Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung - Klärungsbedürftigkeit - Kurzarbeitergeld - Wirksamkeit der Antragstellung - Versäumung der Ausschlussfrist - pandemiebedingte Einschränkungen - Nichtanpassung der Ausschlussfrist - gesetzgeberische Lücke
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 162 SGG, § 325 Abs 3 SGB 3
Instanzenzug: SG Mannheim Az: S 2 AL 1730/21 Urteilvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 3 AL 1394/22 Urteil
Gründe
1Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den von ihr allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der gebotenen Weise dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
2Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
3In der Beschwerdebegründung ist aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt (vgl - juris RdNr 3 mwN). Die Beschwerdebegründung muss daher eine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht formulieren (stRspr; vgl etwa - juris RdNr 3 mwN).
4Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin macht gegenüber der beklagten BA weiteres Kurzarbeitergeld geltend, das von dieser, bestätigt durch die Vorinstanzen, abgelehnt wurde, weil der maßgebliche Antrag außerhalb der Ausschlussfrist eingegangen sei. Es stellten sich folgende Rechtsfragen:"gilt die Ausschlussfrist des § 325 Abs. 3 SGB III auch in der Pandemie, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Politik im Allgemeinen und der Bundesminister für Arbeit und Soziales - Herr Hubertus Heil - im Besonderen immer wieder erklärt haben, die Bezugsregeln werden erleichtert und keiner 'werde im Regen stehen gelassen'?liegt vor dem genannten Hintergrund im Hinblick auf die tatsächlichen pandemiebedingten Erleichterungsregeln bei Nichtanpassung der Aussschlussfristenregelung eine gesetzgeberische Lücke vor, die durch Auslegung zu schliessen ist?"
5Diese Fragen beziehen sich jedenfalls sinngemäß auf die Auslegung bzw den Anwendungsbereich des § 325 Abs 3 SGB III, knüpfen also an eine konkrete revisible Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG an. Allerdings ist die Klärungsbedürftigkeit der Fragen im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut dieser Norm nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Auch wenn - wie die Klägerin ausführt - in der Pandemie viele Regelungen geändert und angepasst wurden, hätte die Beschwerde sich genauer damit auseinandersetzen müssen, dass § 325 Abs 3 SGB III gleichwohl unverändert geblieben ist. Soweit hierin eine "gesetzgeberische Lücke" gesehen wird, fehlt jede methodische Begründung dieser Auffassung. Beispielhafte Hinweise auf allgemeinpolitische Absichtserklärungen und die Darstellung rechtlicher und tatsächlicher Problemlagen reichen insoweit nicht aus. Der rechtsprechenden Gewalt ist Rechtsfortbildung, wie sie die Beschwerde offenbar einfordert, allenfalls in sehr engen, verfassungsrechtlich determinierten Grenzen gestattet. Dies wird von der Beschwerde ebenfalls nicht problematisiert.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:020823BB11AL1323B0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-54827