondern weiterhin in S.         gemeldet ist, kommt es für die Bestimmung der Zuständigkeit nicht an.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:151123B2ARS386.23.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-54930